Literarische Entstehungsgeschichten: Elena Ferrante vs. Mopsa Sternheim
Shownotes
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Pia und Christina haben wieder eure Lieblingsrubrik mitgebracht: Die Literarischen Entstehungsgeschichten. Vom sonnigen Neapel und der Suche nach der wahren Identität der Bestsellerautorin Elena Ferrante, über das Manuskript des einzigen Romans der Bühnenbildnerin Mopsa Sternheim, das viele Jahrzehnte in einem einfachen Koffer überdauert hat, um schließlich von einem pensionierten Bibliothekar gefunden und zur Veröffentlichung gebracht zu werden: auch heute warten Pia und Christina wieder mit zwei faszinierenden Geschichten aus der Welt der Literatur auf euch!
Ihr könnt abstimmen, welche Geschichte euch besser gefallen hat. Oder vielleicht interessiert ihr euch für eine Entstehungsgeschichte, und Christina oder Pia sollen sie recherchieren und erzählen: Schreibt uns auf Instagram (stadtbibliothek.innsbruck) oder post.stadtbibliothek@innsbruck.gv.at.
Gibt’s auch in der Stadtbibliothek:
Die Neapolitanische Saga (und weitere Titel) von Elena Ferrante: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/simple_search?query=elena%20ferrante
„Im Netz der Spinne“ von Mopsa Sternheim: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/126823?query=im%20netz%20der%20spinne
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Christina #: ‑8# (...) Fängst du jetzt an, oder.- Pia [lacht]: Ja, ich fange an! - Hallo und herzlich willkommen zurück zum Vorwort, dem Podcast der Stadtbibliothek Innsbruck. Mein Name ist Christina – Pia: und ich bin die Pia - und wir sind heute wieder für euch da mit den Literarische Entstehungsgeschichten, wo die Pia und ich uns gegenseitig und euch eine spannende, interessante, lehrreiche literarische Entstehungsgeschichte erzählen, wie der Name sagt. Das heißt, wir schauen uns Autor*innen von verschiedenen Jahrhunderten an, das können ganz moderne sein oder auch welche, die schon viele hunderte Jahre alt sind und erzählen ein bisschen über deren Leben oder auch wie ein spezielles Werk oder Oeuvre entstanden ist - und ihr könnt am Ende abstimmen, jeder Folge, auf Instagram, welche Entstehungsgeschichte euch besser gefallen hat. Jetzt muss ich leider eine Richtigstellung am Anfang machen, nämlich hat, ich glaube, dass ich letzte Folge behauptet habe, dass ich gewonnen hätte mit der Entstehungsgeschichte. Das war aber …
Pia #: ‑4# Ach ja, stimmt ja. Fake News.
Christina #: ‑9# Extrem Fake News. Ich weiß nicht, wie ich zu der Annahme gelangt bin. Wenn ich mich recht erinnere, hat es mir irgendjemand so zugeschossen. Aber es hat nie gestimmt. [beide lachen]
Pia #: ‑9# [lachend] Weil es wahrscheinlich zu 99,999 % in allen anderen Fällen so war, dass du gewonnen hast.
Christina #: ‑3# Stimmt gar nicht. Die davon hast auch du gewonnen.
Pia #: ‑1# Ah, echt? Ok.
Christina #: ‑8# Wir müssen die Ergebnisse nochmal zusammentragen und dann werden wir in der nächsten Entstehungsgeschichten-Folgen so ein finales Aufrechnen machen, weil die Gewinnerin, so haben wir das vereinbart wird der Verliererin einen Tee schenken [zögert], nein, du wolltest …
Pia #: ‑9# [lachend] Nein, die Verliererin, die Verliererin muss ja einen Tee schenken. Das macht ja keinen Sinn.
Christina #: ‑9# Schreibt uns doch bitte auf post.tadtbibliothek@innsbruck .gv.at. Wie herum wir das machen sollen. Weil ich bin der Ansicht, das hat auch ein lieber Kollege von uns immer so gemacht. Wenn man eine Wette verliert, muss der Gewinner dem Verlierer den Wetteinsatz zahlen.
Pia #: ‑2# Das finde ich, macht keinen Sinn. [lacht] Aber ihr dürft entscheiden. Ihr dürft entscheiden.
Christina #: ‑4# Und jedenfalls in der Folge passiert dann die Preisverleihung. [lacht] Genau. Und du hast also die Jane Austen gemacht?
Pia #: ‑8# Genau.
Christina #: ‑2# Ja, Und ich habe die Geschwister Bronte erzählt. Die Brontes haben 24 % der Stimmen erhalten, und Applaus, 76 % der Stimmen und damit der Sieg der letzten Folge geht an dich, liebe Pia.
Pia #: ‑8# Ganz bestimmt, weil sie Jubiläumsjahr gehabt hat.
Christina #: ‑3# Wahrscheinlich ja. Und dann war ja auch die Elsemarie Maletzke bei uns zu Gast, sowohl in der Stadtbibliothek als auch in einem Kurz und Schmerzlos-Interview. Also vielleicht hast du da einen Rückenwind gehabt. Gratuliere.
Pia #: ‑4# Juhu! Endlich! [beide lachen]
Christina #: ‑7# Genau. Und jetzt fängst du an und beehrst uns mit deiner nächsten Geschichte.
Pia #: ‑3# Genau. Unsere Geschichte nimmt ihren Anfang in den 1990er Jahren in Italien. Neapels Straßen summen vom Motorroller zwischen alten Palazzi und bunten Wäscheleinen mischt sich der Duft von frischem Brot und Rauch aus Pizzerien. Politische Skandale erschüttern Rom, Während junge Menschen zwischen Aufbruch, neuer Musik und alten Traditionen ihren Weg suchen. Also ich glaube, das kann man sich so richtig gut vorstellen.
Christina #: ‑6# Sehr atmosphärisch.
Pia #: ‑7# Ja [lacht]. In diese Stimmung taucht eines Tages ein Manuskript auf von einer literarischen Stimme, die sofort fesselt, aber niemand weiß, wer es verfasst hat. Das Buch erscheint anonym unter einem inzwischen weltweit bekannten Pseudonym: Elena Ferrante. Von der hat bestimmt jeder schon mal gehört, wenn man auch noch nie etwas von ihr gelesen hat. Aber den Namen kennt man. Leser*innen weltweit sind fasziniert und irritiert. Es gibt keine Lesungen, keine Fotos, nur Briefe und schriftliche Interviews. „Bücher brauchen keine Autoren, um zu leben“, schreibt Ferrante einmal. Mit jedem neuen Roman wächst das Rätsel. Die neapolitanische Saga, die Geschichte von Lila und Elena, erobert die Welt. Das ist eigentlich das Bekannteste, was sie geschrieben hat.
Christina #: ‑2# Das ist der erste Roman, „Meine geniale Freundin“, oder?
Pia #: ‑7# Ja, genau das ist diese Reihe für die, die es noch nicht wissen: Die Reihe handelt von zwei Mädchen aus einem ärmeren Viertel in Neapel in den 50er Jahren. Von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter begleiten wir ihre Freundschaft, Loyalität und das Ringen um Bildung, Liebe und Selbstbestimmung. Die Bücher spiegeln nicht nur ihre persönlichen Schicksale wider, sondern auch den sozialen und politischen Wandel in Neapel und in Italien über mehrere Jahrzehnte. Millionen Leserinnen verschlingen diese Bände. Doch während die Figuren immer lebendiger werden, bleibt die Autorin selbst im Schatten. Wer ist also Elena Ferrante? Also da gibt es sehr viele Spekulationen. Einige vermuten, dass sich Marcella Marmo, eine Professorin an der Universität Neapel, hinter dem Pseudonym verbirgt, ist allerdings inzwischen verstorben. Das heißt, dadurch, dass noch weiter geschrieben wird, ist es wahrscheinlich eher nicht der Fall. Eine weitere Theorie wurde 2016 von dem Journalisten Claudio Gatti aufgestellt, der Finanztransaktionen und Grundbucheinträge analysiert hat und dann zum Schluss gekommen ist, dass es sich um Anita Raja, eine Übersetzerin, handeln muss. Der Journalist wurde übrigens dann sehr kritisiert für seine, für seine Verletzung der Privatsphäre.
Christina #: ‑1# Ich wollte gerade sagen, das ist schon ziemlich weit. Dafür, dass … Ich mein, die will ja anonym bleiben.
Pia #: ‑1# Ja, eben. Das ist der Sinn des Ganzen, oder? Aber auch aus der Enthüllungsmethode ist dann nicht wirklich was geworden, weil man ist nicht wirklich schlauer draus geworden, ob sie ist oder nicht. Und man hat auch wirklich alles probiert. Computerlinguistik, Linguist*innen haben sogar den Sprachstil von Ferrante analysiert. Dadurch gerät dann zum Beispiel auch der Schriftsteller Domenico Starnone, das ist der Mann von dieser Übersetzerin, ins Visier der Forschung, weil anscheinend haben seine Texte eine große Ähnlichkeit mit Ferrante. Aber bis jetzt ist die Identität der Autorin immer noch ein Rätsel. Die Öffentlichkeit hat sehr viele Vermutungen angestellt. Vielleicht ist es ein Kollektiv, das da zusammenschreibt. Vielleicht ist es eine Frau, die für einen Verlag arbeitet und deswegen vielleicht die Identität schützen will. Oder auch eben ein Mann, der keine öffentliche Aufmerksamkeit haben will. Jede Theorie entfacht neue Debatten. Doch der Vorhang bleibt bis jetzt zumindest, Stand heute [lacht], geschlossen. Vielleicht findet man mehr raus. Irgendwann. Aber vielleicht liegt genau darin auch das Geheimnis. Elena Ferrante ist nicht nur eine Person, sie ist eine literarische Idee. Wir wissen nur zwei Dinge über sie: dass sie aus Neapel stammt, was ja Sinn macht, wenn sie über Neapel schreibt. Und dass sie nicht hauptberuflich Schriftstellerin ist. Am Ende wissen wir immer noch nicht, wer sie ist. Trotz zahlreicher Theorien bleibt ihre wahre Identität unklar. Die Autorin selbst hat mehrfach gesagt, dass ihre Anonymität ein bewusster Teil ihres künstlerischen Schaffens ist und dass die Identität der Autorin für das Verständnis vom Werk eigentlich nicht entscheidend und wichtig ist.
Christina #: ‑9# Interessant mit dem Autor*innen-Kult, der ja da auch gern …
Pia #: ‑6# Betrieben wird.
Christina #: ‑4# … von den Verlagen auch betrieben wird, um Exemplare zu verkaufen und sie entzieht sich dem.
Pia #: ‑4# Komplett. Aber wer weiß, vielleicht sitzt sie jetzt gerade irgendwo in Neapel, schreibt am nächsten Roman und trinkt einen guten italienischen Kaffee.
Christina #: ‑9# Liebe Grüße aus Innsbruck. [beide lachen]
Pia #: ‑7# Ja, genau das ist meine Geschichte, eigentlich über eine Person, von der wir nichts wissen. [beide lachen]
Christina #: ‑9# Sehr gut ausgesucht. Also, danke. Das war eine spannende Geschichte. Also, ich muss sagen, dass ich hoffe, dass wir nie erfahren, wer sie ist. Oder er. Aber ehrlich, ich sage jetzt, ich bleibe jetzt bei der sie. Ähm. Ich feier sie da eher voll, dass sie dass sie sich dem einfach entzieht, weil Recht hat sie. Es täte nicht jedem Werk ungut, wenn man es besser von seinem Schaffter [beide lachen] – [Christina hüstelt: J.K. Rowling] trennen könnte. [beide lachen] Aber das ist jetzt gar nicht so gemeint. Ich finde es einfach cool, dass sie da so beharrt. Und ich finde es eher ein bisschen übergriffig, dass nicht nur die Leute, dass man, dass man das ein bisschen an detektivischen Spürsinn das ausleben muss. Das kann ich schon irgendwie nachvollziehen. Aber dass man das dann auch mit Namen, mit Namen um sich wirft und das öffentlich macht für die eigene Aufmerksamkeit, finde ich schon eher problematisch, weil die Frau will ja offensichtlich nicht bekannt werden. Dafür gibt’s ja Pseudonyme.
Pia #: ‑8# Ja und dann auch und dann vor allem auch wirklich, also die Privatsphäre komplett missachtet und dann eben Transaktionen analysiert. Also das ist dann natürlich schon sehr übergriffig. Aber es ist faszinierend, dass gerade in der heutigen Zeit eigentlich so ein Geheimnis noch gewahrt werden kann. Weil gerade heutzutage mit Social Media und alles ist online und digital, dass das der Verlag und die Autorin oder die Autorinnen oder was nicht. Ich weiß nicht, wer es ist. [lacht] Das immer noch schaffen im Geheimen zu bleiben ist faszinierend.
Christina #: ‑8# Und irgendwie eine Ausnahme. Also ja, zeichnet sich ja dadurch aus, dass es so eine Ausnahme-Sache ist, dass es fast nicht mehr gibt, weil es diese viele Verlage hängen es ja an den Leuten auf.
Pia #: ‑6# Pseudonyme gibt es schon, aber oft weiß man dann, das ist dann oft eh schon ein Bestsellerautor, Bestsellerautorin, aber nimmt dann halt einfach einen anderen Namen her. Oft bei den Krimis ist es irgendwie so, das ist dann ein bisschen spannenderer Name ist.
Christina #: ‑5# Das machen ja Autor*innen bewusst, weil so diese Genrewechsel sind ja sehr schwierig in der Literaturlandschaft und da hilft es, wenn der eine Name nicht mit dem anderen verknüpft ist. Jetzt, da, hier, Wer hat es? Der Der Sebastian Fitzek zum Beispiel.
Pia #: ‑9# Ja genau.
Christina #: ‑4# Hat das bewusst nicht gemacht. Er schreibt ja ganz berühmterweise Thriller, schreibt aber auch … [zögert] Ist schon der Fitzek, oder?
Pia #: ‑0# Ja, genau.
Christina #: ‑7# Dieser ist „kein Krimi“ oder „kein Thriller“, schreibt er dann auf, auf dem Buchumschlag.
Pia #: ‑0# Dann ein bisschen damit gespielt wird.
Pia #: ‑3# Eben ganz klassisch J.K. Rowling erwähnt. Die hat ja auch dann das Pseudonym Robert … hilft mir [lacht].
Christina #: ‑1# Galbraith. Ich weiß nicht, wie man es ausspricht.
Pia #: ‑3# Aber das ist ja auch und sie war ja schon bekannt. So ist es ja nicht. Aber da wird ja dezidiert damit gespielt, dass man sagt okay, ich will für meine Erwachsenenkrimis einen anderen Namen haben, weil sonst denken die Leute Ah, das ist für Kinder.
Christina #: ‑8# Ja, genau. Aber da ist man relativ schnell drauf gekommen und offensichtlich hat sie es nicht so gut versteckt wie wie die Elena Ferrante. Beim Stephen King, der hat eine Weile unter dem Pseudonym Richard Stark geschrieben. Einige Romane, und da hat man eigentlich fast von Anfang an gewusst, dass es er ist, weil es da sehr … auch durch so ein Sprachmodul vielleicht gejagt geworden ist. Das ist jetzt aber schon sehr viel länger her. Ich weiß nicht, ob es das schon in den 90er und davor gegeben hat. Und ja. Interessant. [lacht leise] Also ich habe eine Autorin mitgenommen mitgebracht, die man vorher noch nicht gekannt hat. Also man kannte die Person, aber dass sie ein … sie hatte noch kein Buch veröffentlicht und ist also sozusagen eine Person, die aus der Anonymität hervortreten konnte, dank den Bemühungen eines [Pause] Bibliothekars. [Pia: Uhhh.] Ich muss euch warnen, mein die Recherchepferde sind heute ein bisschen mit mir durchgegangen. [beide lachen] Die Entstehungsgeschichte könnte auf der etwas längeren Seite sein, aber ich verspreche, sie ist extrem spannend. Und wenn es zu lang wird, dann mache ich im Schnitt [schnalzt mit der Zunge] das raus. [beide lachen] Also es geht um die Entstehungsgeschichte von Mopsa Sternheims „Im Zeichen der Spinne“. In der Landesbibliothek Oldenburg steht ein unscheinbarer Koffer. Der gehört zum Nachlass des Kunsthistorikers Gert Schiff, der über Umwege über New York nach dessen Tod wieder in Oldenburg und schließlich dann eben in der Landesbibliothek gelandet ist. In dem Koffer liegen ganze Packen aus Papier, nämlich voller klein beschriebener loser Blätter, [im Dialekt] die so zsammenpacktelt worden sein. Das Ganze wirkt so chaotisch, dass der Koffer, so erzählt die damalige Bibliotheksleiterin Corinna Roeder - vielleicht ist sie auch im Moment noch Bibliotheksleiterin, das weiß ich jetzt gerade leider nicht -so wurde der Koffer erst einmal wieder zugemacht. [lacht]
Pia #: ‑1# Okay.
Christina #: ‑8# Aber erst Jahre später, da war er schon in der Pension, nimmt sich der damalige stellvertretende Bibliotheksleiter Rudolf Fietz dieser Hinterlassenschaft an, nämlich gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Geisteswissenschafterin Gisela Niemöller. Beginnt er, diese Blätter in mühsamer Kleinarbeit zu sichten. Und was auf den ersten Blick wie ein Papierchaos aussieht, entpuppt sich als das, was man literarisch ohne Übertreibung eine Sensation nennen kann. Es ist das Manuskript des einzigen Romans von Mopsa Sternheim, das jahrelang als verschollen galt. Und da die ganze Zeit in diesem Koffer in der Oldenburger …
Pia #: ‑8# Den einfach niemand aufgemacht hat.
Christina #: ‑6# Aufgemacht haben se ihn ja schon. [Pia lacht]
Pia #: ‑9# Aber einfach liegen lassen.
Christina #: ‑8# Aber ich meine, das kennt man ja von daheim. Wenn man die Sachen nicht gleich einordnet, die Rechnungen. [beide lachen]
Pia #: ‑5# Dann bleibt halt einfach mal stehen. Okay.
Christina #: ‑6# Mach ich morgen. [beide lachen] Fietz und Niemöller beschließen, das Werk zu retten. Sie rekonstruieren den Text über zwei Jahre hinweg, wirklich Satz für Satz, müssen die Papiere auch wirklich in die Reihenfolge bringen und ordnen. Und aus all diesen verschiedenen Versionen, die es da gab, und den Notizen, denen die Mopsa Sternheim dazu geschrieben hat. Im Oktober 2025, also wirklich erst vor kurzem, war es dann endlich soweit. Die Landesbibliothek Oldenburg stellt den Roman „Im Zeichen der Spinne“ erstmals der Öffentlichkeit vor. An dem Buch hat das hat an dem hat das wurde von der Mopsa Sternheim quasi fertig geschrieben vor fast 70 Jahren und zu ihren Lebzeiten konnte das eben dann nicht erscheinen. Wer war jetzt aber diese Mopsa Sternheim? Die heißt den bürgerlichen Namen - Mopsa ist natürlich ein Kosename - im bürgerlichen Namen heißt die Dorothea Elisabeth Sternheim, wurde 1905 in Oberkassel bei Düsseldorf geboren. Ihre Mutter war Thea Sternheim. Die war eine deutsche Autorin, deren Tagebücher, die sie über 70 Jahre lang geführt hat, heute als Zeitdokument gelten und im Deutschen Literaturarchiv in Marbach vorliegen. Der Vater, das war Carl Sternheim, der gilt als einer der wichtigsten Bühnenautoren der 20er -Jahre. Den Carl mögen wir nicht so sehr.
Pia #: ‑9# Okay.
Christina #: ‑5# Die Mopsa und ihre ganze Family - also die Eltern waren auch relativ bekannt, auch da zu Lebzeiten. Die haben ziemlich interessante und ziemlich turbulentes und exzessives Leben. Lebensgeschichte ist super interessant. Das habe ich natürlich jetzt alles nicht dabei, aber das war wahnsinnig faszinierend. Sie wächst jedenfalls in einem hochkulturellen Milieu auf. In ihrem Elternhaus hängen Gemälde von van Gogh und Renoir. Künstler*innen und Politiker*innen gehen ein und aus. Schon früh ist sie umgeben von Kunst und Literatur. Sie ist laut einem ihrer Hauslehrer hochbegabt. Trotz diesem auch des großbürgerlichen Luxus, in dem sie aufwächst, fehlt es dem Haushalt aber an Geborgenheit und Kontinuität. Sie war Opfer sexualisierter Gewalt von Seiten ihres Vaters. Genau ein Umstand, den sie auch im Roman, wenn nicht verarbeitet, auf jeden Fall anschneidet. In den 1920er-Jahren arbeitete sie als Bühnen-und Kostümbildnerin. Auch sehr cool. Unter anderem für die Stücke ihres Vaters und für die jungen Autor*innen Klaus und Erika Mann.
Pia #: ‑7# Ah.
Christina #: ‑3# Weil. Mit denen war sie eng befreundet.
Pia #: ‑9# Ah, cool.
Christina #: ‑5# Ja, schon, gell? [beide lachen, Pia: Nicht schlecht.] Es geht weiter: Mit 21 Jahren hat sie eine sehr intensive, aber leider unglücklich endende Affäre mit dem - der nächste problematische Mann in dieser Erzählung - 19 Jahre älteren und damals bereits berühmten Dichter Gottfried Benn.
Pia #: ‑3# Ah ja.
Christina #: ‑4# Sagt der dir was? Ich hab den noch nie ... Ich habe den. Vielleicht bin ich zu ungebildet, aber mir sagt er nichts.
Pia #: ‑2# Doch, der sagt mir was. 19 Jahre älter. Okay, das ist ein Unterschied.
Christina #: ‑7# Und zwar war er für sie die große Liebe. Sie war sehr beeindruckt von seinem Schreiben. Von seinem Intellekt. Aber sie für ihn nur eine unter vielen.
Pia #: ‑2# Okay.
Christina #: ‑4# Und diese Affäre war wirklich ein prägendes – und ich würde jetzt mal meine subjektive Einschätzung - traumatisierendes Erlebnis für sie, dieses Enden auch der Affäre. Es gibt auch einen nachgewiesenen Suizidversuch, der glücklicherweise nicht erfolgreich war. Auch das ist in diesem Roman, der ist stark autofiktional geprägt, ein Thema. Als dann 1933 die Nationalsozialisten an die Macht gekommen sind, geht die Mopsa ins Exil nach Paris. Dort schließt sie sich der Resistance an, schreibt antifaschistische Texte und arbeitet in Exilnetzwerken und ein kleines Tidbit, das ich sehr spannend gefunden habe: Sie wurde wohl auch unter Anwendung von Gewalt um die Herausgabe von Informationen versucht, dass man Informationen aus ihr herausbringt. Aber das ist nicht gelungen. Das steht. Das stand auf Wikipedia dabei und ich hab mir gedacht Boah, also das ist so ein trockener Wikipedia-Artikel, aber dahinter steht schon interessantes Leben. 1943 wird sie dann auch verhaftet, von der Gestapo gefoltert. Das würde dann das wäre dann auch das und sie wird dann wurde dann auch in mehrere Lager gebracht, unter anderem ins Konzentrationslager Ravensbrück. Das hat sie überlebt, war aber dann Zeit ihres restlichen Lebens schwer traumatisiert davon.
Pia #: ‑6# Verständlicherweise.
Christina #: ‑7# Nach dem Krieg lebt sie wieder in Paris, kämpft um Entschädigungszahlungen und beginnt mit der Arbeit an „Im Zeichen der Spinne“. Kurzes Aside: Das Zeichen, damit ist das Hakenkreuz gemeint. Das Zeichen der Spinne steht fürs Hakenkreuz. Sie arbeitet fast zwei Jahrzehnte an diesem Roman, erkrankt aber im Winter 1953 an Krebs und stirbt dann im Jahr darauf mit nur 49 Jahren. Ihr Freund, der Kunsthistoriker Gert Schiff, von dem haben wir ganz am Anfang schon gehört, bot das Manuskript dem Rowohlt Verlag an, der den Text aber ablehnte mit der Begründung, dass es zu fragmentarisch sei. Das Manuskript verschwindet dann in seinem Nachlass. Das habe ich auch schon erzählt. Der zieht dann nach New York, und dann ist es da mal eine Weile in New York, für ein paar Jahre, und dann stirbt er. Sein Nachlass kommt wieder nach Oldenburg zu seiner Familie, und irgendwann taucht es dann dort auf und dann bringen die das in die Landesbibliothek nach Oldenburg.
Pia #: ‑2# Interessant.
Christina #: ‑7# Wahnsinn, oder?
Pia #: ‑6# Es hat eine ziemliche Reise hinter sich.
Christina #: ‑4# Aber wie! Und es war. Das ist ja nicht wie heute, wo das auf der Cloud liegt und passt [Pia lacht], sondern das war das einzige Manuskript.
Pia #: ‑0# Es ist faszinierend, dass das überdauert hat. Eigentlich, ohne dass das jetzt noch mal ins Wasser gefallen ist oder so, also bei unseren Wasserschäden, die man teilweise haben, dann deshalb. [beide lachen]
Christina #: ‑3# Bei uns in der Bibliothek hätt’s nicht so lang gehalten. [beide lachen] Wer es nicht weiß, wir haben schon, wir haben schon einen größeren Wasserschaden gehabt vor ein paar Jahren und hoffen, dass das nie wieder passiert. Im Wallstein Verlag ist es dann eben 2025 erschienen. Damit sind wir wieder im Heute angelangt und eben in der kommentierten und mit einem ausführlichen Nachwort versehenen Version, die auch diese Überlieferungsgeschichte beinhaltet. Worum geht es „Im Zeichen der Spinne“? Ich würde euch jetzt einfach, damit man auch weiß was ist das Buch, einfach nur den Verlagstext kurz vorlesen. Und zwar: [liest] „Vivian liebt das Nachtleben, die Kunst und ihre Freiheit. Die Nächte verbringt sie in den queeren Künstlerkreisen in Berlin. Während draußen die Weltwirtschaftskrise tobt“, - also zwanziger und dreißiger Jahre. – „Sie verliebt sich unglücklich in einen wesentlich älteren Dichter. Die Affäre endet und Vivian versucht, sich das Leben zu nehmen.“ - Man sieht autofiktionale Übereinstimmungen. – „Sie überlebt knapp und trifft die Entscheidung für ein emanzipiertes Leben. Doch dann geht sie ein Verhältnis mit Michael ein. Ein Künstler, der wie sie auf der Suche nach seinem Platz in der Welt ist. Als Vivian schwanger wird, muss sie neue Pläne für ihr Leben fassen. Zeitgleich übernehmen die Nationalsozialisten die Macht.“ - Und dann geht es weiter mit dem Verlagstext: „Mopsa Sternheim erzählt, was es für eine Frau der 1920er und 30er Jahre bedeutet, wenn sich einer traumatisierten und desillusionierten Gesellschaft ein männlicher Gewaltkult erneut Bahn bricht.“ - Und hier hab ich mir nur gedacht: Hm, sounds familiar. – „In expressionistischer, reduzierter Sprache schildert die Autorin anhand der Biografien von Vivian und Michael die verheerenden machtpolitischen und gesellschaftspolitischen Dynamiken am Anfang des 20. Jahrhunderts.“ - Und der Verlag wirbt auch damit, wie hochaktuell das Thema nach wie vor ist. Und ich finde, es gibt durchaus erschreckende Parallelen zur heutigen Zeit, wenn man sich das mal anschaut. Für alle, die sich jetzt fragen: Was heißt denn jetzt expressionistisch? Das ist eine Strömung in der Literatur. Jetzt ganz grob gesagt zwischen 1905 und 1925 war sie am stärksten vertreten. Es geht dabei um neue Darstellungsformen in der Literatur, die dann stark von Emotionen und dem Ausdruck subjektiver Wahrnehmung geprägt sind, auch Großstadt und das Individuum in der Großstadt. Solche Motive werden auch behandelt. Jetzt mal ganz grob. Natürlich ging es dann auch viel um den Ersten Weltkrieg. Grundsätzlich ist das Buch die Sensation, war mehr der Fund. Das Buch wurde somit mit durchwachsenen Rezensionen begrüßt. Also es ist. Die Süddeutsche schreibt zum Beispiel, dass die Mopsa Sternheim endlich aus dem Schatten ihrer berühmten Eltern treten kann. Die taz sagt, wie kompromisslos und schwer der Text auch ist. Also das ist auch wirklich keine leichte Lektüre. Sehr stilistisch. Andere finden es zu … theatralisch, mit viel zu viel Pathos und sehr, sehr pathetisch und sehr zugespitzt. Die Mopsa selber war übrigens eine sehr selbstkritische und analytische Person und Denkerin. Die hat ja auch an dem Roman quasi 20 Jahre herumgewerkelt und ihn dann immer noch nicht so richtig zusammengefasst gehabt. Sie war sich also auch der Schwächen vom Roman durchaus bewusst. Zitat aus dem taz Artikel, aus dem ich vorhin zitiert habe. „Mein Buch ist zu konstruiert, zu gewusst und kitschig. Pathetisch immer, oft solennel.“ Das habe ich nicht gewusst, was das Wort heißt, das habe ich nachschauen müssen. Das heißt „feierlich“, „ernst“, „würdevoll“. Also ich nehme an, sie kritisiert es ist zu ernst, nimmt sich selber zu ernst, das Buch. War ihre eigene Kritik.
Pia #: ‑7# Aber interessant, dass sie sich selber dann auch so eingeschätzt hat. Weil wenn dann wirklich die Rezensionen waren, es ist zu pathetisch und sie sagt Ja, es ist zu pathetisch. Es ist schon interessant.
Christina #: ‑6# Es beginnt mit dem Jahr 1914, mit einer Beschreibung von einer Kriegsgesellschaft. Stimmt, es ist diese Beschreibung, grad die kursiven sind sehr pathetisch, aber auf der anderen Seite war das ja dieser Expressionismus auch. Und es ist sehr eindrücklich.
Pia #: ‑2# Ja, und mit ihrer Vorgeschichte kann man verstehen, warum sie es so geschrieben hat, woher es kommt.
Christina #: ‑7# Weil sie hat es ja nach ihren ganzen Erlebnissen auch nach Ravensbrück immer wieder umgeschrieben. Genau. Trotz der gemischten Rezensionen eben, die sagen, es könnte ein bisschen schwer zugänglich sein, ist sicher nicht mehr so im Stil der heutigen Zeit auch geschrieben, wird das Buch durch die Bank weg als lesenswerter Roman bezeichnet. Es ist auch einfach wieder so ein Lautwerden einer Stimme. Das ist eine jüdische Frau im frühen 20. Jahrhundert. Die, die die KZs überlebt hat und künstlerisch war und queer. Sie hatte auch Verhältnisse mit Frauen. Sie war auch drogenabhängig. Das habe ich gar nicht erwähnen können, weil das so – also schmerztablettenabhängig - weil es so eine interessante Lebensgeschichte ist. Und die Stimme wird halt gehört und solche Umstände. [seufzt] Deswegen Entschuldigung, dass das jetzt so lang geworden ist. Das war jetzt die Entstehungsgeschichte aus einem Koffer in der Oldenburger Landesbibliothek. Ich bin froh, dass es den Roman gibt und ich bin noch froher, dass wir den natürlich in der Stadtbibliothek Innsbruck zur Ausleihe haben und wenn es nach mir geht, auch immer haben werden. [beide lachen]
Pia #: ‑5# Das ist sehr spannend. Danke für die für die Entstehungsgeschichte. Sehr interessant. Noch nie von der Frau gehört. Wieder was Neues gelernt.
Christina #: ‑3# Absolut ja. Ich habe erst von ihr gehört, weil, als ich den Roman bestellt habe, in der Verlagsvorschau, habe ich das gelesen. Dann kam er auf unsere Liste. Und dann habe ich den bestellt und dachte Wow, okay, das ist schon irgendwie cool. Das muss ich euch allen erzählen. [lacht]
Pia #: ‑9# Da ist auch die Geschichte dahinter ist ja auch so interessant. Nicht nur wie sie es geschrieben hat, sondern wie lange es gedauert hat, bis es zur Veröffentlichung kommt. Also es ist spannend, und Bibliothekar*innen waren involviert.
Christina #: ‑1# Ja also er ist Bibliothekar, und die Frau ist Geisteswissenschafterin. [Pause] Ja. [unentschlossene Pause]
Pia #: ‑4# Was machen wir jetzt? [beide lachen] Ja, dann sagt es uns, wie es euch gefallen hat. Welche hat euch vor allem besser gefallen? – Meine ist natürlich viel besser, muss ich jetzt mal sagen. [lacht]
Christina #: ‑0# Ich habe Bedenken, dass meine zu lang war, aber ich habe mich nicht beherrschen können.
Pia #: ‑1# Nein, das verstehe ich. Da war ja auch viel mehr Lebensgeschichte dahinter, muss man sagen. Bei der Ferrante kann man ja eigentlich nur sagen: Wir wissen nichts. [beide lachen]
Christina #: ‑7# Hallo. Meine Entstehungsgeschichte ist: wir wissen nichts. [lacht]
Pia #: ‑6# Genau. Ja, aber sagt uns eure Meinung gern per Email über post.stadtbibliothek@innsbruck.gv.at oder auf Instagram.
Christina #: ‑4# Mit dem Handle stadtbibliothek.innsbruck. Da wird es dann auch wie immer eine Abstimmung geben und ihr könnt natürlich aber auch per E-Mail abstimmen. Wir berücksichtigen alle Stimmen, die eintreffen bis zur nächsten Aufnahme.
Pia #: ‑5# Genau. Und wir hoffen, es hat euch gefallen. Es war was Interessantes dabei und wir hören euch beim nächsten Mal.
Christina #: ‑7# Genau. Schönes Lesen. Outro-Musik]
Pia #: ‑6#
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