Spuk in Hill House - Shirley Jackson

Shownotes

Horrorfans aufgepasst! Rechtzeitig zur Spooky-Season sprechen Pia und Christina in dieser Folge über einen Klassiker der Horror-Literatur: Shirley Jacksons großartigen Roman Spuk in Hill House, der durch die Interpretation in Serienform von Regisseur Mike Flanagan zu neuer Bekanntschaft gekommen ist. Als bekennende Horrorfanatikerin ist Christina ganz in ihrem Element, aber Pia fragt sich: Warum mögen die Leute sowas eigentlich? Die Antwort mag überraschen, denn nicht nur für Gruselfreunde lässt sich Shirley Jackson empfehlen.

Warum mögt ihr eigentlich Horror? Schreibt uns auf Instagram, Facebook oder post.stadtbibliothek@innsbruck.gv.at

Spuk in Hill House gibt’s auch in der Stadtbibliothek: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/102130

Weitere Empfehlungen: Midnight Mass, Mike Flanagan (2021) Shirley, Josephine Decker (2020)

Transkript anzeigen

00:00:00: [Intro-Musik] Christina: Literaturverfilmungen sind etwas Besonderes, ob man den Roman nun gelesen hat oder den

00:00:20: Stoff über den Film entdeckt.

00:00:22: Man spürt dem Material an, dass da etwas dahinter liegt, eine Welt sozusagen, die weiter reicht,

00:00:28: als ein Manuskript es in der Regel kann.

00:00:31: In der heutigen Folge sprechen wir über "Der Spuk von Hill House", die Serie, die im

00:00:37: Jahr 2018 von Mike Flanagan für Netflix adaptiert wurde.

00:00:41: Die zehnteilige Serie ist bei weitem keine originalgetreue Verfilmung des gleichnamigen

00:00:47: Romans von Shirley Jackson, der im Jahr 1959 veröffentlicht wurde und in der Stadtbibliothek

00:00:54: auf Deutsch vom Festa Verlag vorliegt.

00:00:56: Vielmehr ist es Pastiche [franz. ein intertextuelles Werk, insofern es ein Original imitiert] und Inspiration, eine Weiterentwicklung des Stoffes und eine

00:01:03: Adaption an Hand Flanagan's eigenen Interessen.

00:01:05: Wir gehen der Frage nach, warum mögen wir Horror eigentlich?

00:01:10: Was macht Grusel mit uns und würden wir wie die Protagonistin Elena ins Spukhaus gehen?

00:01:16: Oder lieber doch die Beine in die Hand nehmen und rennen?

00:01:19: Und damit hallo und herzlich willkommen zurück zum Vorwort, dem Podcast der Stadtbibliothek

00:01:27: Innsbruck.

00:01:28: Ich bin die Christina.

00:01:29: Pia: Und ich bin die Pia.

00:01:30: Christina: Und heute sprechen wir über, wie ihr schon gehört habt, "Haunting of Hill House", "Spuk

00:01:36: von Hill House".

00:01:38: Pia: In Hill House.

00:01:39: Christina: In Hill House [beide lachen].

00:01:41: Und die offensichtliche Antwort für diese Scherzfrage ist, na... Pia: Natürlich gehen wir da

00:01:52: nicht rein [lacht]. Christina: Aber das Haus macht ja was Besonderes.

00:01:55: Das ist so, [schnalzt mit der Zunge] das verzaubert einen ja so und wiegt einen so in so eine Euphorie, dass

00:02:03: man dann ja irgendwie doch bleibt.

00:02:05: Und ich glaube, das ist ja das gefährlich gruselige.

00:02:09: [Christina atmet ein]

00:02:10: Pia: Das stimmt. Ich habe das Setting auch sehr faszinierend gefunden, sowohl im Buch als auch in der

00:02:17: Verfilmung oder in der Serie.

00:02:20: Mir hat es sehr gut gefallen.

00:02:22: Es ist ja irgendwie so ein unlogisches Haus.

00:02:25: Die Fenster, also alles ist schief, die die Böden passen nicht richtig zusammen, also

00:02:29: auch schon in der Vorlage, in der literarischen Vorlage.

00:02:32: Aber das macht das Ganze auch so interessant.

00:02:34: Man weiß nicht ganz, was die Vorgeschichte vom Haus ist.

00:02:37: Das wird dann nie ganz gelüftet, das Geheimnis davon.

00:02:40: Und das ist ja gerade das, was es so spannend macht.

00:02:43: Das Setting in einem Horrorfilm ist wahrscheinlich eines von die wichtigsten Sachen und ich finde,

00:02:47: dass es in beiden Adaptionen, also Adaptionen [lacht], in beiden Versionen dieser Geschichte sehr gut gemacht.

00:02:53: Christina: Ja, und für mich einer der schönsten ersten Sätze, den ich in [einem] Roman je gelesen habe, ist

00:03:01: der von, in dem Fall der englischen Version, von der Spuk von Hill House, aber auf Deutsch

00:03:10: auch toll [man hört Christina in einem Buch blättern]

00:03:13: Christina zitiert: "Kein lebender Organismus wird lange gedeihen, wenn er sich immer nur in der reinen Wirklichkeit

00:03:19: aufhalten muss.

00:03:21: Sogar Lärchen und Heuschrecken wird von manchen nachgesagt, dass sie träumen.

00:03:26: Hill House war nicht normal.

00:03:30: Es stand für sich allein, vor seinen Hügeln und barg im Inneren die Dunkelheit.

00:03:34: So stand es schon seit 80 Jahren und würde weitere 80 Jahre so weiter bestehen."

00:03:41:

00:03:42: Christina: BÄM! [beide lachen] Pia: Du weißt, da haben wir eh schon darüber geredet, ich finde es auf Englisch fast noch einmal besser

00:03:48: Christina: Ja.

00:03:49: Pia: Es ist irgendwie knackiger das Englische.

00:03:50: Christina: Ja, genau.

00:03:51: Pia: Diese kürzeren Sätze und das macht irgendwas aus.

00:03:54: Christina: Total. Also die... Shirley Jackson's Prosa ist, die hat in den 1950ern, 60ern oder 50ern glaube ich, geschrieben,

00:04:05: Hill House, wie gesagt, [19]59 veröffentlicht worden.

00:04:09: Und ich... [schnalzt mit der Zunge] es ist so schnell in der Art, wie es die Sachen verhandelt, es ist ein recht kurzes

00:04:18: Buch.

00:04:19: Es ist auf Englisch fast eine Novelle, finde ich.

00:04:21: Und es geht daher so schnell und sie schreibt so eindringlich, metaphorisch schön, dass

00:04:33: das... man muss, also man kann es wirklich total weiter empfehlen.

00:04:39: Also wenn man Horrorenthusiast ist oder vielleicht auch nicht, man kann es trotzdem lesen, finde

00:04:45: ich, in beiden Fällen.

00:04:46: Pia: Das kann ich wirklich sagen, weil ich mag Horror ganz und gar nicht.

00:04:50: Ich bin ja gar kein Horror-Fan.

00:04:52: Also man muss mir mit Stephen King und sonstigen fernbleiben [lacht kurz].

00:04:56: Ich mag so was einfach nicht, ich verstehe eben einfach nicht, warum jemand das mögen

00:05:00: kann, wenn man das liest.

00:05:01: Und man sich denkt, oh Gott, ich möchte mich gleich verstecken [lacht], damit ich sicher bin.

00:05:05: Also das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, warum.

00:05:07: Christina: Da sind wir bei der Frage, warum mögen wir Horror?

00:05:11: Pia: Warum mögen es manche [lacht] und manche nicht?

00:05:13: Christina: Warum mag Pia keinen Horror, aber darf ich dir eine Zwischenfrage stellen.

00:05:16: Warum mochtest du denn jetzt das?

00:05:20: Pia: Ich finde, das ist genau das, was du gesagt hast, es ist ihre Prosa, sie schreibt sehr

00:05:25: schön und auch die Figuren sind sehr gut gemacht.

00:05:29: Es ist auch sehr interessant, auch sehr modern, finde ich, die Figuren.

00:05:34: Es gibt eindeutig LGBTQ-Beziehungen im Buch, die zumindest angedeutet sind, natürlich wird

00:05:40: es nie wirklich realisiert, halt ja, andere Zeit.

00:05:43: Aber es ist ein sehr modernes Buch, kann man sagen.

00:05:47: Christina: Genau.

00:05:48: Und bevor wir jetzt näher drauf eingehen, möchte ich noch mal, vielleicht machen wir

00:05:51: nochmal eine kurze Zusammenfassung, weil wir sprechen ja sowohl... Ein bisschen sowohl über

00:05:55: das Buch als auch über die Serie und möchten dann einfach ein bisschen herausfinden, warum

00:06:00: uns das so gefallen hat.

00:06:02: Und zwar, also im Buch ist es so, die Adaption ist ja dann lose, im Buch ist es so, dass

00:06:08: da so ein Dr. Montague ist, der ist eine Art Professor, der glaube ich, arbeitet auch an der Uni oder

00:06:14: was und er interessiert sich für so paranormale Phänomene.

00:06:17: Das ist jetzt nichts was, was, wofür er besonders viel gelobt wird von seinen Kollegen, aber er

00:06:24: möchte dem einfach nachgehen und er weiß, dass Hill House, dass es da besondere paranormale

00:06:30: Vorkommnisse gibt und er glaubt auch, dass wenn man da was herausfindet, dass es dann

00:06:34: dort ist.

00:06:35: Deswegen lädt er eine Gruppe von Fremden ein, das sind dann insgesamt drei Leute, das ist

00:06:40: einmal die Protagonistin, die Eleanor, das ist die Theodora und das ist der Luke, der

00:06:45: Luke ist der jetzige Besitzer des Hauses, der ist, also die sind alle so in der Altersgruppe,

00:06:51: ich schätze, es wird nicht genannt, aber so zwischen 20 und 35 hätte ich jetzt gesagt

00:06:56: und der Professor ist halt so die etwas ältere Vaterfigur, die Lehrerfigur, wie so,

00:07:01: würde ich sagen. Die ziehen dann da ein und schon nach kurzer Zeit zieht sie das Haus

00:07:07: in ihren Bann und vor allem die Eleanor, die nicht wirklich eine Zuhause hat, die wohnt

00:07:13: bei ihrer Schwester im Kinderzimmer, die Muster, also die ist da ganz alleine und kann sich da nicht

00:07:22: behaupten und redet die ganze Zeit davon, dass sie heimatlos ist und dann zieht sie in

00:07:26: dieses Haus und da zieht sie auch hin und wie man sich vielleicht denken kann, geht das

00:07:33: aber leider nicht gut aus und falls das noch nicht klar ist, jeder unserer lieben Hörerinnen

00:07:42: und Hörer weiß schon, dass wir vor Spoilern nicht zurückschrecken, deswegen jetzt noch

00:07:46: einmal eine explizite Spoilerwarnung, wir reden jetzt über das Ende von "Der Spuk von

00:07:51: Hill House", wenn ihr das noch nicht kennt und es noch nicht gelesen habt und euch das

00:07:57: nicht... diese Überraschung nicht verderben lassen wollt, jetzt Pause drücken und es lesen gehen,

00:08:02: es ist wirklich nicht lang, es ist super, ich hab es mir wieder vorlesen lassen [lacht kurz] und das

00:08:07: war eine gute Idee, am regnerischen kalten Nachmittag, abends da zu sitzen und da war

00:08:15: es teilweise richtig gruselig.

00:08:17: Denn die Eleanor stirbt am Ende und da hat sie das Haus gefangen genommen, es gibt

00:08:24: ja auch Geister oder sie sieht zumindest Geister und das ist so wie der Roman endet und aber

00:08:33: auch, wie die Serie anfängt letztlich.

00:08:36: Pia: Genau. Wir haben eben ja die Netflix-Serie uns ausgesucht, da haben wir zwei Erzählstränge

00:08:43: also einerseits sind wir in der Vergangenheit, in den 80er Jahren, da gibt es die Olivia

00:08:48: und den Hugh, zwei Eltern, die fünf Kinder haben und mit denen nehmen sie sich ein Haus

00:08:53: vor, das sie renovieren wollen und dann eben für Profit wiederverkaufen wollen.

00:08:58: Das funktioniert aber nicht so ganz, der Plan geht nicht auf, weil eben das Haus einen

00:09:02: Einfluss auf die Familie hat und dann unheimliche Dinge passieren.

00:09:06: Der Aufenthalt endet dann auch in einer Familientragödie, das erfahren wir auch gleich einmal,

00:09:12: weil es die Mutter in dem Fall, die das Haus nicht verlassen wird und im zweiten Erzählstrang

00:09:18: sind wir dann in der Jetzt-Zeit.

00:09:20: [Im Hintergrund weint ein Baby] Da haben wir die restlichen Familienmitglieder, die immer noch mit dieser Vergangenheit beschäftigt

00:09:26: sind und die immer noch nicht ganz hinter sich lassen haben können und durch die unterschiedlichen

00:09:30: Perspektiven von den Figuren finden wir dann halt immer mehr raus, in typischer Horrormanière,

00:09:35: gibt es halt Geheimnisse und die werden dann nach und nach gelüftet.

00:09:39: Genau und das Haushalt hat halt immer noch einen Einfluss auf die Familie und die Personen

00:09:45: und fordert dann ein weiteres Opfer und das ist im Grunde auch wie die Serie anfängt,

00:09:49: das ist der Tod von der Eleanor, der jüngsten Tochter von den Cranes.

00:09:52: Und schlussendlich ködert Hill House aber die ganze Familie und es kommt dann am Schluss

00:09:57: zu einem Showdown [engl. entscheidendes Duell] im Haus selber.

00:09:59: Und die Handlung ist zwar komplett anders als im Buch, aber wie du auch weißt, es gibt

00:10:06: sehr viele Überlappungen, also bei den Figuren, bei den Schlüsselszenen und auch von der

00:10:11: Thematik her.

00:10:12: Einige Figuren zum Beispiel werden fast eins zu eins übernommen, es gibt zum Beispiel

00:10:16: den Mister und die Misses Dudley, das sind im Buch Hausmeister, der Hausmeister und seine Frau und die

00:10:22: gibt es in der Serie fast genau gleich, ein bisschen was wird umgeändert, aber es ist

00:10:26: fast das Gleiche.

00:10:27: Aber es gibt dann auch andere Figuren, die zwar die gleichen Namen haben, aber nicht genau

00:10:32: die gleiche Geschichte, gerade einige von den Crane Kindern Luke, Theodora, Theo in der

00:10:38: Serie oder eben auch die Eleanor, die Nell, Nelly.

00:10:43: Christina: Es ist teilweise so ausgearbeitet worden, also bei den Dudleys die haben so eine Hintergrundgeschichte

00:10:48: bekommen, dass sie eben ihr Kind verloren haben, in Hill House und deswegen dortbleiben,

00:10:58: dass das die Erklärung ist, also da gibt es einfach mehr Hintergrundgeschichte.

00:11:01: Und bei den Schlüsselfiguren, also die es dann auch im Roman gegeben hat, weil die werden, da habe ich gut

00:11:08: aufgepasst, weil da fand ich es halt interessant, die Eleanor ist als Protagonistin im Roman

00:11:14: ja total eine Träumerin.

00:11:15: Also sie träumt immer von verschiedenen Geschichten oder wo sie mal wohnt, also wo sie hinfährt, fährt sie an

00:11:20: verschiedenen Häusern vorbei und träumt sich da ganze Leben zusammen.

00:11:24: Pia: Und vor allem auch von der Liebe. Christina: Und... Pia: Das ist dieser ständige Satz, den sie auch immer wiederholt.

00:11:29: "A Lovers End in Journeys..." Christina: "Journeys End in Lovers Meeting" Pia: Ja umgedreht [lacht]. da können wir vielleicht nachher noch darüber

00:11:38: reden, aber ja, genau, sie träumt also viel und wünscht sich viel, aber hat halt im Moment...

00:11:44: Weil sie einfach im Moment nicht so glücklich ist.

00:11:46: Und die Eleanor in der Serie hat halt ihren Verlobten verloren oder ihren Ehemann und das ist ganz

00:11:53: tragisch und der lockt sie dann ins Haus.

00:11:55: Aber sie ist auch wie eine verlorene Seele.

00:11:58: Also das ist da so ähnlich, aber sie ist auch die Träumerin.

00:12:02: Und die Theo, Theodora, ist ja im Roman, weil das hast du vorhin gesagt.

00:12:07: Ich finde auch "queer gecoded" [engl. Zuschreibung stereotypisch queerer Eigenschaften zu fiktiven Figuren, ohne deren Geschlecht und sexuelle Identität explizit zu benennen] bis zum geht nicht mehr.

00:12:11: Bis sie dann, ich meine dann später, fängt sie... Es ist ja irgendwann nicht mehr klar, ist die Eleanor

00:12:17: ... ist es das Haus, das ein Einfluss auf Eleanor's Psyche hat?

00:12:20: Jetzt reden wir wieder vom Roman.

00:12:22: Also es ist alles so ein bisschen Psycho-Horror auch.

00:12:26: Und es ist ja nicht hundertprozentig klar, sind das jetzt wirklich...?

00:12:30: Also ja, schon, aber... Pia: Sie ist ein bisschen eine unverlässliche Erzählerin muss man auch sagen.

00:12:35: Christina: Genau, ja. Pia: Man ist sich da nie genau [kurze Pause] sicher.

00:12:38: Christina: Ja.

00:12:39: Pia: Stimmt das jetzt überhaupt, was sie sich da denkt oder kommt ihr das nur so vor?

00:12:42: Ist sie jetzt einfach nur paranoid den anderen gegenüber?

00:12:44: Weil wie du gesagt hast am Anfang ist es ja so, dass man so das Gefühl hat, die Theo und sie haben

00:12:49: vielleicht irgendwie eine Beziehung, da geht irgendwas, da passiert irgendwas, es gibt

00:12:53: ständig Berührungen zwischen den beiden, auf die so ein Augenmerk gelegt wird, im Buch.

00:12:58: Und ja, das führt dann aber am Schluss zu nix. Sie will unbedingt bei der Theo bleiben,

00:13:03: bei der Theodora, aber die weist sie dann zurück.

00:13:06: Und man ist sich aber eben auch nicht ganz sicher, ob das dann so wirklich...

00:13:10: Christina: Weil das auch so ein Selbstwert-Ding ist, ich hab die ganze Zeit das Gefühl, dass einfach

00:13:14: gehabt, dass Eleanor im Roman so ein ganz geringen Selbstwert gehabt hat. Pia: Genau. Christina: Und sich dann

00:13:19: wie so selber manipuliert hat.

00:13:21: Deswegen finde ich, kann man sagen, es ist psychologischer Horror, weil einfach nicht

00:13:26: 100-prozentig klar ist, ist es das Haus, das ihr da die Stein in den Weg legt oder ist

00:13:31: es ihre eigene Sicht von sich selber, weil sie dann zuerst, also ist sie ganz eng befreundet

00:13:37: mit der Theodora, ganz schnell und dann kommt es aber irgendwie dazu, dass sie ganz schnell

00:13:43: sich abgewiesen fühlt und dann überreagiert sie und überkompensiert sie und will sofort

00:13:48: mit der, weil sie ja einfach heimatlos ist und wie... Es ist, mir so vorgekommen,

00:13:52: wie nach Strohhalmen greifen und sie möchte mit ihr dann, sie sagt dann, ich möchte bitte

00:13:56: mit ihr heimgehen.

00:13:57: Ich weiß jetzt was ich mache, ich gehe mit dir heim.

00:13:58: Pia: Ja, man hat auch so das Gefühl, es ist so ihr letzter Verzweiflungsakt im Leben so, ich will

00:14:01: irgendwas finden, an das ich mich klammern kann, damit ich diesen Ausweg nicht wählen

00:14:05: muss.

00:14:06: Christina: Die anderen Figuren, Luke, wird ja beschrieben als Dieb und so, als Tunichtgut und so

00:14:11: und in der Serie haben sie ihn dann interpretiert als eh, als Drogenabhängigen, also als... Es ist ja eine

00:14:17: Geschwistergruppe in der Serie [schnalzt mit der Zunge] was ich auch passend finde, weil die, wie die ganze,

00:14:23: es ist so, Shirley Jackson schreibt sehr häuslich, sehr Mikro... Der Mikrokosmos dieser vier Leute in diesem

00:14:31: Haus und wie die Beziehungen und die Beziehungsdynamiken sich untereinander ändern, plus dieses

00:14:38: paranormale Element des Hauses.

00:14:42: Ich fand das Mike Flanagan, dass ihn das wahrscheinlich angelacht hat und dass er das

00:14:48: dann transportiert hat. Pia: Er hat sich irgendwie...

00:14:49: Man hat so das Gefühl, er hat sich die Sachen rausgepickt, die ihn voll interessiert haben und hat so

00:14:53: die Idee der Figuren genommen, eben so: ahja, Luke ist so ein Tunichtgut, dann nehm ich

00:14:58: das, aber mach halt mein eigenes Ding raus.

00:15:00: Ahja die Nell ist so von... Da kann nicht loslassen von der Vergangenheit und ist so mit Liebe

00:15:05: und mit ihren Träumen versessen, okay, ich nehme das und mach da was draus.

00:15:08: Und eben bei der Theo, ahja, da gibt es diese LGBT-Themen im Buch, das nehme ich jetzt

00:15:13: auch und da mach ich auch was draus.

00:15:15: Und eben. Aber er hat es halt einfach rausgepickt, sich nicht ganz genau an die Figuren gehalten und

00:15:19: und auch nicht ganz genau an den Inhalt gehalten, aber halt irgendwie seine Interpretation davon

00:15:24: hergegeben.

00:15:25: Christina: Das macht es auch so toll, weil man sieht der Serie so die Inspiration richtig an, das

00:15:32: ist seine eigene Mischung, das ist für mich auch das Argument oder das Beispiel dafür,

00:15:39: warum Filmadaptionen auch, also und eben Serienadaptionen von literarischen Stoffen nie eins zu eins

00:15:48: sein können.

00:15:49: Es ist ja ein anderes Medium, aber es ja auch gar nicht müssen, weil es so toll ist,

00:15:55: wenn man sieht, wie jemand so inspiriert ist von einem Stoff und sich den dann aneignet,

00:16:01: weil das macht man ja beim Lesen ja auch, man zieht sich ja raus, was man braucht von

00:16:07: einer Geschichte.

00:16:08: Pia: Und nimmt dann eigentlich seine eigene Interpretation.

00:16:11: Jeder hat eine andere Vorstellung davon, wie jetzt die Theo ausschaut oder wie die Elena

00:16:14: ausschaut und wie die sich verhalten.

00:16:16: Und das ist ja das, was interessant ist.

00:16:19: Christina: Du hast ja vorhin von dem Satz schon geredet, das ist dieses "Journeys End in Lovers Meeting", das

00:16:25: ist ja auch, ich weiß nicht, ein "Limerick" [Ist ein kurzes, in aller Regel scherzhaftes Gedicht in fünf Zeilen] oder ein Song.

00:16:27: Pia: Das ist von Shakespeare.

00:16:28: Christina [erstaunt]: Das ist von Shakespeare?

00:16:29: Pia: Ja, das ist von Shakespeare.

00:16:30: So, ich habe es mir aufgeschrieben.

00:16:32: Warte, ich muss es finden [lacht kurz].

00:16:34: 100 Notizen.

00:16:35: Das ist aus "Twelfth Night", "Was ihr wollt", Shakespeare.

00:16:39: Liebes Grüß, die Reisenenden.

00:16:42: Genau, das ist aus Shakespeare "Twelfth Night".

00:16:45: Christina: Wie interpretierst du den Satz?

00:16:47: Was... Wie hast du es verstanden?

00:16:49: Pia: Ich finde, es gibt verschiedene Arten, das zu interpretieren.

00:16:51: Man kann einerseits sagen... ich hab zuerst gedacht, okay, sie meint, dass sie, zuerst war

00:16:56: ich mir auch nicht sicher, ob das nicht vielleicht sogar eine Dreierbeziehung ist, zwischen ihr, Theo

00:17:00: und Luke.

00:17:01: Christina: Im Roman.

00:17:02: Pia: Genau, im Roman. Und dann habe ich mir gedacht, okay, ja, darum geht es.

00:17:05: Sozusagen, sie hat die jetzt getroffen und das ist sozusagen das Ende ihrer Geschichte.

00:17:08: Aber andererseits kann man es fast auch interpretieren, dass es das Haus selber ist.

00:17:13: Dass es das Haus, das sie liebt.

00:17:16: Weil sie redet ja ständig davon, dass sie kein Zuhause hat.

00:17:18: Also halt, da kommt man dann drauf, dass sie kein Zuhause hat.

00:17:21: Und dass es das ist, was sie eigentlich sucht.

00:17:24: Christina: Oder ihr kein Zuhause haben, ist ja mehr, dass sie sich daheim nicht willkommen fühlt,

00:17:31: weil die Art, wie ihre Schwester sie behandelt, wie ihr Schwager sie behandelt, dass sie wie

00:17:35: so ein fünftes Rad am Wagen.

00:17:37: Pia: Aber gleichzeitig hat sie das zu Hause ja auch irgendwie verloren, weil sie hat sich ja

00:17:41: sehr lange um die Mutter gekümmert, die dann ja gestorben ist.

00:17:43: Und dadurch ist sie ja erst bei der Schwester angekommen.

00:17:47: So habe ich es jetzt gesehen, dass sie sozusagen da weggekommen ist und dann irgendwie den

00:17:50: Halt unter den Füßen verloren hat.

00:17:52: Christina: Und zu Hause ist in dem Sinne ja auch viel, zumindest war das für die Eleanor im Roman,

00:17:59: eine Form von Identität, die irgendwie... Weil, sie hätte ja alles, sie hätte überall wohnen

00:18:04: können.

00:18:05: Sie sieht sich mit der Theodora, sie sieht sich in dem kleinen Cottage, wo sie vorbeifährt.

00:18:11: Also diese ganzen vielen Leben, die sie sieht.

00:18:13: Und sie sieht sich im Hill House auch.

00:18:15: Pia: Am Schluss sagt sie auch, also ich gehöre dazu, das kann man mir nicht mehr weg... Also

00:18:20: in ihrem eigenen Dialog, sagt sie das [lacht kurz] natürlich.

00:18:22: Monolog. Christina: Das ist so

00:18:23: tragisch, das ist für mich diese Tragik von Shirley Jackson in dem Fall, weil sie

00:18:30: ist, Shirley Jackson schreibt grundsätzlich sehr introspektiv und kehrt so dunkle, psychologische

00:18:40: Vorgänge nach außen und macht so Metaphern draus, wie eben das Hill House, kannst du ja,

00:18:50: wenn du geneigt bist, als Metapher mal lesen für alle möglichen Arten von "IT" und von [lacht kurz],

00:18:57: wenn wir jetzt mit Freud kommen wollen, aber von unterbewussten Bedürfnissen oder von,

00:19:05: auch wie sie dann, also wenn man das dann, wenn das Haus sie einnimmt und wie sie anfängt

00:19:09: so kritisch über die Theodora zu denken und den Luke und dann eifersüchtig wird und

00:19:16: aus ihrer Perspektive unzuverlässig, wie sie erzählt, wie du gesagt hast, wie man selber

00:19:23: da mitgeht und quasi einen Schritt zurücktreten muss, um zu verstehen, dass sie gerade ihre

00:19:29: Perspektive sich wechselt.

00:19:31: Weil sie wechselt ja immer mal wieder zwischen, nein Theodora ist ein Nette und du weißt es

00:19:36: am Ende als Leser:in, ich wusste dann nicht mehr genau ist jetzt die Theodora so, also

00:19:43: die falsche Schlange, als die sie von Eleanor dargestellt wird oder ist das alles in Eleanors

00:19:49: Kopf, ist das das Haus, das das manipuliert oder ist Eleanor, sind das Eleanors Gedanken,

00:19:56: die nur von dem Haus befeuert werden.

00:19:58: Also ihr innerstes sozusagen die schlimmsten, negativsten Gedanken, die in ihr sind.

00:20:04: Pia: Das ist ja das, was es so interessant macht und das ist auch, es wird auch nie beantwortet.

00:20:08: Am Schluss, man weiß ja eigentlich nicht einmal,

00:20:10: ob sie überhaupt stirbt. Das wird ja nicht einmal explizit gesagt. Christina: Ahhh! Pia: Das ist was so

00:20:17: interessant ist, man weiß nicht wirklich, was am Schluss passiert ist. Und das macht sie

00:20:20: nochmal verwirrender. Christina: Weißt du, dass ich sofort... Also sie, sie hatte ja diese Situation,

00:20:25: wo das Haus sie einnimmt und das passiert so schleichend. Das ist so wirklich ganz langsam

00:20:31: passiert, dass das Haus sie einnimmt. Sie wird immer unzuverlässiger in ihrer, als Erzählerin.

00:20:37: Sie geht ja dann auf diese, in diese Bibliothek, wo sie vorher nicht reingegangen ist und sie

00:20:42: liest, wie die Erzählung, sie ist fast wie ein Geist, wirkt sie schon. Sie ist schon fast,

00:20:47: als wär sie Teil. Pia: Ich war auf, fast der Meinung, sie ist jetzt Teil des Hauses, weil sie hört dann ja

00:20:52: auch auf einmal andere Sachen, die sie gar nicht hören kann. Sie hört dann Dinge in der Bibliothek,

00:20:57: während sie eigentlich ganz woanders ist. Und sie hört dann andere reden in ganz anderen Räumen,

00:21:02: die total weit weg von ihr sind und man hat das Gefühl, okay, sie ist jetzt Teil des Hauses geworden.

00:21:07: Und deswegen sagt sie dann auch am Schluss, okay, ich kann da jetzt gar nicht mehr weg, ich gehöre

00:21:10: da einfach dazu. Christina: Und sie geht ja dann in der Bibliothek auf diese Wendeltreppe und die ist ja super

00:21:16: unsicher. Und da ist dann der Moment, wo dann die Erzählung, wo sie wieder aufwacht und die

00:21:20: Erzählung dann wieder ein bisschen verlässlicher wird, weil dann die anderen da... also. Pia: Wobei es interessant

00:21:26: ist, weil sie dann in dem Moment genau diese Entschuldigung verwendet, die sie sich vorher in

00:21:31: ihrem Wahn irgendwie, wo sie so halb im Wahn war mit diesem Haus zusammen, schon überlegt hat. Sie sagt

00:21:36: genau diese Ausrede, was ich interessant gefunden hab. Christina: Welche ist das? Pia: Da sagt sie ihnen, sie

00:21:40: wollte sich glaube ich ein Buch holen oder so. Und das ist genau das, was sie sich vorher schon

00:21:43: überlegt hat. Und dann ist sie im Wachzustand, sagt sie genau das. Und dann war ich so, mh okay.

00:21:48: Christina: Ja, man weiß nicht, man weiß, das ist der springende Punkt. Es ist nicht... Es lässt sich nicht richtig sagen, was los

00:21:56: ist. Man kann vielleicht sogar, wenn man ganz genau das machen möchte, was Literaturwissenschaftler:innen

00:22:02: ja auch ganz gerne immer tun, den Text untersuchen, ist es vielleicht so ein "Turn-of-the-Screw-Moment" [eine Handlung, die eine schlechte Situation verschlimmert, insbesondere eine, die jemanden zu etwas zwingt],

00:22:07: wo man 50 Interpretationen machen kann, ist es eine Geistergeschichte oder [lachend] ist es keine Geistergeschichte?

00:22:13: Das gibt es ja auch. Pia: Ja, weil Geister sehen tut man ja an sich nicht wirklich [lacht kurz]. Christina: Genau. Und das so typisch

00:22:18: psychologischer Horror. Was ist real und was nicht? Aber ich wollte auch noch sagen, dass wenn sie dann in

00:22:25: der Bibliothek ist und dann ist sie, bringt sie sich eine lebensgefährliche Situation, die wird

00:22:30: dann tatsächlich noch einmal entschärft und dann wollen sie sie ja wegschicken, zu ihrem eigenen

00:22:36: besten. Aber sie ist da ganz verletzt davon und dann fährt sie gegen den Baum. Pia: Genau. Christina: Das war das,

00:22:42: was mir so gerade so aufgefallen ist, weil du gesagt hast, die Eleanor stirbt, also man weiß nicht,

00:22:47: ob sie stirbt. Ich habe sofort gedacht, ja sie ist, also ich sofort, die ist jetzt tot und die ist jetzt

00:22:54: Teil des Hauses, weil dann die Erzählung geht ja noch weiter und da wird dann schnell zu Ende gebracht,

00:22:59: dass die dann nie wieder darüber geredet haben, dass das unter den Teppich gekehrt, die sind dann

00:23:03: auch nicht mehr zurückgegangen und so weiter und so fort. Pia: Was ich auch interessant gefunden habe, war dann,

00:23:08: wie das mit dem unzuverlässigen Erzähler irgendwie in der Serie dann interpretiert worden ist,

00:23:12: weil im Grunde ist es in der Serie ja genau das gleiche. Dadurch, dass man, wie ich auch schon in der

00:23:17: Zusammenfassung gesagt habe, man hat verschiedene Perspektiven und das ist irgendwie dann der

00:23:21: unzuverlässige Erzähler. Man kriegt immer nur die Hälfte mit. Es gibt dann auch diese Szene,

00:23:25: wo die Kinder versuchen in diesen roten Raum reinzukommen. Das ist immer so ein Mysterium,

00:23:31: es gibt diesen roten Raum, wo keiner rein kann [lacht kurz]. Christina: Der rote Raum, den es nur in der Serie gibt. Pia: Wobei es ist das Kinderzimmer im Grunde dann.

00:23:38: Christina: Genau. Pia: Im Buch, das ist ungefähr... Christina: Also wie immer die Elemente sind da, aber sie sind schon reinterpretiert. Pia: Abgeändert.

00:23:45: Christina: Also sie wollen in diesen roten [Pia dazwischen: Raum ein] Raum und der ist aber zugesperrt [Pia dazwischen: Die ganz Zeit] und das ist der einzige Schlüssel,

00:23:52: den niemand hatte. Der Dudley hat den nicht, der Hausmeister, die finden den Schlüssel nicht.

00:23:58: Sie sitzen auch davor und gerade die kleine Eleanor, das ist die jüngste der Geschwisterbande,

00:24:04: die sitzt da immer und ist da ganz fasziniert von dem Raum. Pia: Genau. Und was dann so interessant war,

00:24:09: es gab dann die Szene, wo man sieht Eleanor und Shirley, glaube ich, waren es die zwei Schwestern?

00:24:14: Christina: Shirley, die es... Darf ich ganz kurz erklären? Pia: Ja sicher, natürlich. Christina: Shirley, die es im Roman gar nicht gibt,

00:24:21: die zweite Schwester, die das vierte Geschwisterkind ist, die dritte Schwester, also es sind drei Schwestern

00:24:28: und ein Bruder, das sind vier Geschwister und Shirley.... Pia: Fünf. Fünf Geschwister. Christina: Fünf sogar. Pia: Fünf Geschwister. Christina: Genau. Und Shirley ist einer von

00:24:34: den zwei dazu erfunden, oder? Pia: Genau. Christina: Und Shirley natürlich in Anlehnung an die Autorin des Romans,

00:24:41: Shirley Jackson. Und das ist auch die Stimme der Vernunft, möchte ich so ein bisschen, das ist die, die...

00:24:45: Pia: Die perfekte Shirley, die nichts falsch macht oder denkt, dass sie nichts falsch macht. Christina: Die sich erklären möchte.

00:24:51: Pia: Und eben die zwei Schwesteren, da sind sie eben noch kleiner, das ist in der Vergangenheit, sie sitzen

00:24:56: vor dieser Tür und versuchen verzweifelt das aufzumachen und dann sagt die kleinere,

00:25:00: glaube ich, sagt dann, nein, da hat sich jetzt was bewegt dahinter oder so. Und dann gehen sie halt

00:25:05: weg, weil es nicht funktioniert und dann sieht man aber dahinter, dass sich irgendwas bewegt.

00:25:08: Und das ist halt der Grusel. Christina: Also, in typischer Horror-Manier. Man stellt sich so einen leeren Gang in

00:25:13: einem alten Haus vor, diese große Tür, vor der wir immer mal wieder sitzen, die Szene geht wieder

00:25:22: zur Tür, die Shirley glaubt der Eleanor nicht, sie gehen weg und dann ist der Cut [engl. Schnitt] noch auf der

00:25:29: Tür unter dem Türspalt... Pia: Sieht man, dass was knarzt. Christine: Und es tut sich erst... es tut erst, es passiert nichts und dann ist

00:25:37: der Schatten [lacht kurz] Und ich so: Oh nein! Okay. Pia: Und dann gibt es irgendwann später oder davor, ich bin mir jetzt nicht sicher, noch eine andere

00:25:44: Szene, wo man zuerst denkt, das hat gar nichts mit dieser Szene zu tun, wo die Theodora, ebenfalls eine

00:25:49: der Schwestern, tanzt, in einem Raum. Und das macht sie halt öfter, weil sie halt eben gern tanzt und

00:25:54: dann sieht sie auf einmal bei der Tür oder hört, dass jemand versucht reinzukommen. Sie kommen

00:26:00: nicht rein, man hört dieses Geräusch und es ist irgendwie ungut und gruselig. Wird dann aber nie

00:26:06: mehr wirklich erwähnt und dann kommt man später darauf, dass es sich genau bei diesem Raum,

00:26:11: um diesen roten Raum handelt und dass diese zwei Szenen genau im gleichen Moment passiert sind. Und

00:26:16: das ist irgendwie so eine interessante Interpretation des unzuverlässigen Erzählers auf Video

00:26:21: Ebene habe ich gefunden. Weil dann so Szenen wieder in einen anderen Kontext kommen oder man

00:26:28: selbst dann dahinterkommt, ahja, das ist ganz was anderes gewesen. Christina: Du hast ja vorhin schon gesagt,

00:26:31: dass das Hill House selber ja architektonisch keinen Sinn ergibt und das ist dann auch noch

00:26:37: einmal so eine Erweiterung davon, dass nicht einmal die Zeit in Hill House [betont das "S" sehr lang] Sinn ergibt oder die

00:26:45: die... Also, die Räumlichkeiten und wann da was passiert, weil während die Theodora tanzt und man

00:26:52: weiß ja aber auch nicht wann es passiert und es waren auch die gruseligsten Szenen fast und

00:26:59: dann auch dass Theodora tanzt, ist ja auch aus einer Szene vom Roman entnommen, weil sie ist ja eine,

00:27:07: die dann im Roman selber tanzt und das auch voll gern macht und das ist nur eine Szene und das ist

00:27:14: dann halt auch so ein Beispiel dafür, wie sie es aufgreifen. Pia: Ich habe es auch interessant gefunden,

00:27:20: dass von der ganzen Familie glaube ich der Vater der Einzige ist, der nie in diesen Red Room reinkommt,

00:27:25: in diesem roten Raum. Weil alle anderen haben ja, der rote Raum ist ja irgendeine Interpretation von

00:27:29: ihnen, das ist etwas was sie sich vorstellen, also für den Luke ist es glaube ich ein Baumhaus,

00:27:33: für die Theodora ist es dieses Tanzstudio, also jeder sieht da was anderes in diesem Raum drinnen,

00:27:38: Christina: Für Harry Potter Fans wie der Raum der [kurze Paus] Wünsche. Pia: Wünsche, genau. Also genau so ist er, aber es... Christina: Nur in gruselig,

00:27:46: Pia: [lachend] Genau. Gefährlich. Und der Vater ist der einzige, den man nie in diesem Raum sieht glaube ich,

00:27:53: also ich kann mir keine Szene erinnern, wo er da drinnen war, außer ganz am Schluss dann,

00:27:57: aber da ist er ja dann auch schon tot. Spoiler! Christina: Und auch Red Room ist natürlich ein Wortspiel,

00:28:03: wenn man das umdreht, dann ist es, wenn man es auf Englisch sagt "murdered" [engl. töten], oder "murder" [engl. Mord], ja,

00:28:08: doch, "murder", ja, murder [lacht kurz] und das erinnert mich auch so an Stephen King, der, ich war das in

00:28:17: "Shining", wo Danny, der ist fünf und sieht, hat das "Shining" und kann deswegen so mit der anderen

00:28:26: Welt kommunizieren oder was, ich weiß... ja doch. Pia: Da darfst mich jetzt nicht fragen [lacht] Christina: Und er sagt, was ist

00:28:34: denn "Red Rum?" "Red Rum!" Also wie roter Rum. "Red Rum" und jetzt fragst du dich quasi den ganzen Roman,

00:28:41: bis er dann im Spiegel die Worte sieht und es heißt halt "murder" und das erinnert mich auch

00:28:48: daran. Und Horror als Genre ist ja sehr auch so traditionsverbunden und greift sich selber

00:28:58: total gern auf und die Liebe dazu zu diesen Details merkt man halt auch einfach Mike Flanagan an,

00:29:07: auch in den anderen Serien, die er danach macht. Es gibt ja dann eine zweite Staffel, die ist dann...

00:29:14: Basiert dann auf einer Mischung, also die basiert dann eben auf "The Turn of the Screw", also das

00:29:22: "Drehen der Schraube" [Korrektur: Das Durchdrehen der Schraube] heißt es, glaube ich, auf Deutsch von Henry James, das ist eines dieser

00:29:28: Texte, die man endlos interpretieren kann in der Literaturwissenschaft, und danach macht er dann noch

00:29:35: einem eines über, ich kann es jetzt nicht sagen über was, aber es spielt auf einer... Weil es ein

00:29:40: Spoiler wäre und spielt auf einer Insel, ich schreibe in die Shownotes wie es heißt, weil es fällt

00:29:46: mir gerade nicht ein. Es ist super gruselig, es ist so, auch wieder so ein paar Teile nur, ich weiß nicht wie viele

00:29:53: Folgen, fünf oder zehn. Und du merkst ihm halt einfach an, dass der alle Horrorfilme "ever" [engl. immer]

00:29:59: geschaut hat und sich so seine Interpretationen rauspickt. Da sind wir jetzt, nämlich warum mögen

00:30:09: wir das jetzt, also ich mag Horror [längere Pause] sowieso schon und ich mag Mike Flanagan's Horror überraschend

00:30:18: extrem gern und ich mag Stephen King's Horror auch immer dann, wenn er nämlich genau das macht

00:30:25: für mich, wenn ich die Frage jetzt beantworten soll, weil man über Horror was Sachen verhandeln kann,

00:30:34: über die man sonst nicht sprechen kann. Es enttabuisiert auf so einer kathartischen Ebene Sachen wie

00:30:47: Begehrlichkeiten, die vielleicht tabuisiert sind, sprich LGBTQ und Shirley Jackson Roman und so,

00:30:53: Trauer und ich glaube, dass das auch ein Mike Flanagan Ding ist. Er verhandelt Trauer und den Mikrokosmos

00:31:03: von Familien, die nicht funktionieren [lacht kurz]. Pia: Ja, ich habe auch, also Trauer habe ich mir auch als Thema aufgeschrieben,

00:31:08: ich habe es interessant gefunden, wie man damit umgeht und jedes Familienmitglied geht anders

00:31:15: damit um und das ist dann so interessant, das zu sehen und das ist auch das Universale,

00:31:20: das ich in dieser Geschichte gesehen habe und das ist auch das, was mich fasziniert hat,

00:31:23: weil eben Horror, mich sonst eben nicht so interessiert, aber das ist so etwas, das einfach jeder,

00:31:27: das jeden betrifft und das dann auch so interessant war und irgendwie war Hill House dann auch diese

00:31:33: Verkörperung von Menschen, die es eben nicht geschafft haben darüber hinweg zu sehen und eh, nicht

00:31:39: darüber hinweg zu sehen, aber halt mit Trauer fertig zu werden, weil das alles Menschen waren,

00:31:44: die mit dem Leben dann nicht klargekommen sind, weil jemand gestorben ist. Und das war dann so

00:31:49: interessant daran. Christina: Und wie die Eleanor ganz am Schluss, weil es ein ganz tragisch schönes Ende

00:31:56: dann ist, weil wie du gesagt hast, die... Das Haus bekommen sie dann ja. Und... Pia: Der Monolog ist

00:32:04: so schön. Christina: Der schönste Satz, meiner Meinung nach, einer meiner Lieblingssätze aller Zeiten,

00:32:10: "The rest is just confetti" und ich kann jetzt, eh auf Deutsch und "Der Rest ist nur Konfetti" wahrscheinlich.

00:32:17: Hach, ist schön [lacht kurz] Pia: Ja, weil sie sagt, das Leben ist keine gerade Linie, sondern es sind Augenblicke, also wie der Regen

00:32:24: oder eben wie Konfetti. Und, dass es wichtiger im Endeffekt, die... diese Liebe ist, also dieses

00:32:32: Zusammenhalten, in dem Fall innerhalb der Familie und dass das, eh, ob es Lukes Drogensucht ist oder

00:32:39: Theos [schnalzt mit der Zunge] Abgeschottetheit von anderen Leuten oder alle anderen Probleme, die da innerhalb der Familie

00:32:49: herrschen und die die einzelnen Figuren haben und die die Serie auch zeigt, das ist alles überwindbar

00:32:57: oder zumindest ertragbar, weil... Pia: Weil man sich gegenseitig liebt. Christina: Ja und weil sie sich zueinander finden und

00:33:05: da haben wir dann die Frage vielleicht doch ein bisschen beantwortet, da sind wir nämlich,

00:33:10: das sind wir vorhin so abgeschweift zu dem Satz "Journeys End in Lovers Meeting" und das fände ich

00:33:17: jetzt eine schöne Interpretation, wenn man "Lovers" [engl. Liebende] gar nicht so als romantische Liebe versteht, sondern

00:33:24: wenn man das ausweitet und Lovers sind einfach alle, alle Arten von Liebe, die es so gibt und da

00:33:32: ist die Reise und da halt natürlich auch die Serie zu [lacht kurz] Ende, es ist so tragisch schön, also es ist

00:33:38: richtig traurig. Pia: Eben. Also diese letzte Folge, die war richtig schön, die finde ich auch ganz gut gemacht.

00:33:43: Christina: Da kriege sogar ich ein bisschen Pipi in die Augen [beide lachen].

00:33:45: Pia: Apropos [franz. übrigens] warum wir Horror mögen. Ich habe dann wirklich nachgeschaut, weil es mich interessiert hat,

00:33:53: weil ich mir gedacht habe, das ist eigentlich wirklich faszinierend, warum schauen wir uns

00:33:57: zur Unterhaltung was an, was uns ja eigentlich [lachend] Angst macht? Ist ja irgendwie... Macht keinen Sinn,

00:34:02: oder? Christina: Für mich schon [lacht] Pia: Für dich [lacht] Für mich nicht [beide lachen] Christina: Was hast du rausgefunden? Pia: Ich habe rausgefunden... Also es gibt das Recreational

00:34:10: Fear Lab, das ist in Dänemark. Christina: Das Recreational Fear Lab, also das Freizeitangst Labor [lacht] Pia: Genau [lacht],

00:34:17: also es ist ein wissenschaftliches Labor, das sich genau mit dem Thema beschäftigt. Warum schauen

00:34:23: wir uns oder schauen wir uns in der Freizeit gruselige Sachen an oder spielen gruselige Spiele, also

00:34:27: alles was irgendwas mit Grusel und unheimlichen Sachen zu tun hat, warum machen wir das in der Freizeit?

00:34:32: Die analysieren das wissenschaftlich und der Mathias Clasen, das ist der Leiter dieses

00:34:39: Instituts. Christina: Woah Pia, hast du ein Interview mit dem auch organisiert? [beide lachen] Pia: Genau, natürlich. Schnitt und

00:34:45: jetzt kommt dieser Leiter [lacht], nein. Und er hat eben gesagt, dass es im Grunde solche Sachen anzuschauen

00:34:52: oder eben zu spielen oder was auch immer man damit macht, dass es eine Auseinandersetzung mit unserer

00:34:57: eigenen Furcht ist und dass uns das in wirklichen Furchtsituationen, also es ist eine Vorbereitung

00:35:02: im Grunde darauf und dass uns das dann helfen kann und dass deswegen die Leute das mögen und

00:35:07: dass jeder auch anders ist. Er hat gesagt, jeder mag das irgendwie, aber auf verschiedenen Ebenen oder

00:35:13: auf verschiedene weisen, ob das jetzt ein gruseliger Podcast oder gruselige Filme sind. Aber es fängt

00:35:19: auch schon ganz klein an, hat er gesagt, weil auch schon Kinder damit spielen, so Fangen spielen

00:35:24: oder Räuber und Gendarm. Christina: Oder das Ochs am Berg auf der grünen Wiese. Pia: Das ist auch schon eine Art

00:35:32: so Jäger und Beutespiel. Christina: Ja! Pia: Und das ist im Grunde auch schon so was und eben für Erwachsene, die

00:35:39: dann eben Horrorfilme schauen, ist das halt die Erweiterung dann [lacht kurz]. Und er hat gesagt, es gibt aber

00:35:44: wirklich auch Studien, die das beweisen, dass es wirklich helfen kann im echten Leben, zum Beispiel

00:35:48: bei der Corona-Pandemie, Leute, die Horrorfans waren, sind anscheinend psychologisch besser,

00:35:53: also resistenter demgegenüber gewesen, diesem Druck als Leute, die es nicht waren. Christina: Nein! Pia: Ja, also das

00:35:59: heißt, das macht auch Sinn. Also wenn irgendwann einmal eine Zombie-Apokalypse kommt, weiß ich... Christina: Ich bin vorbereitet! Pia: Weiß ich,

00:36:04: an wen ich mich wende [lacht kurz] Christina: Ja, also ich glaube, wie viele Staffeln Walking Dead gibt es, ich und...

00:36:09: Night of the Living Dead, George R. Romero, irgendwer. Passt, Pia, komm zu mir. Pia: Eben. Ich komme zu dir [lacht kurz].

00:36:17: Aber ich habe es interessant gefunden, weil sozusagen jeder mag es auf verschiedenen Ebenen,

00:36:21: aber also das kann man gar nicht verhindern, aber es ist interessant. Christina: Und ich mag Horror auch,

00:36:28: weil es diese Kartharse bietet, dieses, dann hast du halt, bist angespannt und dann bist du wieder entspannt,

00:36:34: dann bist du wieder angespannt und... Pia: Und natürlich in einer Sicherung Umgebung. Das ist das, was wichtig

00:36:38: ist. Christina: Genau. Pia: [Christina spricht ebenfalls gleichzeitig, unverständlich] Weil ich bei mir auf meiner Couch meine Horrorfilme anschauen kann und mir nichts

00:36:43: passieren kann. Christina: Genau. Und manchmal braucht es das und deswegen mögen wir Horror. Genau. Weil es

00:36:52: einfach gut ist und Resilienz bildet. Pia: Genau. Christina: Also verschrieben vom Arzt. Und zum Schluss möchte ich

00:36:59: gerne mit dir noch meinen zweit schönsten Satz im Roman: "She wants her cup of stars". Pia: Oh, da

00:37:09: hätten wir auch noch darüber reden sollen. Ach, das Thema habe ich richtig super gefunden, dass

00:37:13: sie das übernommen haben. Ich habe es sowohl im Buch als auch im Film. Dieses "Okay, die Erwachsenen

00:37:18: nehmen dir das irgendwann weg, behalt dir diese, diese, deine Fantasie auf so lang du kannst".

00:37:24: Christina: Genau. Es geht eigentlich um einen Becher von einem kleinen Mädchen im Roman und da sind, das ist

00:37:31: ihr Milchbecher, ihr Frühstücksbecher und da sind unten halt Sterne drauf. Und wenn sie trinkt,

00:37:38: dann sieht sie die dann halt am Boden. Und die Eleanor im Roman hört das und sie interpretiert

00:37:45: das und dann wird es diese Metapher, wie du es uns gerade erklärt hast. Und das ist halt auch voll

00:37:52: schön, oder? Pia: Ja. Christina: Und das ist [kurze Pause] so Shirley Jackson, die sich ja auch immer in, also die war dreifache

00:38:03: Mutter, die hat da sehr häuslich gelebt. Es gibt eine tolle, einen tollen autobiografischen Film mit ihr,

00:38:11: auch den [lacht kurz] in den Footnotes [engl. Fußnoten], weil ich weiß jetzt nicht wie der heißt, aber die Schauspielerin von

00:38:16: "Handmaid's Tale" spielt Shirley Jackson. Also ich habe ihn auch noch nicht geschaut, aber ich glaube,

00:38:23: der ist richtig gut und sie hat ja auch ein sehr tragisches Leben und dieses Zusammenspiel aus

00:38:33: Trauer und Angst und Optimismus und Humor ist sehr liebenswert und schön, weil es sind auch

00:38:42: jedoch lustige Momente im Roman. Pia: Finde ich auch. In der Serie genauso. Christina: Ja, stimmt. Pia: Und das ist das,

00:38:50: was das auch spannend macht und nett macht. Christina: Und deswegen mögen wir Horror. Pia: Und deswegen mögen wir Horror. [lacht] Ich kann es zumindest

00:38:57: verstehen. Christina: Und nächste Woche reden wir dann über Sylvia. Nein. [lacht] Pia: Sylvia Plath? [lacht]. Christina: Und nächste Woche reden

00:39:07: wir dann über Virginia Woolf und ihren Roman "Orlando" und stellen uns die Frage, warum Orlando,

00:39:13: der heute noch so aktuell ist wie vielleicht nie. Damit wünschen wir euch einen schönen Tag,

00:39:22: Mittag, Abend oder Nacht, wann immer ihr den Podcast hört. Und wenn ihr selber gerne Horror mögt und

00:39:30: uns vielleicht mitteilen wollt, welchen Horror ihr denn bevorzugt und ob ihr vielleicht "Der

00:39:36: Spuk von Hill House" auch schon geschaut habt oder gelesen habt, oder beides. Wir sind erreichbar

00:39:41: über Instagram, Facebook und post.stadtbibliothek@innsbruck.gv.at Pia: Danke fürs Zuhören und Tschüss!

00:39:53: [Outro-Musik]

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.