Kurz und Schmerzlos mit ... Hanno Millesi ("Zur Zeit der Schneefälle")
Shownotes
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Hanno Millesi interessiert sich früh für Kunst: das sind für ihn Filme, das ist die Bildende Kunst, Musik, und eben auch Literatur. Früh steht für ihn fest, „irgendwas mit Kunst zu machen“. Es folgt ein Studium der Kunstgeschichte. Ausdruck findet Hanno im Schreiben und im Anfertigen von Collagen. Wer seine Romane liest, merkt sehr schnell, dass sich darin zahlreiche Motive anderer Kunstformen wiederfinden.
So auch seinem neuen Roman „Zur Zeit der Schneefälle“. Das Loch, das eines Tages im Wohnzimmer des Protagonisten Rainer auftaucht, beschreibt er für sich dabei als „Spielanleitung“: Um diese Situation herum baut sich der Text explorativ auf, findet auf mehreren Erzählebenen statt. Auch stellt sich die Frage nach parallelen Realitäten, die übers Radio und die Nachrichten entstehen.
Im Gespräch mit Boris geht Hanno auf diesen und viele weitere Aspekte seines künstlerischen Schaffens ein. Wie unterscheidet sich der Prozess für ihn über die verschiedenen Kunstformen hinweg, und wo liegen die Gemeinsamkeiten? Wie gestaltet sich sein Schreibprozess? Am Schluss teilt er seine Ansichten über die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die Literatur – die seiner Meinung nach eher eine Auswirkung auf die Rezipientinnen und Rezipienten sein könnte.
„Zur Zeit der Schneefälle“ von Hanno Millesi bei Sonderzahl: https://sonderzahl.at/product/zur-zeit-der-schneefaelle/ Gibt’s auch in der Stadtbibliothek: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/119231
Hannos Collagen (und viele interessante Informationen) findet ihr auf seiner Webseite: https://www.hanno-millesi.com/collagen/
Hannos Lesetipps: „Mitten im Tag“ von Andrea Winkler (Sonderzahl, 2025) https://sonderzahl.at/product/mitten-im-tag/ (Bald auch in der Stadtbibliothek!) „Sonic Life: Memoir“ von Thurston Moore (Faber&Faber, 2023) https://www.faber.co.uk/product/9780571373970-sonic-life/
svorwort #bibcast #popcast #gemeinsambesserlesen #stadtstimmen
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00:00:00: [moduliert] Vorsicht, der Genuss dieses Podcasts kann zu vermehrten Bibliotheksbesuchen führen. [moduliert]
00:00:07: Boris: "Zur Zeit der Schneefälle". Sonderzahl 2025.
00:00:14: Im Zentrum von Hanno Millesis Roman "Zur Zeit der Schneefälle" klafft ein Loch eines,
00:00:22: das auf unerklärliche Weise die Wand des Wohnzimmers des Protagonisten Rainer durchlässig werden lässt.
00:00:30: Niemand scheint für seine Entstehung verantwortlich zu sein.
00:00:36: Auch kein Mitglied, der auf der anderen Seite wohnenden Familie Nolde.
00:00:42: Sämtliche Beteiligten zeigen sich vom plötzlichen zerbröseln der gewohnten Barriere dermaßen verblüfft,
00:00:50: dass ihnen erst mal nichts Besseres einfällt, als den Schaden zu kaschieren,
00:00:56: anstatt etwas über seine Ursache herauszufinden oder in gar zu beheben.
00:01:02: Mit dem fortschreitenden Verfall der Wohnzimmerwand wird auch der Zustand der Überforderung immer intensiver.
00:01:11: Bald ist da im Grunde nur noch ein Loch, das Einblicke in beide Richtungen erlaubt.
00:01:17: Mit dieser vermeintlich einzigen Abweichung vorn Normalzustand einer schwindenden Wand erzeugt Hanno Milesi
00:01:26: eine Erzählersituation, die wie nebenbei Einsichten in gegenwärtige gesellschaftliche Zustände ermöglicht.
00:01:35: Rainer, der gerade eine Trennung hinter sich hat und sich beruflich eine Auszeit nimmt,
00:01:41: versucht beständig, sich eine tragfähige Einschätzung seiner surrealen Gegenwart zu erhalten.
00:01:48: Er tut dies, indem er anhand seines Nachrichten-Konsums die wirklichen Probleme von den Scheinbaren zu unterscheiden versucht.
00:01:58: Die zunehmende Unfähigkeit, sich ein adäquates Bild der näheren Umgebung zu machen,
00:02:04: wird so durch die unsichere Weltlage noch weiter irritiert,
00:02:09: obwohl die Warnbedrohungen denkbar weit entfernt anmutten.
00:02:14: Hanno Millesi, so unaufgeregtes wie unterhaltsames Kammerspiel steuert zielsicher auf eine Klimax zu,
00:02:23: in der sich die individuelle Unfähigkeit, sich ein Bild von einer überkomplexen Welt zu machen,
00:02:30: lustvoll mit gesellschaftlichen Problemlagen vermischt, mit Vereinzelung, dem Schwinden der Korrektive
00:02:38: und der überfordernden Flut an Informationen.
00:02:41: Zur Zeit der Schneefälle ist eine fein gezeichnete Parabel auf die Überforderung im digitalen Biedermeier unserer Gegenwart. [Intro-Musik]
00:03:04: Boris: Hallo und herzlich willkommen zurück beim "Vorwort Kurz und Schmerzlos", heute mit Hanno Millesi
00:03:11: und mein Name ist Boris Schön. Ja, Hanno, schön, dass du da bist.
00:03:16: Ich würde dich als erstes wie immer unsere Gäste kurz bitten, dich vorzustellen.
00:03:21: Hanno Millesi: Hallo, grüß dich Boris. Hallo, alle, die zuhören. Mein Name ist Hanno Millesi.
00:03:27: Ich bin Schriftsteller und lebe in Wien.
00:03:31: Boris: Ich fang jetzt quasi mit einem Sprung in deine Biografie an und sage jetzt, du kommst ja eigentlich mehr aus dem Themenbereich Bildende Kunst
00:03:44: und hast dich dann irgendwann für die Literatur entschieden. Stimmt das so oder wie kann man das sagen?
00:03:50: Hanno Millesi: Ich würde es nicht unbedingt zu sagen. Ich komme aus dem Bereich künstlerische Arbeit grundsätzlich.
00:03:58: Ich habe mich tatsächlich als sehr junger Mensch zunächst mal für Film begeistert, allerdings dabei auch schon eher, sagen wir mal, den künstlerisch avancierten Film.
00:04:08: Bin ich als Schüler schon mal drauf gekommen, habe dann im Laufe meiner jugendlichen Zeit mal die Entscheidung getroffen,
00:04:16: irgendwas mit Kunst zu machen und habe mich für alle Kunstformen interessiert, auch inklusive Musik, bildende Kunst und tatsächlich schon auch Literatur.
00:04:26: Und habe dann, als ich 18 war, beschlossen, Kunstgeschichte zu inskribieren, weil ich halt die Möglichkeit hatte zu studieren
00:04:35: und dann nicht recht wusste, was ich jetzt gerade sonst mache, also was ich sonst für ein spezifisches Thema wählen sollte
00:04:41: und habe dann das so alles Mögliche ausprobiert und bin dann schon eigentlich relativ bald bei der Literatur gelandet,
00:04:48: weil das halt die Kunstform war, die mir am ehesten zu entsprechen schien, sage ich mal.
00:04:55: Ich interessiere mich aber nach wie vor für alle anderen Kunstformen und beziehe daraus tatsächlich, weil du thematisch gesagt hast,
00:05:03: beziehe tatsächlich sowas wie Motive oder bestimmte Inspirationssituationen aus anderen Kunstformen.
00:05:11: Und außerdem habe ich noch eine zweite Schiene neben der Literatur, die ich vielleicht nicht mit demselben Enthusiasmus,
00:05:18: aber durchaus auch sehr ernst betreibe, nämlich dass ich Collagen anfertige, die ich so eine Art, als eine Art Bildtextarbeit sehe, wo das ein bisschen zusammenfließt.
00:05:29: Also mich interessieren zum Beispiel Bilder. Und Bilder kommen
00:05:32: tatsächlich in meine Literatur denke ich schon immer wieder vor, wird mir auch so bestätigt.
00:05:37: Ich werde daran erinnern, sagen wir mal, dass es immer wieder so Situation Tableau hat, das unlängst jemand genannt,
00:05:43: sozusagen in meinen Erzählungen, wo ich dann so wie stehenbleibe und Dinge beschreib sozusagen, die man dann als Bildnerisch stehen kann.
00:05:51: Aber es ist halt schon Literatur, es ist für mich eher ein Motiv, es ist schon eine andere Herangehensweise,
00:05:56: als man jetzt in Malerei oder Skulptur, oder so einsetzen würde.
00:06:03: Boris: Worin unterscheidet sich denn für dich das Wesentliche zwischen Literatur als Kunst und bildnerischer Kunst zum Beispiel?
00:06:14: Hanno Millesi: Also eigentlich im Material, das Material in Literatur ist Sprache und in den jeweiligen bildnerischen Formen kann es übrigens auch Sprache theoretisch sein,
00:06:24: da wird es auch zusammenfließen, aber es kann halt eben auch mal eine Reihe sein, oder Objektkunst oder Skulptur.
00:06:31: Ich sehe eher, für mich ist das sozusagen eine sehr ähnliche Arbeit, ein sehr ähnliches Wollen,
00:06:39: dass sich aber unterschiedlicher Materialien bedient und diese Materialien bedingen dann wieder eine andere Herangehensweise.
00:06:46: Und so sage ich mal, sagen wir das Handwerkliche bei verschiedenen ja auch nicht bei allen Kunstformen.
00:06:52: Es gibt auch die Konzeptkunst zum Beispiel, wo auch übrigens dann Text eine genauso große Rolle spielt,
00:06:58: wie in der Literatur, wenn auch anders eingesetzt wird.
00:07:01: Also ich sehe es eigentlich nur im Material.
00:07:04: Boris: Jetzt bist du mit deinem, sagen wir aktuellen Kunstwerk, deinem neuesten Buch, bist du zu Gast in der Stadtbibliothek,
00:07:11: heute Abend auf der Bühne, zur Zeit der Schneefälle, heißt der neue Roman.
00:07:16: Dein wievieltes Buches, das ungefähr?
00:07:19: Hanno Millesi: Da erwischt du mich auf dem falschen Fuß, aber da du ungefähr gesagt hast, würde ich sagen,
00:07:25: es ist so ungefähr der fünfte Roman und es gibt dazwischen, gab es auch immer wieder mal so kleine Erzählbände oder so.
00:07:32: Boris: Wie lange kann man sich vorstellen, dass du an einem Buch sitzt, bis du es geschrieben hast?
00:07:36: Hanno Millesi: Es ist ein bisschen unterschiedlich, also grundsätzlich bin ich ein Vielarbeiter, also ich arbeite sehr viel,
00:07:44: und sehr lange, beziehungsweise nicht unbedingt lange, aber ich arbeite an sehr viel Material für ein Buch
00:07:48: und verwendet dann vielleicht nur 40% davon für die endgültige Fassung, das ist so eine Form,
00:07:54: der, das ich Dinge erst mal schreiben muss, um sie dann auch wieder wegstreichen zu können und sie anders zu machen sozusagen.
00:08:03: Und grundsätzlich würde ich sagen, dass ich mich so zwei Jahre mit dem Thema auseinandersetze.
00:08:10: Es gibt allerdings schon welche, die ein bisschen schneller funktionieren
00:08:14: und andere, die ein bisschen komplexer sind und ein bisschen, die auch zum Beispiel abhängen müssen,
00:08:19: wo dann mal ganz gut ist, das mal ein paar Monate liegen zu lassen und sich dann das wieder vorzunehmen,
00:08:25: einfach auch um eine gewisse Distanz zu bekommen. Und es gibt solche, die so in einem durchgezogen werden.
00:08:32: Das kann es schon sein, das kann man aber nicht wirklich, also ich jedenfalls nicht planen, das ist manchmal so,
00:08:37: das liegt am Motiv oder an der Situation, die man sich gestellt hat.
00:08:41: Manchmal kommt das so ganz recht schnell aus einem raus und manchmal verlangt es doch ein bisschen so Überlegungen
00:08:47: und muss dann wieder umgebaut werden, da wären wir bei der Architektur zum Beispiel, die da auch wieder so eine Rolle spielt,
00:08:53: wie wird das so zusammengesetzt und nicht wo kommt man rein und wo ist ein Notausgang oder wo kann man raus schauen
00:09:01: und wo kann man die Tür zu machen.
00:09:03: Boris: Jetzt sitzt du ja gerade bei mir im Podcastgespräch und der Podcast ist ja auch ein digitales Medium.
00:09:10: Prinzipiell in deinem Buch geht es ja um ein Loch, das in einer Wand auftaucht.
00:09:17: Und dann steht, also ohne die Handlung ist da noch weiter erläutern zu wollen,
00:09:23: aber dann steht auf der Verlagseite, steht, "Zurzeit der Schneefälle" ist eine fein gezeichnete Parabel
00:09:31: auf die Überforderungen im digitalen Biedermeier unserer Gegenwart.
00:09:36: Und jetzt wollte ich dich einfach fragen, erstens mal.
00:09:38: Wie gefällt dir selber diese Formulierung? Findest du das stimmig? Was ist für dich ein digitaler Biedermeier?
00:09:43: Ich habe das schon so ein bisschen recherchiert, aber was verbindest du damit so? Auch emotional vielleicht?
00:09:49: Hanno Millesi: Also der Satz stammt nicht von mir, aber ich finde es ist halt so ein Versuch, etwas nicht ganz unkomplexe Story zusammenzufassen.
00:09:58: Und interessant finde ich ihn. Mir klingt da schon was an und ich finde, dass Biedermeier schon einen ganz guten Begriff.
00:10:04: Wir wollen das jetzt nicht das zu sehr strapazieren, das ist historische, aber sagen wir das Klischee, das wir mit dem Biedermeier manchmal verbinden,
00:10:10: das sich zurückziehen in seine eigenen vier Wände.
00:10:14: Dieses Loch in einer Wand zwischen zwei Wohnungen steht sozusagen im Mittelpunkt des Geschehens in meinem Buch.
00:10:28: Und es gibt allerdings auch einen Plot, der sozusagen eine fast schon ja rätselhafte Geschichte,
00:10:36: eine Geschichte, wo es um, und ich möchte jetzt auch nicht spoilern oder so, wo es um ein verschwundenes Bild geht und das wird sich dann irgendwie...
00:10:42: Und diese Story, dieser Plot ist sozusagen ausgekoppelt aus dem Geschehen meiner Protagonisten,
00:10:49: den verfolgen sie selbst über die Medien.
00:10:52: Dem bekommen sie mit was sozusagen zunächst mal Nachrichtensendungen, später dann Websites oder Newsgroups,
00:10:58: über dieses Phänomen, über diese Geschichte ihnen kolportieren.
00:11:03: Sie sind auch abhängig davon, was sie da für Informationen bekommen.
00:11:07: Sie sind abhängig davon, ob das die offiziellen Nachrichten sind oder dann immer mehr so dubiosere Seiten werden.
00:11:14: Und in diesem Fall sind meine Protagonisten dieser Story gegenüber so ähnlich wie wir Leser den Protagonisten in meinem Buch gegenüber sind.
00:11:23: Nicht wir verfolgen da auch etwas mit, was jemand ihnen erzählt.
00:11:26: Und das ist im digitalen.
00:11:28: Und so finde ich diese Formulierung, dass das digital ist eigentlich so was funktioniert als Außenwelt.
00:11:33: Das ist das, was geschieht auf der Welt, was diese Menschen in ihren Wohnungen sitzend halt mitkriegen.
00:11:39: Und insofern finde ich diesen Satz, ich könnte solche Sätze nicht machen, aber das, ich verwende Sprache ja auch anders.
00:11:46: Und ich finde ihn nicht unokay.
00:11:48: Boris: Er bringt eine gewisse Plastizität in das.
00:11:51: Hanno Millesi: In gewisser Weise.
00:11:52: Und es ist halt tatsächlich schwierig, das zusammenzufassen.
00:11:54: Das muss ich ehrlich zugeben.
00:11:55: Also weil es wird ja meistens diese zweite Geschichte ein bisschen weggelassen,
00:12:00: weil es im Mittelpunkt stehen halt diese Protagonisten, die mit diesem Phänomen Loch in ihrer Wohnzimmerwand zu kämpfen haben,
00:12:07: also zwischen zwei Wohnungen wohl gemerkt, sonst wäre es nicht so schlimm oder so merkwürdig
00:12:11: und würde nicht so viele Veränderungen in ihrem Alltagsleben auslösen.
00:12:15: Und diese zweite Geschichte spielt sich so, die ist so wie ausgekoppelt.
00:12:18: Das war auch die Idee in der in der Struktur, dieses Buches, das sozusagen die, ich möchte das nicht sagen Krimihandlung,
00:12:24: aber sowas ähnliches, dieser Spannungs-Suspense-Plot wird sozusagen auf eine andere Ebene gehoben.
00:12:31: Nämlich auf eine digitale verschoben.
00:12:34: Und so.
00:12:36: Und das ist nicht so leicht.
00:12:38: Ist mir auch wieder immer wieder aufgefallen, wenn man mich fragt, worum geht es in dem Buch,
00:12:41: dann muss ich auch so, ja, und dann darfst du nicht vergessen, es gibt eine zweite Ebene.
00:12:44: Und so gesehen finde ich das ganz gut zusammengefasst.
00:12:47: Boris: Also im Roman ist es ja so, dass Rainer, der Protagonist würde ich jetzt sagen,
00:12:54: eben seine Nachrichten ja aus dem Radio und aus dem Fernsehen zu einem gewissen Teil bekommt.
00:13:01: Jetzt stellt sich für mich so mit dieser, mit dieser Thematik, da zu Hause zu sein,
00:13:06: und mit Informationen versorgt zu werden.
00:13:08: Kommt dir vor, dass durch die Menge an Informationen, die man aus der ganzen Welt die ganze Zeit bekommt,
00:13:14: auch so diese Kategorie, dass man zum Beispiel beim Smartphone ständig so eine Eilmeldung bekommen kann.
00:13:21: Man muss sich schon einstellen, aber ständig gibt es Eilmeldungen.
00:13:24: Dass das den Sinn für die Realität verändert?
00:13:28: Hanno Millesi: Ich glaube, dass es den Sinn für die Realität verändert.
00:13:33: Das glaube ich schon.
00:13:35: Es ist ja auch eine neue Facette von Realität dazugekommen, sozusagen.
00:13:39: Und ich, das übrigens diese Überlegung in welchen Realitäten wir uns befinden,
00:13:45: ist ein wesentliches Thema meiner grundsätzlichen Arbeit.
00:13:48: Es kommt immer wieder vor, weil ich auch zum Beispiel künstlerische Arbeit
00:13:53: auch als eigene Realität parallel zur realen Realität auffasse.
00:13:58: Und ich will ja da, ich erfinde ja da auch eine neue Realität oder eine parallele Realität,
00:14:03: in der ich was erzielen möchte, damit Leute in der realen Realität das lesen
00:14:08: und dann vielleicht da irgendwelche Schlüsse ziehen oder irgendwas da, sich dabei denken.
00:14:11: Also ich glaube das schon, ich glaube allerdings, dass das tatsächlich immer weitergehen wird
00:14:16: und so ein Prozess ist, der nie aufhören wird.
00:14:20: Und ich kann das nicht skeptisch sehen, für mich ist es eine Evolution, das passiert so.
00:14:26: Dass es dann so Suchtfaktoren gibt, das glaube ich natürlich schon.
00:14:31: Und das ist auch so und da empfinde ich mich durchaus auch als anfällig dafür,
00:14:36: dass man dann so, ich kenn das ein bisschen, dass man dann so, da das halt immer verfügbar ist,
00:14:41: dann auch immer wissen will und dann jetzt mal das versäumt und ohje.
00:14:44: Weißt du, das kann ich mir, ich bin jetzt kein so ein richtiger Junkie, was das betrifft,
00:14:49: aber ich kann mir das schon sehr gut vorstellen.
00:14:51: Und ansatzweise verspür ich das auch und das wird natürlich krass ausgenutzt von Nachrichtenanbietern sozusagen.
00:15:00: Boris: Das heißt aber, du bist jetzt kein Zukunftskeptiker.
00:15:03: Würde ich jetzt daraus hören wollen vielleicht?
00:15:07: Hanno Millesi: Nein, also was das betrifft eher nicht.
00:15:12: In meiner künstlerischen Arbeit, würde ich das jetzt nicht sagen, ich bin da eher ein Beobachter
00:15:18: und stell halt gewisse Überlegungen an, wo gewisse Dinge hinführen könnten.
00:15:24: Und wer das jetzt als Warnung auffasst, das kann da schon drinstecken,
00:15:29: aber das ist jetzt nicht von mir mein Thematik, dass ich jetzt von so was ausgehe,
00:15:34: sondern ich eröffne so eine Art Spiel.
00:15:36: Und dieses Loch in der Wand ist ja auch so, z.T. entstehen ja so, dass man sich einmal die Situation wie eine Spielanleitung stellt.
00:15:44: Was passiert jetzt eigentlich, wenn das wäre, wenn da so ein bisschen absurde Situation in sehr geordnete Lebensverhältnisse eintritt?
00:15:52: Was könnte da jetzt alles passieren?
00:15:54: Das weiß ich am Anfang ja auch noch nicht genau und dann geht das los.
00:15:57: Und dann kommen da eben absurde, zum Teil witzige, zum Teil auch, weil sich Intimität verletzende, zum Teil Verlegenheitssituationen und problematische Dinge tun sich mitunter ein paar unangenehme Dinge.
00:16:11: Aber es gibt natürlich auch positive Aspekte dabei und das sehe ich dann auch und das liegt dann da.
00:16:16: Und wenn es dann tatsächlich zu einem Text wird, muss jeder selber auch, glaube ich, sich drin finden,
00:16:22: ob wovor er jetzt da, womit er da Probleme hätte oder was wie auch mein Protagonist, was ihm da auch eigentlich gefallen könnte, nicht dran unter gewissen Umständen.
00:16:31: Boris: Die Frage nach der Zukunft führt auch noch zu einer Frage, die wir relativ vielen Autorinnen und Autoren inzwischen schon gestellt haben.
00:16:39: Und zwar, wie schätzt denn du ein, dass das Thema AI künstliche Intelligenz sich auf die Literatur auswirken wird?
00:16:47: Hanno Millesi: Es ist ein Thema, über das man sehr viel spricht natürlich und sich immer wieder Gedanken macht und neue Facetten hört.
00:16:53: Ich glaube, also jetzt aus den letzten Gesprächen auch so, was ich dann dazu mir gedacht habe, ich bin ein bisschen zu dem Schluss gekommen, dass ich glaube, dass die weh,
00:17:03: dass was die künstliche Arbeit ausmacht, von einer künstlichen Intelligenz nie ersetzt werden kann, weil sie einfach so stark mit Fehlern und mit Absurditäten arbeitet,
00:17:16: dass das für meine Begriffe nicht reproduzierbar ist. Ich meine, es können täuschend ähnliche Dinge gemacht, aber das passiert ja auch schon.
00:17:23: Die Gefahr, die ich eher sehe, könnte sein, dass die Rezipienten, sprich Leser, Leserinnen oder Rezipienten von Kunstwerken sich so an die,
00:17:33: eine massentaugliche Ästhetik gewöhnen, dass sie sich sowieso lieber von einer künstlichen Intelligenz bedienen lassen.
00:17:40: Das könnte problematisch sein. Aber das, was immer Kunst war, glaube ich, kann eine künstliche Intelligenz nie adäquat reproduzieren.
00:17:50: Boris: Vielen Dank für das Gespräch. So, lieber Hanno, und jetzt würde ich dich zum Abschluss noch, wie immer, um einen Literaturtipp bitten.
00:17:58: Hanno Millesi: Sehr gerne. Ich habe zwei Bücher gerade. Ich lese immer so ein belletristisches Buch und dann auch so ein Sachbuch oder historisches Buch.
00:18:06: Das belletristische wäre mein Tipp von Andrea Winkler, "Mitten am Tag", jetzt auch im Frühjahr erschienen.
00:18:17: Und das sozusagen Sachbuch, in dem Fall eine Autographie, Thurston Moore, Frontman der Band Sonic Youth, hat kürzlich seine Autographie herausgegeben,
00:18:31: "Sonic Life", das sehr empfehlenswert. Boris: Ja, vielen Dank, lieber Hanno, das war ein tolles Gespräch.
00:18:38: Und ich freue mich schon auf den heutigen Abend auf der Bühne. Ich bedanke mich auch.
00:18:42: [Outro-Musik]
00:19:06: [Boris spricht] S'Vorwort ist eine Produktion der Stadtbibliothek Innsbruck und Teil der Stadtstimmen, dem Audiokanal der Stadt Innsbruck.
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