Emma - Jane Austen

Shownotes

S’Vorwort ist zurück! Es herbstelt, und wie jeder Buchliebhaberin weiß heißt das eins: Zeit für Tee, die Packung Kekse die man eigentlich noch im Schrank liegen lassen wollte, und ein gutes Buch – und weil’s so früh dunkel wird, geht sich mindestens auch noch ein Film aus. In der heutigen Folge sprechen Pia und Christina über Jane Austens Roman _Emma _sowie zwei berühmte Verfilmungen des Stoffes: _Emma _aus dem Jahr 1996 unter der Regie von Douglas McGrath mit Gwyneth Paltrow in der Hauptrolle sowie die 2020-Version von Autumn de Wilde mit Anya Taylor-Joy als Titelheldin. Pia ist der Ansicht, dass es kein besseres Herbstbuch gibt als einen Austen-Roman … Christina dagegen sieht das ziemlich anders, und schlägt sogar vor, dass nicht nur Emma-Verfilmungen ein Ende finden müssen, sondern sogar die Institution der Ehe?! Emma bietet in jeder Ausführung auf jeden Fall eine gute Diskussionsgrundlage, denn Austens Protagonistin ist nichts wichtiger, als alle um sich herum zu verkuppeln und in den vermeintlich (finanziell) sicheren Hafen der Ehe zu schicken …

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Emma gibt’s in der Stadtbibliothek:

Deutsch: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/44945 https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/16679

Englisch: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/29239

Filme: Douglas McGrath: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/102911

Autumn de Wilde: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/62102

Transkript anzeigen

00:00:00: [Intro-Musik] [Weibliche Stimme] In Jane Austen's "Emma", erst veröffentlicht im Jahr 1815, versucht die namensgebende Titelheldin,

00:00:21: die Personen in ihrer Umgebung miteinander zu verkuppeln.

00:00:23: Und bleibt dabei nicht nur erfolglos, sondern muss am Ende einsehen, dass ihre Einmischungen

00:00:29: in das Liebes- und Heiratsleben anderer Leute letztlich nur zu Irrungen geführt hat.

00:00:33: Emma ist eine rare Protagonistin für Austen. Denn nicht nur ist sie voller Charakterfehler,

00:00:39: sondern selbst dank ihres Vaters vermögend und anfangs gar nicht an einer Heirat interessiert.

00:00:44: Das ändert sich, wie bei Austen üblich, wenn Emma einsieht, dass sie den Freund der Familie,

00:00:50: Mr. Knightley, liebt und von ihm am Ende auch einen Heiratsantrag bekommt. Pia: Ja, hallo und herzlich

00:00:59: willkommen zum Vorwort. In der heutigen Folge stellen wir uns die Frage, warum wir Geschichten wie Emma

00:01:07: immer noch mögen und ob wir sie in einer emanzipierten Welt, wie der heutigen [lacht kurz], überhaupt noch

00:01:12: weiterrezipieren sollten. Dafür haben wir nicht nur Emma gelesen, das ja 1815 geschrieben

00:01:18: worden ist, sondern sogar zwei Verfilmungen geschaut. Einmal Emma aus dem Jahr 1996 mit

00:01:25: Gwyneth Paltrow in der Hauptrolle und Emma aus dem Jahr 2020, die neuere Version mit Anya Taylor-Joy.

00:01:32: Ja, hallo Christina. Christina: Hi Pia. Gleich vorweg, ich war diejenige, die die Frage gestellt hat und

00:01:42: [längere Pause] ich sage nicht, dass man einen Klassiker der Weltliteratur wie Emma nicht lesen soll, weil es

00:01:53: keinen Mehrwert mehr hat, sondern ich frage mich, warum muss man Film nach Film nach Film über Emma

00:02:02: machen, weil ich finde, dass es in der Zeit stehen geblieben und wir leben nicht mehr im Jahr 1815.

00:02:12: [längere Pause] Pia: Kann die Frage verstehen. Wobei so viele Emma-Verfilmungen [lachend] gibt es jetzt auch nicht.

00:02:18: Christina: Sicher, da gibt es noch die eine mit der Kim Basinger. Nein... Es gibt auf jeden Fall noch mindestens

00:02:24: eine, wo die Emma Brünette ist. Pia: Mit der Kate Beckinsale, das gibt es. Christina: Kim Basinger, Kate Beckinsale. [Pia lacht]

00:02:33: Pia: Eine Brünette halt [lacht]. Christina: Aber beide mit K und B, die Initialen stimmen. Pia: Das stimmt.

00:02:36: Christina: Ja, Gwyneth Paltrow und hier Anya Taylor-Joy und ich wette mit dir jetzt um einen Pausentee.

00:02:49: In 2030 gibt es die nächste Verfilmung von Emma. Vielleicht dann mit einer "People of Color"-Besetzung [engl. Menschen von Farbe].

00:03:00: Pia: Durchaus möglich. [lacht] Die Wette würde ich jetzt nicht eingehen wollen [lacht].

00:03:06: Christina: Weil wie heißt jetzt die eine Netflix-Show? Hilf mir. 

00:03:10: Wo sie, die Princess Charlotte...

00:03:14: Pia: Ah, ehm, so. Bridgerton! Christina: Ja, weil in Bridgerton ist ja im Grunde, das ist ja eigentlich, ist Bridgerton nicht Jane

00:03:22: Austen auf Steroiden mit "more political correctness" [engl. mehr politischer Korrektheit]?

00:03:27: Pia: Na ja, das kann man jetzt generell nicht über Bridgerton sagen, weil wenn man jetzt die Bücher

00:03:32: anschaut oder liest [lacht] von Bridgerton, die sind schon sehr Stereotyp und auch alle weiß,

00:03:39: also, das hat spezifisch die Netflix-Verfilmung gemacht. Also das kann man jetzt mit den Büchern

00:03:45: anders... Christina: Aber das ist jetzt das Gleiche, oder? Du hast nur weiße Mittelklasse Protagonist:innen,

00:03:51: die irgendwelche Liebesprobleme haben und dann kommen halt Filmemacher und denken sich,

00:03:55: na gut, jetzt nehmen wir den Stoff. Und bei Bridgerton muss man ihm ja noch zugutehalten,

00:03:59: dass sie es in die heutige Zeit übersetzen und so irgendwie die Missstände von dieser

00:04:06: alten, oder in dem, vom Bridgertons Falle, nicht ganz so alten Literatur aufzeigen, hey, es gibt

00:04:12: auch noch mehr als nur weiße Mittelstandsprotagonist:innen.

00:04:16: Pia: Wobei, ich würde sagen, die gehen da schon sehr auf in dieser Welt von der "Regency Era" [engl. Regentschaftszeit],

00:04:26: im Gegensatz zu Jane Austen, die das ja nicht... das war ja ihre Welt, also für sie ist es

00:04:31: ja jetzt Zeit für Austen. Und das ist jetzt wirklich so ein so "Eskapismus" [Flucht vor der Realität], so ich kann

00:04:39: mich in die Vergangenheit flüchten und da leben. Und das ist also die Welt an sich wird

00:04:45: da jetzt nicht so kritisiert, muss man sagen. Christina: Meinst du deswegen gibt es auch immer wieder

00:04:50: Emma-Verfilmungen, weil das, dass man den Stoff nicht in Ruhe lassen kann, eben weil

00:04:56: es diesen Eskapismus-Charakter hat, dass man da in diese Vergangenheit eintaucht?

00:05:01: Pia: Mh, das kann sicher sein. Man muss ja auch sagen, dass die Verfilmungen einen sehr großen Fokus

00:05:09: auf die Liebesbeziehungen und viel weniger auf den Humor machen, also generell aus den

00:05:14: Verfilmungen, jetzt nicht nur spezifisch auf Emma bezogen. Gerade wenn man sich ältere

00:05:20: anschaut, ich glaube bei den Neueren ist es auch eher so, dass man schaut, okay, ich will

00:05:24: diesen Humor und diese Gesellschaftskritik drinnen haben. Das sieht man auch bei Anja Taylor-

00:05:28: Joy. Aber bei den älteren Verfilmungen ist es schon so sehr oft so, dass man die Liebesgeschichte

00:05:34: rauspickt und vielleicht hat man noch eine lustige Figur, lässt man vielleicht drinnen.

00:05:39: Aber halt viel, viel weniger Humor, finde ich, als jetzt im Buch vorhanden ist. Weil Jane Austen's

00:05:44: Bücher sind ja, sie hat durchgehend so einen ironischen Stil. Dieser berühmte erste Satz

00:05:49: in "Stolz und Vorurteil". Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Junggeselle

00:05:55: im Besitz eines schönen Vermögens sich nichts mehr wünschen muss als eine Frau. Und das

00:06:00: ist schon so fängt sie den Roman an. Und das ist dieser gesellschaftliche Blödsinn,

00:06:05: der uns eingetrichtert wird, okay, das muss so sein. Und da so geht sie in das ganze rein,

00:06:11: Austen. Christina: Austen ist... Pia: Und das sieht man in den Verfilmungen oft nicht, muss man sagen.

00:06:16: Christina: Ich meine, wir haben schon ganz viel auch privat darüber geredet, weil du Jane Austen

00:06:23: sehr gerne liest und ich nicht, so dazu komme an die ganze Geschichte. Und Jane Austen schreibt

00:06:32: natürlich ironisch und da gibt es vielleicht, ich meine, es geht immer um den Heiratsmarkt

00:06:37: und um, wie wichtig das für diesen kleinen Ausschnitt, des gesellschaftlichen Mittelstands,

00:06:46: den sie ja selber auch gelebt hat, ist für eine Frau damit, um überleben zu können.

00:06:51: Du konntest es, hast du mir ja sogar gesagt, dass sie diese Frauen konnten nicht arbeiten

00:06:56: gehen, die also nur in ganz, ganz speziellen Positionen, die hatten keine Möglichkeit,

00:07:01: Karriere zu machen. Die waren quasi davon abhängig, dass sie einigermaßen gut verheiratet worden

00:07:08: sind an einen Mann, der Geld oder Mittel hatte, um das gemeinsame Leben zu finanzieren. Und

00:07:15: war dann aber auch davon abhängig, dass dieser Mann in der Lage war, diese Mittel zu halten

00:07:19: und eben einfach für sie. Pia: Und eben ausgesetzt im Grunde.

00:07:23: Christina: Genau. Aber es gab da keine andere Möglichkeit und das hat Austen halt skizziert. Und das

00:07:29: kann ich verstehen. Und ich verstehe sogar [lacht kurz] wieso man das noch lesen mag oder vielleicht

00:07:36: sogar sollte, weil es ja, wie jede Literatur irgendwie auch ein Abbild ist von einem kleinen

00:07:44: Teil, einer nichts desto trotz relativ privilegierten, im Gegensatz zu vielen anderen Gesellschaftsschichten,

00:07:51: privilegierten Gesellschaft. Und aber auch aufzeigt, wie unterprivilegiert diese Frauen waren.

00:07:59: Und das ist auch... Und sie schreibt es natürlich auch. Also [längere Pause], sehr witzig. Sie macht es schon sehr geschickt.

00:08:11: Aber ich weiß nicht, für mich hat es auch, also die 2020er Version von Emma, die ja auch

00:08:21: im Titel ist ja, das ist ja alles in Großbuchstaben, dann hast du dann den Punkt Emma Punkt. So

00:08:27: als wäre es, also diese definitive Version von dieser Figur und von Autumn de Wilde in

00:08:36: der Regie, war auf jeden Fall poppiger, knackiger. Du hast dieses, ich finde teilweise Bühnen-

00:08:41: hafte gehabt. Das war auf jeden Fall sehr unterhaltsam. Pia: Wir haben ja auch schon gesagt hat,

00:08:47: es hat uns ein bisschen an Wes Andersen, diese typische Gesellschaftskritik, dass alles so

00:08:51: gestellt ist und so gekünstelt, hat uns dran erinnert. Christina: Ich hab trotzdem noch, es ist halt

00:08:57: so ein bisschen, es ist die gleiche Erzählung der gleiche Stoff von diesen, modernisiert

00:09:06: aufbereitet. Es ist von Frau braucht Liebe, um vervollständigt zu werden und wir bedienen

00:09:14: uns am Stoff von einer Jane Austen, die halt 1815 das einmal geschrieben hat und nehmen

00:09:19: das als Grundlage und bereiten das auf und bereiten das auf und bereiten das auf und

00:09:24: das bis in alle Ewigkeit. Und ich hab da ein tolles Zitat von Emilia Roig gelesen,

00:09:32: die das Buch mit dem vielsagenden Titel "Das Ende der Ehe" geschrieben hat. Und die sagt

00:09:40: [Christina zitiert Roig] "Romantische Narrative sind die zentralen Instrumente der Unterdrückung des Patriachats

00:09:44: geworden" und bringt das auf den Punkt, was mein Problem ist, nämlich du bereitest immer

00:09:52: und immer und immer wieder das auf für ein neues Publikum, um dieses Narrativ weiter

00:09:59: aufrecht zu erhalten, wie wichtig Liebe ist und auch wenn es dann halt lustig ist und

00:10:04: wenn Anja Taylor-Joy eine tolle Schauspielerin ist und wenn es dann halt ein bisschen Humor

00:10:10: gibt, ändert das für mich irgendwie nichts dran, dass es ja trotzdem wieder, dass das

00:10:15: wieder der Punkt ist.

00:10:17: Pia: Kann ich absolut verstehen und natürlich gibt es einiges zu kritisieren. Ich meine, das

00:10:21: ist bei älterer Literatur oft meistens der Fall [lacht kurz], vor allem eben wenn es um Liebes- und

00:10:27: Beziehungsgeschichten geht, die haben meistens dieses Happy End oder eben auch nicht, dann

00:10:32: hat man halt diese "Fallen Woman" [engl. gefallene Frau], die das eben nicht schafft oder die ganz aus dem Stereotyp

00:10:37: rausfällt.

00:10:38: Das kann ich... Christina: Ja das ist es, die Madonna oder die Hure.

00:10:41: Pia: Genau, es gibt nichts dazwischen und das kann ich absolut verstehen, aber ich finde es

00:10:47: dann schade, wenn man so Sachen in so eine Ecke stellt und dann sagt, okay, das ist jetzt

00:10:51: so und man kann gar nichts Positives mehr draus gewinnen, weil ich finde schon, dass

00:10:55: Austen einen Mehrwert hat. Also sicher, man hat diese Stereotype, Genderstereotype, Stereotype Handlung

00:11:01: auch, aber ich finde, man kann einiges aus ihr gewinnen. Es ist auch, es ist auch ein

00:11:07: Zeitzeugnis, wie das damals war, weil für sie ist es auch eine Darstellung von ihrer

00:11:12: damaligen Gesellschaft. Sicher macht sie sich auch darüber lustig, aber sie kritisiert

00:11:17: sie ja auch und sie gibt den Frauen in ihren Geschichten, muss man auch immer sagen, sehr

00:11:22: viel Entscheidungsmöglichkeiten, was eben zur damaligen Zeit schon außergewöhnlich war und wo sie

00:11:29: auch gegen die Norm gegangen ist. Ihre Protagonistinnen sind immer diejenigen, die sich entscheiden

00:11:34: müssen und das sind nicht die Männer, die die Entscheidung für sie treffen. Und das

00:11:38: sieht man auch bei Emma. Emma selber müsste ja nicht heiraten, die könnte gut und gerne

00:11:42: ihr [lachend] Leben mit ihrem Vater verbringen und dann als reiche Witwe [lacht kurz] von der Welt scheiden,

00:11:48: wenn sie möchte. Christina: [flüsternd] Aber auch da ist der Vater wieder der Patriarchat, der das Geld hat.

00:11:54: Pia: Stimmt, aber im Endeffekt wird sie ihn überleben und könnte danach... Christina: [flüsternd] Das stimmt. Pia: [lacht] ...schön weiterleben.

00:12:01: Christina: Meiner Meinung nach hätte sie einfach alleinstehend bleiben sollen, aber okay. [beide lachen]

00:12:05: Pia: Aber die Entscheidung, dass sie heiratet und sicher, das ist wie gesagt, wie du auch gesagt

00:12:09: hast, das ist Stereotyp, das ist immer der Fall bei Austen, aber es ist ihre Entscheidung.

00:12:13: Sie wird nie dazu gezwungen und es ist auch so, dass bei anderen Heldinnen, wo man versucht

00:12:19: sie zu zwingen, zum Beispiel bei "Stolz und Vorurteil", bei Elizabeth Bennet, da versucht

00:12:25: ja die Mutter sie dazu zu zwingen, diesen schrecklichen Cousin zu heiraten [lacht kurz].

00:12:29: Christina: Sie stellt da mehr als nur ein Problem. [beide lachen] Pia:

00:12:32: Ja, sie stellt sich da komplett dagegen und sagt, nein das mache ich nicht. Und dieser

00:12:37: Vater unterstützt sie dann auch, sicher da haben wir wieder das Problem, warum braucht,

00:12:40: hat der Vater da irgendwas zu sagen in dieser Debatte.

00:12:43: Aus unserer modernen Sicht ist das logisch, aber für die damalige Zeit ist es extrem

00:12:49: revolutionär, dass sie das gemacht hat.

00:12:50: Und ich finde, das ist auch ein kleiner Schritt in diese Richtung gewesen, dass wir so viel

00:12:53: weiterkommen sind.

00:12:54: Und da finde ich, sind eben Leute wie Austen, Autorinnen spezifisch wie Austen, Mary Shelley, Aphra Behn,

00:13:04: die haben so viel gemacht und sicher aus der heutigen Perspektive sind diese Bücher

00:13:07: veraltet und haben einige Strukturen drin, die uns heute nicht passen würden.

00:13:11: Aber gleichzeitig finde ich es ein wichtiges Zeitzeugnis und ich finde, man muss es nicht

00:13:17: immer aus der modernen Linse lesen, man kann sich da schon ein bisschen rein fühlen.

00:13:21: Ich kann es natürlich kritisieren, das verstehe ich auch und das sollte man auch,

00:13:26: aber ich finde, man kann so vieles aus diesen Büchern gewinnen, auch wenn sie älter sind.

00:13:31: Christina: Nach unserem Vorgespräch, muss man ja sagen, hast du mich da komplett überzeugt, mich

00:13:39: auf den Punkt gebracht und das kann auch nie Ziel sein von Literaturkritik, dann 200

00:13:49: Jahre rückwirkend zu sagen, das ist aber ein Scheiß, das ist es auch nicht.

00:13:53: Und was Jane Austen

00:13:54: macht, was ich jetzt besser verstehe, weil ich am Anfang überhaupt nicht reingekommen bin. Sie gibt

00:14:00: ihren Protagonistinnen in dem engen Rahmen, der ihnen zur Verfügung steht, so viel Selbstwirksamkeit

00:14:07: und natürlich in diesem Ideal ihrer Geschichte, dass sie sich erdacht hat, so viel Selbstwirksamkeit

00:14:15: wie nur möglich war, ohne dass es komplett unrealistisch geworden ist. Ich kann da gar nicht

00:14:22: mehr dazu sagen, dass du absolut recht hast, aber müssen wir es dann 2020 noch verfilmen. Weil was

00:14:31: meiner Ansicht nach, was diese Filme machen und was ganz viel auch in ganz vielen Hollywoodproduktionen,

00:14:43: aber auch in anderen Filmen und in ganz vielen Narrativen, egal wo man hinschaut, wird immer

00:14:50: noch nicht mehr, also es gibt inzwischen zum Glück Gegenströmungen, die lauter sind, aber es gibt

00:14:56: immer noch dieses gesellschaftliche Ideal der Partnerschaft, das ob man dann heiratet, was natürlich

00:15:04: dann "optipropti" ist, oder halt einfach nur einen Partner findet, dieses Ideal, dass es nur die,

00:15:13: dass nur die romantische Liebe, Liebe ist. Und das ist ja dann, erstens stimmt es nicht, weil jede Form von

00:15:21: Liebe, ob die familiär oder platonisch oder romantisch ist, ist gleichwertig und gleich wertvoll,

00:15:28: aber so wird es eben nicht dargestellt in der Popkultur, die ich konsumiere, meistens zumindest

00:15:35: nicht und das geht mir fürchterlich auf die Nerven und das ist, glaube ich, was dann auch die

00:15:39: Emilia Roig meint, wenn sie das von den Narrativen und der Unterdrückung des Patriarchats sagt,

00:15:45: weil wir konsumieren so viel von immer diesem Gleichen, wir müssen, wir sind erst vollständig,

00:15:54: wenn wir einen Partner finden und in dieser heterosexuellen Welt, Mann, Frau, Ehe, Kinder,

00:16:03: da verliert die Frau halt einfach und das meint sie mit Unterdrückung, wenn es dann darum geht,

00:16:08: dass Frauen haben so, setzen so dem Narrativ dieser ganzen Heiratswelt auf, oder? Dann gibt es,

00:16:18: noch nie ist so viel Geld ausgegeben worden für Hochzeiten wie heute und Hochzeiten haben jetzt

00:16:26: diesen, das ist auch erst seit Mitte des Jahrhunderts so, dass Hochzeiten diesen romantischen

00:16:31: freiwilligen Anklang haben. Es ist einer der stressigsten Tage, den man nur leben kann, man

00:16:38: gibt selbst das Gast extrem viel Geld, aus dafür kann sich aber heute kein Wohnraum, nichts mehr

00:16:42: leisten, ist dann verheiratet und dann gibt es Statistiken, die sagen, dass verheiratete

00:16:49: Frauen unglücklicher sind, als verheiratete Männer, dass sie die sind, das sind dann diejenigen immer noch,

00:16:54: die in Teilzeit arbeiten, die für die Kinderbetreuung und für die Betreuung von Angehörigen

00:17:00: verantwortlich sind und ich mein, "Mental Load" [engl. mentale Belastung] und "emotional Care-Arbeit" [engl. Emotionale Pflegearbeit] und so weiter. Und je öfter wir

00:17:10: Filme schauen, und das hat jetzt mit Jane Austen eigentlich gar nichts mehr zu tun. Pia: Das wollte

00:17:16: ich jetzt nämlich sagen, weil ich finde, da geht man vom Originaltext weg, weil sie hat das ja so

00:17:22: auch nicht propagiert. Christina: Nein, genau! Das meine ich! Pia: Und da kommt man zu den Verfilmungen, wo... da haben wir ja auch schon mal drüber

00:17:28: geredet, wie die Hochzeit dann dargestellt wird. Das ist auch immer der Höhepunkt von

00:17:32: den Filmen, der Hochzeit oder der Heiratsantrag. So enden die Filme immer. Austen endet nie so,

00:17:37: bei der geht es immer noch ein bisschen weiter, weil die erzählt immer noch den ganzen Rest,

00:17:40: aber halt kurz zusammengefasst, für sie ist der Weg dahin viel wichtiger. Und ich finde,

00:17:46: diese extreme Fokus auf Heirat und Ehe und dieser Antrag ist auch etwas sehr spezifisches für unsere

00:17:51: Zeit. Und da haben wir ja auch schon mal drüber geredet, es ist auch lustig, dass bei diesen

00:17:55: Hochzeiten/Heiraten bei den Austen-Verfilmungen immer weiße Kleider verwendet werden, was

00:18:00: wir auch schon mal gesagt haben, das ist nicht historisch akkurat. Das weiße Hochzeitskleid

00:18:03: ist eigentlich erst von Queen Victoria, Jahre später, also die Jahre nachdem Austen das Buch

00:18:08: geschrieben hat, in Mode gekommen, dadurch dass Queen Victoria das getragen hat. Und es ist seither

00:18:13: dieses "Picture-Perfect"-Bild, das wir von einer Hochzeit haben und von einer Braut haben, dass

00:18:19: die mit weißem Schleier in komplett weißen Plüschgewandt [lacht kurz] da diesen... zu diesem Altar

00:18:25: schreitet. Christina: Genau. Pia: Und ich glaube, das ist auch ein Problem unserer Zeit, denke ich mal, und das ist auch

00:18:32: Stereotyp, wie wir Frauen sehen und wie wir Ehen und Beziehungen sehen, dass die so enden müssen,

00:18:37: dass das das perfekte Ende ist und danach kommen halt noch Kinder [lacht kurz] und dann ist man glücklich

00:18:41: miteinander. Und da bin ich absolut deiner Meinung. Da finde ich, das ist ein riesen Problem und ich

00:18:48: glaube, dass das auch in der Popkultur ein riesen Problem ist, weil wie du gesagt hast, das ist auch wie

00:18:53: es sehr, sehr viele Geschichten, egal in welcher Form sie produziert werden, enden und wie die

00:18:59: Spannung kreieren, nur auf so Beziehungen, heterosexuellen Beziehungen [lacht kurz] meistens aufbauen. Das hat

00:19:07: mich jetzt auch erinnert, es ist gerade dieses Jahr Dungeons & Dragons rausgekommen, war es dieses Jahr

00:19:13: oder letztes Jahr ich bin mir jetzt nicht mehr sicher. Auf jeden Fall gibt es da, ich weiß jetzt gar nicht

00:19:17: mehr wie die Figuren heißen, aber es gibt da, nicht Chris Pratt... Chris Pine [lacht], so ein anderer Chris.

00:19:23: Christina: [lachend] Einer der vielen vielen "Chrises". Pia: Ja, ist die Hauptfigur und so, jetzt weiß ich gar nicht,

00:19:29: wie die Schauspielerin heißt. Auf jeden Fall, die zwei sind ja so ein Duo, sind aber nicht miteinander

00:19:36: zusammen oder in irgendeiner Art romantischen Beziehung, aber ziehen zusammen ein Kind groß.

00:19:41: Und da waren extrem viele Leute enttäuscht, dass es keine romantische Beziehung geworden ist am

00:19:46: Ende vom Film. Christina: Ehm, vom Publikum. Pia: Genau. Da habe ich halt diese Debatten online mitgekriegt und da habe ich gedacht,

00:19:51: ich bin so froh, dass es das einmal nicht gegeben hat. Dass der Fokus vom Film... Ja.

00:19:56: Christina: Dass 1er von 100.000 Filmen einmal nicht diesen Fokus hat. Pia: Genau. Christina: Genau. Ja, ich glaube, wir sind eigentlich

00:20:04: eh auf demselben Standpunkt fast. Ich finde halt, dass man nicht, dass Jane Austen für sich gesehen

00:20:15: absolut besser, wie du es gesagt hast, kann ich das nicht ausdrücken, gelesen werden sollte,

00:20:22: aus all den Gründen, die du uns gesagt hast, worum man sie lesen sollte. Aber ich finde auch,

00:20:28: dass man hinterfragen darf, dass man sich vielleicht wirklich ernsthaft die Frage stellen darf,

00:20:33: müssen wir es weiterhin rezipieren in Form von, wir machen da jetzt noch mal ein Film drüber oder

00:20:39: wir nehmen die Geschichte, den Kernstoff und schreiben dann eine Buchreihe, die dann irgendwann

00:20:45: verfilmt wird oder so. Pia: Aber da sind wir halt auch wieder bei seinem Hollywood-Problem. Sie

00:20:49: erfinden keine neuen Geschichten mehr. Christina: Nein. Pia: Sondern nehmen halt immer wieder das gleiche Material.

00:20:55: Christina: Aber es ist nicht nur ... Ja, ja, ja, ja, Hollywood, im Moment müssen wir nicht über Hollywood reden,

00:21:00: oder [lachend] da geht es sowieso gefühlt gerade mit dem Autorenstreik, der da jetzt im Sommer angefangen

00:21:05: hat und so. Es läuft da nicht so rund. Aber auch weiter gefasst einfach die Art, wie wir im

00:21:15: Westen Geschichten erzählen und Geschichten werden ja einfach immer rezipiert und bauen auf so

00:21:22: Archetypen auf. Kann man, meiner Meinung nach, diesen Archetyp das, was vielleicht auch rausgelesen

00:21:32: wird, weil ich stehen lassen, weil ich habe mir dann gedacht, wenn Jane Austen heute leben wird,

00:21:37: wird sie noch einmal ganz anders schreiben, mit der gleichen spitzfindigen Ironie, aber vielleicht

00:21:43: wird sie so, keine Ahnung, vielleicht wird sie sogar der Emilia Roig zustimmen und sagen,

00:21:48: also wenn wir schon so weit sein [lacht kurz], dann... weiß ich nicht. Aber ja, Emma kann man super lesen.

00:21:58: Das finde ich eins... Also für mich war es sehr zugänglich, auch als jemand, dem das nicht so

00:22:04: gefällt. Und man kann auch die Filme toll schauen, aber ich hätte halt gern mehr Filme,

00:22:11: wo das einfach einmal, kein großes Thema ist. Pia: Man muss auch sagen, also es muss ja

00:22:18: kein Liebesfilm sein, es ist fast in jedem Film, kommt irgendwie eine Art Liebesbeziehung vor und

00:22:23: das ist oft der Fokus dieser, das ist wurscht, ob das Fantasy ist oder Krimi oder sonst irgendwas. Und

00:22:28: das ist halt das, was irgendwann, einmal... Ich mein, es gibt ja auch schöne Liebesgeschichten und gut umgesetzte,

00:22:32: aber ich weiß, ich kann absolut verstehen, was du meinst, dass das halt ständig der Fokus ist [lacht kurz].

00:22:37: Christina: Und da muss man, also nur vielleicht, verfilmt man dann nicht zum vierzehnten Mal Emma, es ist nicht

00:22:44: vierzehn Mal, aber du weißt, was ich meine, sondern vielleicht schaut man sich dann mal irgendeinen

00:22:49: andern Stoff an von Leila Mottley "Nightcrawling", wo es um vieles geht, aber nicht um eine Liebesbeziehung,

00:22:58: sondern um eine in Armut lebende Schwarze in den USA, die sich prostituiert, um irgendwie Geld zu

00:23:05: verdienen. Also jetzt aus dem blauen gegriffen eine Geschichte, die ich nicht so oft gesehen habe in

00:23:13: Hollywood. Pia: Ja, und es gibt hunderttausend andere Geschichten, die man erzählen könnte. Christina: Aber Pia,

00:23:17: jetzt die Frage noch einmal, warum wir Geschichten wie Emma mögen so ein bisschen klar geworden,

00:23:26: oder? Es ist nostalgisch, als Verfilmung ist es natürlich bombastisch auch anzuschauen mit

00:23:32: den Kostümen und so und es ist auch immer, es ist schon spannend, wenn man schaut, wo man dann,

00:23:38: wie es verfilmt wird, wo der Unterschied ist jetzt zwischen der Gwyneth Paltrow Version aus den

00:23:43: 90er Jahren und der Version aus 2020, die ganz anders noch einmal ist und ganz anders mit dem Stoff umgeht.

00:23:50: Das kann man dann schon ein bisschen mehr ablesen. Aber wenn ich dir jetzt die Frage stelle, müssen

00:23:56: wir in dieser emanzipierten Welt oder sollten wir in dieser emanzipierten Welt, Geschichten wie Jane

00:24:02: Austens' Emma immer noch immer weiter rezipieren? Hast du da eine Antwort? Pia: Wie gesagt, ich finde,

00:24:10: man kann aus Emma auch andere Sachen rausholen und es muss nicht der Fokus die Liebesgeschichte sein.

00:24:16: Christina: Du würdest... Pia: Und ich finde, es gibt so viele verschiedene Versionen von Jane Austen Romanen,

00:24:23: wo man, man hat Spiele daraus gemacht, man hat moderne Versionen daraus gemacht, es gibt ja zum Beispiel auch

00:24:30: Christina: Clueless. Pia: Danke, Clueless [lacht]. Eben, also man kann ja auch andere Sachen draus nehmen und umwandeln.

00:24:38: Man muss es nicht in dieser alten Schale belassen, man muss es nicht einmal im gleichen

00:24:42: Zeitalter belassen, man kann was damit machen und oft wird halt immer noch diese typische 0815

00:24:48: Liebesgeschichte draus gemacht. Aber ich finde, man kann mit Austen um einiges mehr anstellen. Es gibt

00:24:52: zum Beispiel auch eine Krimi Version von Stolz und Vorurteil: "Death comes to Pemberley". Wie

00:24:59: gesagt, man kann einen Haufen damit anstellen. Christina: Und gibt es nicht irgendwas Jane Austen Demon

00:25:03: Slayer oder so ähnlich? Vampire? Irgendwas mit Vampiren in Jane Austen? Pia: Stolz und Vorurteil

00:25:09: und Zombies gibt es auf jeden Fall [lacht] Christina: Ja, genau, genau, das habe ich gemeint. Ja, also einen mehr

00:25:14: dekonstruierenden Ansatz, wo man den Fokus dann wegbringt von eben diesen Heiratsromantischen

00:25:25: Sachen, einfach weil es bis zum Umfallen gemacht worden ist auch. Pia: Und ich finde, gerade dann ist es

00:25:33: kreativ, wenn man diesen Wiedererkennungswert hat von Ah Okay, ich erkenne die Geschichte, ich weiß was es ist,

00:25:38: aber es ist was ganz was anderes draus gemacht worden. Christina: Wobei, es gab ja diese Neuverfilmung von

00:25:45: Netflix von Stolz und Vorurteil. Ich habe es selber nicht geschaut. Pia: Nein, nicht Stolz und Vorurteil,

00:25:50: sondern Überredung, "Persuasion". Christina: Und das ist nicht gut an... Pia: Die war richtig schrecklich. Die war wirklich

00:25:55: schlimm. Da wollten sie, glaube ich, eine Version von "Fleabag" in Jane Austen-Style machen [lacht kurz] und das

00:26:00: ist richtig schief gegangen. Christina: Also man hat auch immer ein gewisses Risiko, weil wenn man dann auch

00:26:06: diese Stereotypen, also man muss solche Sachen gut machen, weil wenn man diese Stereotypen nicht

00:26:12: bedient und macht es aber auf eine schlechte Weise, dann macht es natürlich Sinn, wenn Hollywood lieber

00:26:18: bei dem Altbekannten bleibt, dass dann halt auch das Geld reinschwemmt. Pia: Das ist das, was dann

00:26:23: passiert [lacht]. Christina: Ja, schau, wir sind ja irgendwie, sind wir uns ein bisschen einig jetzt. Pia: Ja [lacht]. Christina: Wer hätte es gedacht. Wir haben nur... Pia: Ich glaube, du wirst

00:26:31: nie der perfekte Jane Austen-Fan werden. Christina: Ich kanns... Pia: Du kannst es verstehen. Christina: ...wie sagt unsere Auszubildende: Ich kann es "appreciaten" [engl. schätzen]. Pia: Genau [beide lachen]. Christina: Für das, was es

00:26:44: ist, zu der Zeit, zu der es war. Und ich bin froh, dass diese Zeit nicht mehr ist. Pia: Ja, dann danke

00:26:51: fürs Zuhören. Wenn ihr uns gerne was sagen möchtet, Kommentare schreiben, wie es euch gefallen hat.

00:26:56: Vielleicht habt ihr einen von den Filmen gesehen oder das Buch gelesen. Sagt uns das gerne auf

00:27:01: Facebook oder auf Instagram oder auch per Mail unter post.stadtbibliothek@innsbruck.gv.at. Wir

00:27:10: würden uns sehr freuen. Nächstes Mal geht es um "Spuk in Hill House". Da geht es ein bisschen

00:27:16: grusliger zu. Wir freuen uns schon, wenn ihr es wieder mithören würdet. Bis zum nächsten Mal. Tschüss!

00:27:22: [Outro-Musik]

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