Buchbesprechung: "Ja, nein, vielleicht" von Doris Knecht

Shownotes

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In ihrem neuen Format besprechen Pia und Christina aktuelle österreichische Gegenwartsliteratur. Hier findet ihr die aktuellsten Romane von neuen und bekannten Stimmen der österreichischen Literaturlandschaft.

In der heutigen Folge sprechen die beiden über Doris Knechts aktuellen Roman „Ja, nein, vielleicht“, erschienen 2025 bei Hanser.

Verlagsangabe: Raffiniert und bissig schreibt die Bestsellerautorin Doris Knecht über das Leben als Frau, über Freundschaft und über Sinn und Unsinn der romantischen Liebe.

Zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlt sie sich wieder frei: Die Kinder sind ausgezogen, in ihrem Dasein zwischen Großstadt und Landleben breitet sich Ruhe aus. Doch dann wird ihre Wohnung von ihrer Schwester besetzt, es droht ihr ein Zahn auszufallen und sie wird mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert. Während sich das eher marginale gesundheitliche Dilemma zu einer kleinen existenziellen Krise auswächst, trifft sie im Supermarkt einen Mann von früher wieder: Friedrich. Eine Begegnung, die sie vor eine Frage stellt, mit der sie sich eigentlich nicht mehr beschäftigen wollte: Ist sie bereit für eine weitere Liebesbeziehung? Oder besser gesagt: Ist sie bereit, ihr gutes Leben zu teilen, ihre innere Zufriedenheit zu riskieren, schon wieder? Ein moderner Roman über das Leben als Frau, der das ewige Primat der romantischen Liebe infrage stellt – unverbittert, witzig, lebensklug. https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/doris-knecht-ja-nein-vielleicht-9783446282889-t-5675

„Ja, nein, vielleicht“ von Doris Knecht gibt’s auch in der Stadtbibliothek: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/123626?query=doris%20knecht

Christinas Literaturtipp: „The Husbands“ von Holly Gramazio, 2024 https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/113404?query=the%20husbands „Ehemänner“, Deutsch von Babette Schröder: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/110372?query=ehem%C3%A4nner https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/111889?query=ehem%C3%A4nner (ebook)

Pias Literaturtipp: „The Storyteller’s Death“ von Ann Dávila Cardinal, 2022

Weitere Lesetipps: „Ein Zimmer für sich allein“, Virginia Woolf (Deutsch von Antje Ravik Strubel): https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/51266?query=ein%20zimmer%20f%C3%BCr%20sich%20allein „Entromantisiert euch“, Beatrice Frasl (Haymon 2025): https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/120891?query=entromantisiert%20euch

svorwort #bibcast #popcast #gemeinsambesserlesen #stadtstimmen #janeinvielleicht #dorisknecht

Transkript anzeigen

00:00:00: [moduliert] Vorsicht, der Genuss dieses Podcasts kann zu vermehrten Bibliotheksbesuchen führen.

00:00:07: Christina: Pia, das Buch in einem Satz.

00:00:09: Pia: "Ja, Nein, Vielleicht" lesen, ist wir ein paar Stunden mit der besten Freundin verbringen.

00:00:13: Christina: Unterschreib ich. [Intro-Musik]

00:00:29: Christina: Hallo und herzlich willkommen zurück zum Vorwort dem Podcast der Stadtbibliothek Innsbruck.

00:00:33: Mein Name ist Christina Pia: und ich bin die Pia

00:00:36: Christina: und heute sprechen wir über das Buch "Ja, Nein, Vielleicht" von Doris Knecht.

00:00:41: Das ist im Hanser Verlag 2025 erschienen und uns freundlicherweise vorab zur Rezension

00:00:48: vom Verlag zur Verfügung gestellt worden über Netgalley.

00:00:51: Die Autorin ist die Doris Knecht, die kennen viele von euch sicher.

00:00:55: Geboren ist sie 1966 in Vorarlberg.

00:00:58: Und sie ist Journalistin und Schriftstellerin.

00:01:01: Worum geht es denn im Roman, Pia?

00:01:03: Pia: Die Erzählerin, Schriftstellerin, glücklicher Single mitte 50, ehemals alleinerziehende Mutter,

00:01:08: eines erwachsenen Zwillingspaars, hat ein Problem.

00:01:11: Ein schwerer Fall von Paradontitis.

00:01:13: So beginnt Knecht's "Ja, Nein, Vielleicht".

00:01:15: Ein Roman, der im Alltäglichen verhaftet ist und darüber die großen und kleinen Fragen des Lebens aufwirft.

00:01:21: Schwester Paula lädt sich in die kleine Stadtwohnung der Erzählerin ein.

00:01:25: Die beste Freundin Theresa heiratet bald.

00:01:27: Die Zwillinge sind längst selbstständig und dann taucht Friedrich auf.

00:01:31: Das ist ein ehemaliger Geliebter aus Jugendtagen.

00:01:34: Nun selbst quasi geschieden, mit Kindern im Teeniealter.

00:01:38: Eine Beziehung bahndelt sich an und die Erzählerin, sie hat sich mit der Frage konfrontiert,

00:01:42: ob sie ihre späte Freiheit aufgeben möchte.

00:01:45: Christina, wie hat's dir gefallen?

00:01:48: Christina: Mir persönlich hat der Roman sehr gut gefallen.

00:01:51: Die Erzählerin ist gut 20 Jahre älter als ich.

00:01:54: Was mir aber total entgegenkommt, um so die eigene Perspektive zu erweitern.

00:02:01: Das liebe ich immer an Literatur, dass man auch andere Erfahrungswerte erfahren darf.

00:02:07: Außerdem hat mir sehr gut gefallen, dass es ist ja nach wie vor leider relativ selten,

00:02:13: vielleicht im deutschsprachigen Raum, jetzt wo ich so drüber nachdenke,

00:02:17: ein bisschen weniger selten, dass es eine Protagonistin mittleren Alters ist.

00:02:28: Sie ist ja schon über 50 und so ein bisschen wie in Hollywood,

00:02:32: dass das dann oft nicht die Protagonisten sind und schon gar nicht die Frauen

00:02:36: und das hat man dann auch noch mal sehr imponiert.

00:02:39: Es gab eine kleine Sache, das haben wir in der Inhaltsangabe schon besprochen,

00:02:45: die mich gestört hat, nämlich die Zahnprobleme beim Anfang vom Roman.

00:02:50: Das habe ich so ein bisschen als, das ist oft so eine Metapher für älter werden oder für unterschwellige Probleme.

00:02:58: Ich habe das so oft schon als Metapher in anderen Romanen gelesen oder in anderen Texten,

00:03:05: dass es mir bisschen abgegriffen erschienen ist.

00:03:07: Da bin ich so drüber gestolpert, dass ich so die ersten, was waren es eigentlich nur fünf Seiten,

00:03:15: und ich dachte, das ist schon bemüht.

00:03:18: Das war im Weg für mich, ich bin dann total froh, dass ich es ja für unsere Besprechung heute sowieso gelesen habe.

00:03:25: Ich bin dann da drüber gekommen, es waren wirklich nur fünf Seiten

00:03:28: und dann bin ich total aufgegangen in diesen freundlichen, jovialen Ton von der Erzählerin.

00:03:36: Die hat mich so mitgenommen, da war es wirklich fein, mit der Zeit zu verbringen.

00:03:40: Wie hat es dir gefallen?

00:03:42: Pia: Mir hat es auch sehr gut gefallen, lustigerweise habe ich die Zahnprobleme,

00:03:46: die Zahnprobleme haben die Figur für mich sympathisch gemacht.

00:03:49: Ich habe selber chronische Zahnprobleme, deswegen habe ich da richtig mitfühlen können.

00:03:53:  Christina: Identifiziert

00:03:54: Pia: Genau.

00:03:55: Am Anfang habe ich auch den Eindruck gehabt, es geht ums Älterwerden und darum die wiedergefundene Liebe.

00:04:01: Grad weil auch, die Umgebung in einem sehr maroden Zustand beschrieben wird,

00:04:06: da gibt es Risse im Schornstein, fehlende Dachziegel und dann taucht eben dieser Friedrich auf.

00:04:11: Christina: In ihrem Haus meinst du, oder?

00:04:12: Pia: Ja, genau.

00:04:13: Christina: Das Haus am Land.

00:04:14: Pia: Und dann taucht der Friedrich auf und es wird suggeriert, ach da könnte jetzt mehr passieren.

00:04:17: Doch das ist im Grunde dann alles ein Irrtum, aber da kommen wir dann noch dazu.

00:04:22: Schreibstil hat man auch sehr gut gefallen, der Roman plätschert sehr gemütlich dahin, ohne je langweilig zu werden.

00:04:28: Und man merkt eben oft gar nicht, wie weit man schon im Buch ist, weil es sich eben so leicht und flüssig lesen lässt.

00:04:35: Genau.

00:04:36: Und ich glaube dann sind wir eh schon beim Teil, wo wir ein bisschen mehr über die Erzählung oder über den Roman reden.

00:04:42: Christina: Genau.

00:04:43: Und jetzt würde man nämlich, das war jetzt so eine erste Vorab, so ein Eindruck von unserer Seite für alle, die es jetzt schon lesen gehen möchten.

00:04:50: Wir können es wirklich nur empfehlen.

00:04:52: Aber liebe Leserinnen, liebe Hörerinnen und Hörer, wenn ihr dranbleiben möchtet, wir steigen jetzt ein bisschen tiefer in die Analyse des Romanes ein.

00:04:59: Das heißt, wir schauen uns den Text so ein bisschen genauer an, reden so ein bisschen über was darin vorkommt.

00:05:05: Vielleicht erfahrt ihr da noch einmal mehr, ob sich der Roman für euch zu lesen lohnt.

00:05:11: Und relativ am Ende werden wir dann über den Schluss und deswegen über Spoiler reden.

00:05:17: Das werden wir dann aber vorab ankündigen, damit alle diejenigen, die Spoiler frei lesen wollen, dann die Folge pausieren oder beenden können.

00:05:28: Ja, die Erzählform ist ja wichtig, ist eine Ich-Erzählerin und die bleibt namenlos.

00:05:38: Pia: Genau, die hat keinen Namen. Da kriegt man eben die Idee, dass es eben autofiktional sein könnte. Es gibt einen Hinweis aufs Geburtsdatum das da recht gut übereinstimmt mit der Autorin selbst.

00:05:49: Christina: Und zwar hat die Erzählerin gesagt, dass sie am gleichen Tag Geburtstag hat oder vier Tage nach Ingeborg-Bachmann-Geburtstag hat.

00:05:57: Und dann habe ich das schnell gegoogelt. Wann hat denn Doris Knecht Geburtstag, weil da hatte ich schon so die erste...

00:06:02: Das war der erste Moment, wo ich dachte, hm, ist das autofiktional. Und dann war es gleiches Jahr mindestens.

00:06:10: Pia: Genau, dann gibt es diese Figur John im Roman und John ist auch ein Name, den sie auch bei ihren eigenen Romanen selber verwendet hat, zum Beispiel bei "Gruber geht".

00:06:22: Heißt der Protagonist schon John Gruber. Das heißt eben, man hat da so das Gefühl, okay, das kann vielleicht autofiktional zugehen.

00:06:30: Es ist nicht genau die Autorin, aber zumindest sind ein paar Referenzen da, dass man die Idee bekommt, es könnte sich um sie handeln.

00:06:38: Die Figur ist ja auch selber Schriftstellerin.

00:06:41: Christina: Das ist wichtig genau. Das spielt dann auch in einen anderen Kunstgriff hinein, den der Text macht, mämlich neben so autofiktionalen Elementen eben, wie du gesagt hast,

00:06:52: dass sie der Geburtstaghinweis ist, dass sie selber auch Schriftstellerin ist und dass sie, also die Erzählerin im Text,

00:07:03: als Schriftstellerin immer Romane zu schreiben scheint, in denen die Protagonisten oder die Figuren John heißen und dass sie das jetzt wieder macht,

00:07:12: ist dann, das ist dann noch einmal eine andere Ebene, nämlich eine metafiktionale Ebene. Plötzlich

00:07:17: werden wir so, im Lesen habe ich gedacht hoch, was ist jetzt los, da werden wir so aus dem Text herausgehoben,

00:07:23: weil plötzlich wird uns klar beim Lesen dieses Romans, dass die Schriftstellerin Protagonistin den Text, den wir gerade lesen, für uns zum Lesen schreibt.

00:07:34: Also das ist das Projekt, an dem sie gerade arbeitet und sie sagt dann auch immer mal wieder, jetzt schreibe ich noch ein bisschen am Roman weiter

00:07:41: und dann wird so nach und nach aber auch erst klar, dass das der Roman ist, an dem sie gerade schreibt.

00:07:46: Pia: Genau, sie macht dann immer so Kommentare oder sagt, sie hat jetzt was abgelandert.

00:07:49: Ah, der Friedrich wird sich so jetzt nicht verhalten, wie diese Figur, deswegen hat sie das jetzt nochmal anders gemacht.

00:07:54: Christina: Genau. Und eigentlich soll sie halt eben diesen Kumpel John, der ist im Text, ist das ihr Kumpel

00:08:00: und da sinniert sie auch drüber, dass es wahrscheinlich, also der Verlag, die Verlegerin hätte es lieber, wenn sie den raus schreibt,

00:08:10: weil der hat irgendwie nicht so richtig eine narrative Verwendung für, was der Roman vielleicht sein könnte.

00:08:17: Nämlich ist Fragezeichen, ist es ein liebes Roman und so.

00:08:20: Und dann sinniert sie, mache ich den weg, weil der passt eigentlich von der Logik nicht hinein.

00:08:27: Würde ich jetzt eigentlich sogar auch widersprechen, rein auf Textebene.

00:08:30: Ich finde der John passt genau rein, aber für das, was der Text dann sagt, aber ja.

00:08:35: Und das spielt sich so, außerdem Pia ist dir das aufgefallen, es gibt auch total viele intertextuelle Referenzen.

00:08:43: Das heißt, sie spricht zum Beispiel über Ingeborg Bachmann, also die Erzählerin schaut sich ein Doku an über die Ingeborg Bachmann

00:08:50: und sie sinniert dann so bis sie über deren Beziehung mit Max Frisch, die berühmte,

00:08:56: und auch da wie Ingeborg Bachmann da so bisschen, wie die Erzählerin sich vorstellt,

00:09:01: dass sie da Ambiguität gezeigt hat in dieser Beziehung.

00:09:05: Und dass es halt auch so ein Freiraum braucht für Frauen, um zu sein und zu schaffen.

00:09:10: Und sie hat diesen Freiraum auch, also die Ich-Erzählerin.

00:09:14: Und so, und will sie da jetzt einen Mann, also den Friedrich, hereinlassen in diesen Raum oder nicht?

00:09:21: Und irgendwie verarbeitet sie das dann auch über solche Sachen?

00:09:24: Das ist dann eben diese Intertextualität, das habe ich dann auch überraschend und gut gefunden.

00:09:30: Pia: Genau, aber das ist nicht das einzige Thema, also einerseits die Liebesgeschichte ist natürlich schon auch ein Thema,

00:09:36: aber es kommen natürlich auch andere Themen vor, Freundschaft, Älterwerden, haben wir ja auch schon erwähnt mit den Zähnen.

00:09:42: Das Patriarchat, Frauenbild und Frau sein in der Gesellschaft.

00:09:46: Toxische Maskulinität, psychische Gewalt in Beziehungen, die ist aber nur angedeutet.

00:09:53: Und auch eben späte Freiheit, das ist auch das, was dann wieder mit der Liebesgeschichte zusammenhängt.

00:09:59: Genau, und die kommen alle ein bisschen vor. Es gibt verschiedene Erzählstränge.

00:10:04: Einerseits eben die Liebesbeziehung, potenzielle Liebesbeziehung mit Friedrich,

00:10:08: die Hochzeit der besten Freundin, der Theresa, die Zahnprobleme und die Schwester.

00:10:15: Die taucht eben dann auch auf und tut sich bei ihr in der Wohnung einsetzen und geht nicht mehr weg.

00:10:22: Und sie kriegt sie nicht los und wir wissen aber nicht genau, was da los ist.

00:10:25: Genau, das sind die vier Erzählstränge und an denen handelt sie sich ein bisschen ab.

00:10:31: Christina: Über 40 Kapitel macht sie das

00:10:35: Pia: Genau.

00:10:36: Christina: Also der Roman ist relativ kurz. Wie viele Seiten hat er?

00:10:38: Jetzt haben wir das nicht notiert, aber ich glaube es waren 230 oder so in dem Dreh.

00:10:44: Und es hat halt 40 Kapitel.

00:10:46: Und wie du sagst, diese vier Stränge sind so das, was es durchweht.

00:10:53: Wie viele Fäden, die sich so miteinander verwebt, immer mal wieder.

00:10:56: Aber in den 40 Kapiteln geht es eben so nach und nach um diese Themen.

00:11:01: Während sie sich so, also sie, die Ich-Erzählerin, sich so durch ihren Alltag und ihr Leben bewegt.

00:11:08: Pia: Genau.

00:11:10: Christina: Weißt du, was ich dazu fand? Pia: Was denn?

00:11:12: Dass der Text ist so leichtgängig und im Übrigen auch sehr, sehr sommerlich

00:11:23: dass man überliest, wie geschickt der aufgebaut ist und mit diesen ganzen literarischen Spielarten

00:11:33: umgeht. Das ist, das hat mich so, also ich fand, wie ist es in dir da gegangen? Ich fand

00:11:41: es so verblüffend, dass ein vermeintlich leichtgängiger Text, der sich auch wirklich leichtgängig

00:11:49: liest, solchen Tiefgang hat, wenn man ein bisschen hinschaut, weil wir haben eben

00:11:54: von all diesen hohen Begriffen jetzt geredet, oder? Die kommen aus der Literaturwissenschaft. Wir haben

00:11:59: geredet von Intertextualität, von Metatextualität. Was noch? Pia: Von auch komplizierteren Themen,

00:12:09: toxische Maskulinität, Christina:  Autofiktionalität. Und das merkt man, aber Pia: und sie verarbeitet das alles

00:12:17: in eigentlich einer sehr kurzen Spanne auch. Christina: Und so leichtgängig, und da ist diese Ich-Erzählerin,

00:12:24: die so jovial, freundlich, humorvoll, bisschen trocken ist, also so wie wir das jetzt beschrieben

00:12:30: haben, klingt das so, als wäre das so ein hochgestochener schwieriger Text, oder so. Es

00:12:35: ist wirklich leicht Pia: einfach zu lesen. Christina: Ja, so fein. Pia: Wie gesagt, das fließt so dahin. Christina: Hab

00:12:42: ich noch nie erlebt. Hast du das schon mal, hast du schon mal einen Roman gelesen, wo

00:12:46: du dann nach drauf kommen bist, wie konstruiert er eigentlich ist und wie viele verschiedene

00:12:51: Pia:  Ja, jemand bei Virginia Woolf oder sowas, das auch drum geht, okay, ich spaziere jetzt

00:12:54: durch die Stadt und Dinge passieren. Und es ist schon so ein bisschen in diese Richtung.

00:12:59: Christina: Weißt du was? Ja, Virginia Woolf, das ist in guter..., also Frau Knecht. Weißt du, warum du,

00:13:08: weil du Virginia Woolf sagst, gell. Weil die Ich-Erzählerin lebt ja in diesem Haus am

00:13:14: Land und es ist da, wo sie als Alleinerziehende ihre Zwillinge großgezogen hat. Die sind aber

00:13:20: inzwischen erwachsen und ausgezogen und jetzt hat sie dieses Haus für sich allein. Und sie

00:13:26: ist Schriftstellerin und der ganze Roman dreht sich um die Frage, ist ihre Autonomität,

00:13:33: was sie will, oder ist also zwischen dieser Sehnsucht nach Paarbeziehung, nämlich den

00:13:38: Friedrich und dieser Autonomität, die sie sich erarbeitet hat, nachdem sie ihre Kinder

00:13:43: als Alleinerziehende durchs Leben gebracht hat. Was ist, was ist, was will sie? Ja, nein,

00:13:48: vielleicht, will ist sie Friedrich? Ja, nein, vielleicht, will ist sie allein bleiben? Ja,

00:13:51: nein, vielleicht. Und dieses Haus habe ich dann so gedacht, das ist wie, es gibt dieses,

00:13:57: die Virginia Woolf hat dieses super berühmte Essay geschrieben. "Ein Zimmer für sich allein",

00:14:01: "Room of One's Own", wo es im Grunde darum geht, dass Frauen Freiraum brauchen, um sich

00:14:08: künstlerisch zu entfalten. Mehr als Freiraum, sie brauchen andere Sachen auch noch. Aber es

00:14:12: ist so, bisschen geht es halt darum. Und dieses Haus, das sie auch so verortet beschrieben hat mit

00:14:22: diesem See, wo sie hingeht, mit diesem Sommer, das dann ja auch mit dem Haus passiert ja dann

00:14:28: noch was. Das hat mich so dran erinnert, an "ein Zimmer für sich allein" von Virginia Woolf,

00:14:34: meinst du, das war auch absichtlich? Pia: Das kann schon sein. Aber eben, wie du gesagt hast so leicht

00:14:39: flachsiger Ton, Mrs. Dalloway und so, da denke ich schon auch dran eben,

00:14:42: man spaziert durch die Stadt und Dinge passieren, aber es ist nichts Großartiges passiert.

00:14:46: Christina: Absolut, absolut. In Mrs. Dalloway ist die, ich habe dieser Roman war auch deswegen so berühmt,

00:14:54: weil die Ich-Erzählerin schmeißt eine Party und geht dann durch die Stadt, um die Blumen für

00:14:59: diese Party zu kaufen. Und es war in dem sogenannten Stream of Consciousness geschrieben. Ich würde

00:15:04: jetzt das nicht hundertprozentig vergleichen, das ist nicht eins zu eins, aber es hat schon ein paar

00:15:09: Elemente davon, auch dieses moderne, dieses vermeintlich moderne. Pia: Das Alltagsleben, das

00:15:15: einfach passiert. Christina: Und das feministisch auch auch macht. Pia: Ja. Christina: Gut ?, voll interessant Pia.

00:15:21: Pia: Und da sind wir jetzt, glaube ich, dann beim Spoiler-Teil. Ja. Also alle, die jetzt nicht wissen

00:15:27: wollen, wie der Roman ausgeht, die nicht gespoilert werden wollen, bitte ausschalten oder

00:15:32: Pause drücken, weil jetzt kommen wir in den Spoiler-Bereich. Am Schluss vom Roman gibt es eben,

00:15:37: es gibt dieses Haus, das sie am Land hat und da gibt es dann starke Regenströme, starker Regen

00:15:43: und es wird alles überflutet. Und sie hat Panik und weiß nicht was tun und in der Panik ruft sie

00:15:50: dann halt den Friedrich an, um sich Hilfe zu holen und der Friedrich lässt sie hängen. Aber das ist

00:15:56: nicht das Ende der Geschichte. Es endet auch nicht tragisch, weil sie hat ja noch andere Leute. Sie

00:16:01: hat ihre Freundin, sie hat Bekannte, Verwandte, Nachbarn, ihre Kinder und die kommen zur Hilfe

00:16:07: und retten sie im Grunde am Schluss. Christina: Und das war so ein schönes, bejahendes Ende, habe ich gefunden.

00:16:16: Pia: Und auch toll, dass es eben nicht der Fokus ist. Okay, ich brauche einen Mann, damit er mich aus einer

00:16:24: Katastrophe retten kann. Nein, weil man hat andere Leute auch. Und ja, es ist trotzdem positiv

00:16:33: geendet, ein Happy End, aber eben nicht in einer Liebesbeziehung. Christina: Genau. Und also der Roman geht

00:16:41: sehr erwachsen mit eben dieser Frage um, geh ich, nachdem ich schon mehrere Liebesbeziehungen hinter

00:16:49: mir habe, manche davon auch schlecht, gehe ich dann wieder darauf ein. Und sie hat halt dieses, also

00:16:54: das Pendelt immer zwischen der Sehnsucht nach dieser Paarbeziehung und nach der, dass sie sich

00:17:03: eigentlich alleine auch total wohl fühlt, aber dass sie natürlich nicht im eigentlichen Sinne

00:17:07: allein sein möchte. Also wer will denn schon allein allein sein, oder? Und dann sagt der Roman und

00:17:12: das habe ich dann immer, ich habe immer mit gekreuzten Fingern gelesen, bitte 

00:17:17: lass es keine Liebesroman sein. Und das war es ja dann nicht. Und das war so schön. Dazu

00:17:24: passend, übrigens eine kleine Buchempfehlung von der Beatrice Frasl, des Sachbuch "Entromantisiert

00:17:32: euch". Das ist auch dieses Jahr, 2025, im Haymond Verlag erschienen. In dem Buch stellt die Beatrice

00:17:41: Frasl die These auf, dass heteronormative Paarbeziehungen im Grunde ähnlich wie, also

00:17:51: wie dieses Argument schafft die Ehe ab. Und auch diese, diese romantisierende Propaganda von

00:18:01: Filmen und so, und Serien und Bücher, nichts weiter, als das ist, Propaganda, um Frauen

00:18:07: dahingehend zu sozialisieren, dass sie sich das dann wünschen, nämlich eine heteronormative

00:18:11: Paarbeziehung, in der sie dann aber wieder das dann für das Patriarchat als Ganzes als Unterjochungsinstrument dient.

00:18:19: [lachen] Und jetzt habe ich, dieses Sachbuch habe ich vorher gelesen, deswegen war für mich sofort klar,

00:18:27: wo ich den Titel "Ja, nein, vielleicht" und dann habe ich Friedrich dann ja mal Pia: Alles nur nicht

00:18:33: das. Wo ich es gelesen habe, habe ich mir schon während des die ganze Zeit, ich habe eben

00:18:36: auch die Befürchtung gehabt, dass es so endet. Es wird aber immer schon ein bisschen angedeutet,

00:18:41: weil es wird schon gesagt, ah, das hat ihr jetzt nicht gepasst, was der Friedrich jetzt

00:18:44: gemacht hat oder was der Friedrich jetzt gesagt hat. Und dann denkt man sich, ah, vielleicht

00:18:51: doch nicht. Christina: Ah, das war so schön. Genau. Ja, schönes Buch mit Happy End, sommerlich,

00:19:01: unser Fazit Pia. Pia: Unser Fazit ist, dass trotz der eigentlich dichten Themen der Roman nie

00:19:06: an Leichtfüßigkeit verliert, gefallen wird er vielen. Unserer Meinung nach ist es ein

00:19:11: Selbstläufer und wir möchten ihn auch spezifisch Leserinnen von Mareike Fallwickl und Eva

00:19:17: Reisinger empfehlen. Christina: Genau, und zwar deswegen, weil das oft die sind die, also Millenials

00:19:22: und jünger, die dann eher diese Autorinnen lesen vielleicht. Lasst bitte, solltet nicht

00:19:29: sowieso schon selber darauf kommen sein, die Doris Knecht nicht links liegen, das ist

00:19:34: ein toller Roman. Für jedes Alter. Und zum guten Schluss, bevor wir uns verabschieden,

00:19:40: möchten wir euch noch zwei Leseempfehlungen geben von Romanen, die uns privat gerade gut

00:19:47: gefallen haben. Zuletzt gelesen habe ich von der Holly Gramazio "The Husbands" auf Deutsch

00:19:54: "Ehemänner" ins Deutsche übersetzt von Babette Schröder. Der Roman wurde auf Deutsch schon

00:20:00: 2024 veröffentlicht. Das heißt, manche kennen ihn vielleicht schon. Es ist trotzdem eine

00:20:06: große Empfehlung. Es ist im Grunde Tinder aber mit real life Ehemännern. Single Lauren

00:20:11: kehrt vom Junggesellinnen Abschied ihrer besten Freundin zurück und findet in ihrer Wohnung

00:20:15: einen fremden Mann. Der behauptet ihr Ehemann zu sein. Eigentlich ist sie doch gar nicht

00:20:20: verheiratet, aber es stellt sich schnell heraus, dass ihr Dachboden Ehemänner produziert.

00:20:26: Der ist also magisch und sie kann diese aber auch wieder dahin zurückschicken, wenn es

00:20:30: jetzt mit dem Mann nicht zufrieden ist. Wenn sie das aber macht, kommt gleich ein Neuer

00:20:34: herunter und so probiert sich Lauren dann durch die Ehemänner. Das ist witzig, ein bisschen

00:20:40: skurril, aber sehr kurzweilig und eine Super Strandlekteure. Pia: Klingt auf jeden Fall unterhaltsam.

00:20:46: "The Storyteller's Death" von Ann Dávilla Cardinal. Da geht es um Isla, deren Leben nach dem Tod

00:20:52: ihres Vaters ins Wanken gerät. Jeden Sommer verbringt sie den Sommer bei Verwandten in

00:20:57: Puerto Rico. Mit 18 stirbt dann die Großmutter und Isla entdeckt eine besondere Gabe. Die

00:21:03: Geschichten ihrer verstorbenen Cuentistas, den GeschichtenerzählerInnen ihrer

00:21:07: Familie, werden durch sie zum Leben erweckt und wiederholen sich immer wieder vor ihren

00:21:11: Augen. Als sie aber eine Vision eines ungelösten Mordes erhält, wird klar,

00:21:16: entweder sie löst das Rätsel und beendet die Wiederholungen oder die Geschichten kosten

00:21:21: sie das Leben. Es ist ein Mix aus Mystery und bewegender Familiengeschichte und zeichnet dabei

00:21:26: die Atmosphäre von Puerto Rico sehr zu empfehlen. Christina: Boah, klingt auch sehr gut. Solltet ihr nicht

00:21:32: in den Urlaub fahren können, holen Puerto Rico sich ins Haus, auf den E-Reader. Genau.

00:21:37: Gut, damit möchten wir uns bedanken für eure Aufmerksamkeit. Gerne könnt ihr uns schreiben,

00:21:43: wie hat euch "Ja, Nein, Vielleicht" von der Doris Knecht gefallen? Gibt es Wünsche, Bücher,

00:21:47: die wir für euch besprechen sollen? Dann schreibt ihr uns auf post.stadtbibliothek@innsbruck.gv.at.

00:21:55: Gerne könnt ihr uns auch auf Instagram eine DM schießen. Wir sind zu finden unter dem

00:22:01: Handel stadtbibliothek.innsbruck. Ja Pia, dann sagen wir schönes Lesen und wir hören uns hoffentlich

00:22:10: bald wieder. Pia: Bis zum nächsten Mal! [Outro-Musik]

00:22:38: [Pia liest] Das Vorwort ist eine Produktion der Stadtbibliothek "Innsbruck" und Teil der Stadtstimmen, dem

00:22:44: Audio-Kanal der Stadt "Innsbruck".

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