Innsbruck liest-Special: im Gespräch mit Autorin Valerie Fritsch ("Zitronen")
Shownotes
Schriftstellerin Valerie Fritsch spricht mit Boris über ihren Roman „Zitronen“ (Suhrkamp 2024). Im Gespräch beschreibt Valerie die intensive Recherche, die sie zum Schreiben des vorliegenden Buches bewegt hat. Als „Tetrisspiel der Wahrheit“ bezeichnet sie diesen Prozess. Im Buch geht es um Gewalt, in der Familie und in der Kindheit. Die Mutter leidet am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, die Gewalterfahrung des Sohnes bleibt über Jahre unsichtbar oder unberührt, der Vater ist körperlich gewalttätig, verlässt die Familie früh. Der Roman beschäftigt sich mit der Verwechslung von Gewalt und Liebe, und allen Arten der Gewalt, von „klein bis groß“. Der Roman wurde von einer Fachjury für die Aktion Innsbruck liest ausgewählt, in der im Sinne der Lese- und Kulturförderung 10.000 Exemplare kostenlos in der Stadt Innsbruck verteilt werden.
„Zitronen“ von Valerie Fritsch (Suhrkamp): https://www.suhrkamp.de/buch/valerie-fritsch-zitronen-t-9783518431726
„Zitronen“ gibt’s auch in der Stadtbibliothek: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/106310
Valeries Literaturtipp: „Umlaufbahnen“ von Samantha Harvey: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/113789 (Deutsch) https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/112255 (Englisch)
svorwort #innsbruckliest #gemeinsambesserlesen #stadtstimmen
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00:00:00: [moduliert] Vorsicht, der Genuss dieses Podcasts kann zu vermehrten Bibliotheksbesuchen führen. [moduliert]
00:00:07: Boris: "Zitronen" von Valerie Fritsch ist 2024 bei Suhrkamp erschienen.
00:00:15: August Drach wächst in einem Haus am Dorfrand auf, dass Hölle und Paradies zugleich ist.
00:00:22: Der Vater von sich und dem Leben enttäuscht, misshandelt seinen Sohn,
00:00:27: Zärtlichkeit hat er nur für die Hunde übrig.
00:00:30: Trost findet August bei seiner Mutter, die ihn liebevoll umsorgt.
00:00:35: Doch als der Vater die Familie verlässt, verwandelt sich die Zuwendung der Mutter.
00:00:40: Sie mischt August heimlich Medikamente ins Essen, schwächt das Kind, macht es krank.
00:00:46: Von seiner Pflege verspricht sie sich Aufmerksamkeit und Bewunderung.
00:00:51: Erst Jahre später gelingt es August, sich aus den Fängen der Mutter zu befreien.
00:00:56: Ein unabhängiges Leben zu führen, erste Liebe zu erfahren.
00:00:59: Doch wie lernt ein erwachsener Mensch das Rätsel, einer Kindheit zu lösen,
00:01:04: in der Grausamkeit und Liebe untrennbar zusammengehören?
00:01:08: Wie durchbricht er den Kreislauf von Lügen und Betrügen?
00:01:12: Und was passiert, wenn sich dieser Mensch Jahre später an den Ursprung des Schmerzes zurückwagt?
00:01:21: [Intro-Musik]
00:01:35: Hallo und herzlich willkommen zurück beim Vorwort "Kurz und Schmerzlos".
00:01:41: Heute mit Valerie Fritsch und mein Name ist Boris Schön.
00:01:46: Ja, Valerie. Schön, dass du da bist. Freut mich sehr.
00:01:49: Valerie: Ja, danke für die Einladung.
00:01:51: Boris: Wie immer würde ich dich als erstes bitten, dich kurz vorzustellen.
00:01:55: Valerie: Das ist ganz simpel. Ich bin Valerie und ich bin Schriftstellerin. [Boris lacht leise]
00:01:59: Boris: Du bist ja die diesjährige Innsbruck-Liest-Autorin und ich frag dich jetzt einfach:
00:02:05: Hast du von der Aktion vorher schon mal gehört oder war das komplett neu für dich?
00:02:09: Valerie: Tatsächlich kannte ich das aus anderen Städten, weiß nicht woher.
00:02:12: Dass es Innsbruck auch macht, wusste ich nicht.
00:02:14: Und als ich dann die Mail bekommen habe, habe ich mich sehr altmodisch gefreut
00:02:19: und war überrascht und fand es sehr schön, dass ich das sein darf.
00:02:23: Hast du das Gefühl, du bist eine Autorin, die für eine Auflage in einer kleinen Stadt für 10.000 Bücher
00:02:29: oder empfindest du dich als Autorin für so eine Aktion?
00:02:32: Ich weiß nicht, ich habe mir das immer so gedacht. Wie empfindet man das?
00:02:35: Also gibt es Autoren, die sich dafür nicht bereit empfinden
00:02:38: oder nicht das richtige Genre schreiben oder die falsche Geschichte?
00:02:42: Ich fand es überraschend, weil es doch ein komplizierter anspruchsvoller Text ist.
00:02:46: Der auch sich mit diesem Gewaltthema in sehr vielen verschiedenen Schattierungen befasst.
00:02:51: Deswegen fand ich es eigentlich eine recht mutige Wahl für so ein großes Verteilprogramm.
00:02:55: Und auch besonders schön, dass man sich das zutraut und auch den Lesern, den potentiellen, und den Leserinnen zutraut.
00:03:01: Boris: Ja, das finde ich auch toll, ja.
00:03:03: Ich finde es sehr gut, dass sich die Jury dieses Jahr sich für dich entschieden hat.
00:03:09: Gestern war ja schon die Auftaktveranstaltung und heute, du kommst jetzt gerade von einer Signierstunde.
00:03:16: Wie waren da so die ersten Eindrücke für dich in Innsbruck jetzt mit den Leserinnen und Lesern?
00:03:21: Valerie: Sehr schön, es war ganz lebhaft und voller Resonanz.
00:03:24: Viele Menschen sind danach noch gekommen und haben mir ihre eigenen Geschichten erzählt.
00:03:29: Teilweise ganz heimlich hinter der Hand, ihre eigenen Gewalterfahrungen, Sachen, die ihnen passiert sind.
00:03:35: Und das ist immer ... sind Momente großer Vertraulichkeit, die dann ganz plötzlich, obwohl man sich ja fremd ist,
00:03:41: eigentlich entstehen durch so ein Buch oder durch so eine Aktion, durch so eine Öffentlichkeit.
00:03:45: Und das ist immer besonders schön eigentlich, weil es so unvermutet ist, das man Platz hat in dieser Welt dafür.
00:03:51: Boris: Du hast in einem Gespräch, ich weiß nicht mehr, ich glaube auf der Buchmesse oder so, ich habe mir es in einem Podcast angehört,
00:03:59: hast du gesagt, dass du dich eigentlich versucht hast, dem Thema Gewalt zu nähern oder diesem Phänomen Gewalt zu nähern,
00:04:05: weil sie die so selber so fremd war [Valerie macht ein zustimmendes Geräusch], sag ich jetzt mal vermutenderweise.
00:04:11: Also die eine Frage, was hast du dabei herausgefunden?
00:04:14: Und die andere Frage, wie hat sich das dann auf dieses Buch ausgewirkt?
00:04:17: Valerie: Ja, tatsächlich war der Ausgangspunkt, dass Gewalt und die ubiquitäre Gewalt überall passiert,
00:04:24: etwa ständig liest man es in der Zeitung,
00:04:26: und immer sagt man den schönen Satz: "Das kann ich mir gar nicht vorstellen", dass das passiert oder dass das jemand macht.
00:04:32: Deswegen hatte ich das Gefühl, es ist mir so fremd und fern und ich muss mich dem irgendwie annähern, damit ich es besser verstehe.
00:04:38: Und dann habe ich begonnen, Stück für Stück, also mit Fachliteratur, und dann
00:04:41: mit diesen sehr, sehr vielen Gesprächen mit Betroffenen, mit den Gewaltopfern, mit den Gewalttätern und den Mördern,
00:04:48: Stück für Stück, soweit man das eben kann, es ist ja immer nur eine Annäherung dem nahe zu rücken.
00:04:55: Und schlussendlich hatte ich natürlich kein Verständnis für die Tat, aber ich habe es besser verstanden.
00:05:00: Die vielen Geschichten und die Essenzen davon haben mir irgendwie mehr über Gewalt erzählt
00:05:06: und auch über unsere Gesellschaft und auch über die Sprachlosigkeit und wie viele Menschen auch Liebe mit Gewalt verwechseln,
00:05:13: ist mir erst danach richtig klar geworden.
00:05:16: Und der schönste Satz ... oder "der schönste Satz", der [betont] schrecklichste Satz, der praktischste Satz dazu, was ist Gewalt
00:05:22: und warum passiert Gewalt? "Gewalt ist häufig eine praktische Lösung für ein unpraktisches Problem."
00:05:28: So haben mir das die Mörder beschrieben.
00:05:31: Boris: Entschuldige die Frage, ich hoffe, sie ist okay, aber hat es dich auch verändert dieser Prozess?
00:05:35: Valerie: Er hat mich auf jeden Fall angerührt, er hat mich nicht losgelassen.
00:05:41: Gerade auch in anderen Recherchen, die ich in den letzten Jahren oder im letzten Jahrzehnt gemacht habe,
00:05:47: ist man immer wieder gut ausgestiegen, auch wenn es trotzdem intime Themen waren, aber man hat eine gewisse Distanz behalten.
00:05:53: Das war mir in dieser Recherche gar nicht möglich, weil man sitzt mit Menschen zusammen, die plötzlich tagelang oder Nachmittage lang
00:06:00: auf engstem Raum, die ihren schlimmsten Schmerz erzählen oder die größte Verzweiflung ihres Lebens,
00:06:06: Geschichten, die eigentlich nicht anschlussfähig sind, weil keiner kennt sie.
00:06:09: Und wenn dann eine Frau, die gegenüber sitzt, die einen Femizidversuch überlebt hat und dir darüber berichtet,
00:06:16: dann kann man da nicht mehr zurücktreten.
00:06:18: Und tatsächlich sind mir einige meiner GesprächspartnerINNEN, vor allem nicht nur als journalistischer,
00:06:25: schriftstellerische, professionelle Gesprächspartner, Interviewpartner, übergeblieben, sondern auch als Freunde zugewachsen.
00:06:32: Da konnte man diese Grenze nicht mehr aufstellen und ich wollte es auch nicht.
00:06:36: Und ich habe mir immer gedacht, sie sollen in meinem Leben bleiben und wenn man ihnen auch irgendwie noch hilfreich sein kann,
00:06:41: dann will ich das auch machen. Und dann scheiße ich auch diese ganze Distanz. [lacht]
00:06:46: Boris: Das Berufliche, das dann zum Privaten wird, ein bisschen?
00:06:49: Valerie: Das ist mir in dem Fall wirklich passiert, aber ich denke auch im schönsten Sinne, wenn man sich dann auch angreifen lässt davon, ja.
00:06:58: Boris: Jetzt nochmal zurückzukommen auf die, also quasi nach diesem Rechercheprozess.
00:07:03: Wie ist es dann losgegangen mit dem Buch?
00:07:05: Hast du dann im Zuge diese Recherche eine Geschichte für dich im Kopf gehabt oder wie kann ich mir das vorstellen?
00:07:12: Valerie: Ich wollte im Rechercheprozess, war mein erklärtes Ziel, ein bisschen klüger zu werden natürlich.
00:07:17: Irgendwie näher heranzurück, mehr davon zu verstehen.
00:07:22: Und in dem Punkt, wo ich dann das Gefühl habe, ich habe ein bisschen was davon erfasst und bin der Essenz ein bisschen näher gerückt,
00:07:27: beginne ich dann zu schreiben.
00:07:29: Und baue aus den vielen, vielen kleinen wahren Geschichten oder Teilgeschichten und Baustücken, eine fiktionale Geschichte.
00:07:37: Und das ein bisschen wie ein Tetris-Spiel der Wahrheit, die dann zusammengebaut wird.
00:07:40: Stück für Stück beginne ich dann zu schreiben und irgendwann tritt der große Wahnsinn ein und ich
00:07:46: bin fertig und das ist dann auch gut so. [lacht leise] - Boris: Und hast du dann das Gefühl, du hast so, du spürst
00:07:50: es richtig so, jetzt ist es gesagt? Jetzt ist es gesagt, ja das weiß ich ganz genau. Da spürt
00:07:56: man jetzt kullert der letzte Satz aus einem raus, keiner zu viel, keiner zu wenig. Da muss man ja
00:08:01: immer aufpassen. Ich habe es eher gern knapp. Ich sage lieber, im Zweifelsfall zu wenig als
00:08:06: zu viel und das weiß ich dann auch ganz genau und das ist dann auch erleichternd, wenn man merkt,
00:08:11: man hat das Ende erreicht davon, jahrelange Arbeit, in der man sich so viel mit diesem Thema
00:08:17: beschäftigt hat. Gewalt hat sozusagen jahrelang meinen Alltag und auch den von meiner Familie
00:08:22: dominiert im Gespräch und dann war das vorbei und das ist auch ein guter Moment und auch ein
00:08:27: gespenstischer, weil ein bisschen vermisst man es, glaube ich, weil man ja so tief eingedrungen
00:08:31: in diese Materie. - Boris:Da habe ich jetzt zwei Fragen noch dazu. Die eine ist dann so, wie ist es für
00:08:36: dich dann dieser Moment, wenn du das Buch sozusagen aus deinen Händen gibst und weiß nicht oder lesen
00:08:43: während des Prozesses schon Leute das Buch oder ist das so, weißt du wie ich meine, dass du so,
00:08:47: wie du jetzt sagst, du beschäftigst dich jahrelang mit etwas und dann ist es fertig und [Valerie, zeitgleich: Dann
00:08:52: muss man es hergeben] und dann kriegt man ja, ich weiß nicht, hast du dann freust du dich auf die
00:08:56: Resonanz oder hast du Angst, dass die vielleicht oder wie ist das, ist das ein durchwachsendes Gefühl?
00:09:02: Das ist ein durchwachsenener Prozess. Also während des Schreibens liest nur mein Mann als Erstleser immer
00:09:07: wieder Teile mit. Meine Lektorin bekommt es eigentlich erst am Schluss, wenn ich fertig bin
00:09:11: und wenn dann wirklich ein Buch fertig ist und rausgeht und publiziert wird und diese
00:09:16: Schnittstelle in die Öffentlichkeit stattfindet, ist es natürlich immer eine große Preissgabe,
00:09:20: wo man nicht weiß, was einem passiert. Das kann sehr grausam sein. Auch das größte
00:09:26: Lob kann grausam sein, wenn man immer so in der Öffentlichkeit steht und man ist eben einfach ...
00:09:31: da auch so eine Form der Ausgeliefertheit als Autor, wenn alles drin steckt und dann wird
00:09:36: befunden, ob das gut oder schlecht oder genau oder ungenau ist. In dem Fall war es aber ganz
00:09:42: speziell, weil mir so viele Menschen ihre intimen Geschichten erzählt hatten. Da war mein größtes
00:09:47: Anliegen, dass sich diese Leute, auch wenn sie nur in einem Halbsatz irgendwie ihre eigene Geschichte
00:09:52: oder ihren eigenen Schmerz entdecken, dass die sich gut repräsentiert fühlen, dass die finden,
00:09:58: ich habe präzise gearbeitet, dass die sich drin erkannt fühlen und das war mir sehr wichtig.
00:10:03: Das hat wunderbar funktioniert und so war das größte Kompliment bei diesem Buch auch nicht die
00:10:08: Kritik im Feuilleton, sondern dass in Österreich viele Kindergewaltschutzzentren begonnen haben,
00:10:14: dieses Buch auch in ihre Fachlektüre aufzunehmen, weil sie gefunden haben, es ist so ein gutes
00:10:20: Schlüsselloch, um in solche Gewaltgeschichten und von gewaltgeprägten Kindheiten ganz nahe
00:10:25: hineinzuschauen. Und das hat mich wirklich gefreut. - Boris: Hattest du schon mal die Erfahrung,
00:10:31: dass du einen Text geschrieben hast und er ist nie fertig geworden und du hast du das Gefühl,
00:10:35: gehabt, das funktioniert nicht oder hast du bis jetzt alle deine Schreibprozesse für dich
00:10:39: immer abschließen können? - Valerie: Ja, natürlich passiert das. Das weiß man auch ganz genau,
00:10:43: weiß man, dass das nichts ist. [lacht] Das ist ein Blödsinn, der nicht funktioniert und dann muss man es
00:10:47: schonungslos und einfach ohne zurückzuschauen löschen. - Boris: [lacht] In den Schredder. - Valerie: In den Schredder,
00:10:54: weg damit, runterspülen, nie wieder dran denken, auch nicht aufheben, denke ich. Da muss man sich
00:10:59: wirklich total davon verabschieden. Das wird einfach nicht besser, wenn es nicht funktioniert.
00:11:04: Boris: Noch mal um auf das Gewaltthema zurückzukommen. Ich habe ja immer so ein bisschen das Gefühl,
00:11:10: dass Gewalt doch männlich ist. - Valerie: Ja. - Boris: Würdest du das ... - Valerie: Nicht nur, aber ich fürchte überwiegend
00:11:17: stimmt es. Also die Zahlen und Fakten sagen, die meisten schweren Gewaltdelikte, in häuslicher
00:11:23: Gewalt und überhaupt auch in Tötungsdelikten gehen von Männern aus. Das heißt nicht,
00:11:27: dass es nicht auf gewalttätige Frauen gibt, das möchte ich gar nicht sagen, aber es ist in der
00:11:31: Proportionalität eine ganz ganz andere. - Boris: Und trotzdem hast du ja jetzt in dem Buch schon eine Frau,
00:11:38: eine Mutter, die ja auch Gewalt verübt. Also wenn man also eine andere Motivation heraus,
00:11:43: war dir das wichtig, dass du dir gedacht hast, da muss auch ein weiblicher Teil drin sein?
00:11:47: Valerie: So habe ich es gar nicht angelegt. Mich hat dieses Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom eigentlich
00:11:52: vor allem deswegen interessiert, weil es so wunderbar exemplarisch ist für die Verwechslung von
00:11:58: Gewalt und Zuneigung. Also von Gewalt und Zärtlichkeit, von Gewalt und Liebe. Das ist eine ganz perfide
00:12:03: Form dieses Sich-Kümmerns. Und das schaut aus wie die große Liebe, wie die große Bekümmerung. Und
00:12:10: eigentlich ist es eine ganz ganz gemeine Form von Gewalt, damit dieses Kümmern erst stattfinden
00:12:15: kann. Und das wird, glaube ich, sehr, sehr oft in ganz verschiedenen Beziehungskonstellationen
00:12:20: oft auch zwischen Männern und Frauen in romantischen Beziehungen verwechselt. Dass das eine zum
00:12:24: anderen führt und das eine das andere verdeckt und das eine das andere rechtfertigt. Und so fand
00:12:30: ich es sehr exemplarisch und wollte in dem Buch generell ganz viele verschiedene Formen von
00:12:34: Gewalt-Phänomenen. Von A bis Z, von klein bis groß, von exotisch bis normal, irgendwie ein bisschen
00:12:40: beleuchten. - Boris: Was im Roman hier auch auftaucht und eigentlich finde ich eine so eine wichtige Rolle
00:12:46: spielt, sind ja Hunde. Wie bist du auf die Hunde gekommen? - Valerie: Ja, ich bin generell eine große Tierliebhaberin.
00:12:53: Ich würde am liebsten mit ganz vielen Tieren leben und kann auch keinem Tier widerstehen.
00:12:57: Das hat mich sehr beschäftigt. All diese Tiergeschichten natürlich haben Tiere mit ihren Hundenblicken
00:13:03: und ihrem Verständnis. Und das ist so leicht sie zu lieben. Viele Menschen, die mit
00:13:07: Menschen Probleme haben, stürzen sich ja dann ganz aufs Tieren. Und das fand ich sehr schön
00:13:12: einzubetten eigentlich in dieses Zärtlichkeitsphänomen. Man sagt ja auch immer "böse Menschen brauchen
00:13:19: Hunde, die sie heimlich lieben". - Boris: Ja, vielen Dank für deine Antworten und auch die Einblicke
00:13:27: in dieses Buch sozusagen von außen. Ich kann es ja allen nur empfehlen zu lesen und es sind vielleicht
00:13:34: noch ein paar Exemplare vom Innsbruck liest-Buch unterwegs. Sonst muss man es sich von wem anderen
00:13:39: ausleihen oder dann doch noch mal kaufen gehen. Und würde gerne zum Schluss wie immer dich darum
00:13:45: bitten, dass du einen literarischen Tipp oder einen Buchtipp für unsere Zuhörerinnen und
00:13:50: Zuhörer gibst. - Valerie: Ich habe gerade begonnen zu lesen, ich bin noch nicht fertig, aber es ist wunderschön,
00:13:56: sehr verdichtet, auf Englisch: "Orbital" von Samantha Harvey. Der letztejährige [Anm. d. Red.: Men] Booker Prize. Und ich habe gerade nachgeschaut,
00:14:05: es gibt es auch in der Übersetzung, da heißt es "Umlaufbahnen". Ein ganz schmales Büchlein über
00:14:09: einen Tag im Weltraum. Sehr, sehr poetisch, sehr, sehr dicht, sehr tiefgreifend. Es springt einem
00:14:16: wenn man Sprache liebt und für große Gedanken direkt ans Herz, kann ich allen die so was mögen
00:14:21: sehr, sehr, sehr empfehlen. - Boris: Ja, vielen herzlichen Dank. Und ich freue mich schon auf die heutige
00:14:27: Veranstaltung, die wir dann noch haben im botanischen Garten. Und hoffe, die Aktion klingt
00:14:31: spannend aus, so wie sie angefangen hat. - Valerie: Ich freue mich auch. - Boris: Danke dir. [Outro-Musik]
00:14:35: [Boris spricht] S'Vorwort ist eine Produktion der Stadtbibliothek Innsbruck und Teil der Stadtstimmen,
00:15:05: dem Audiokanal der Stadt Innsbruck. [Boris spricht]
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