HerbstLeseFest: Das Grauen von Dunwich von H.P. Lovecraft

Shownotes

In der letzten Folge des HerbstLeseFests besprechen unsere Hosts Pia und Christina die Kurzgeschichte „Das Grauen von Dunwich“ von H.P. Lovecraft. Diese wurde erstmals 1929 veröffentlicht und gilt unter Horrorliebhaber*innen als Klassiker des Genres. Pia und Christina besprechen mit euch die Inhalte der Geschichte (Achtung, Spoiler!), geben Informationen zur Einordnung und Hintergründen und teilen ihre Meinung.

Dunwich, das ist ein fiktionales Dorf in Massachusetts, USA. Lavinia Whateley lebt dort mit ihrem Vater in einem heruntergekommen Farmhaus. Mit der Geburt ihres Sohnes Wilbur, der viel zu schnell wächst für ein normales Kind, häufen sich die seltsamen – und grauenhaften – Ereignisse.

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„Das Grauen von Dunwich“ gibt’s auch in der Stadtbibliothek:

Mehr von H.P. Lovecraft: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/simple_search?query=h.p.%20lovecraft

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Transkript anzeigen

00:00:00: [moduliert] Vorsicht, der Genuss dieses Podcasts kann zu vermehrten Bibliotheksbesuchen führen. [moduliert]

00:00:06: [Intro-Musik] Christina: Hallo und herzlich willkommen zurück zum Vorwort, dem Podcast der Stadtbibliothek Innsbruck.

00:00:27: Mein Name ist Christina.

00:00:28: Pia: Und ich bin die Pia.

00:00:29: Christina: Und außerdem, willkommen zurück ein letztes Mal beim Herbstlesefest.

00:00:34: In fünf Folgen haben wir uns ganz dem Lesen verschrieben, uns selbst und untereinander Lesechallenges gestellt und diese in den Folgen für und mit euch besprochen.

00:00:47: Pia, worum geht es denn in der heutigen Folge, quasi unseren Grand Finale, wenn ich das so sagen darf?

00:00:54: Pia: Es geht um das "Grauen von Dunwich", "The Dunwich Horror".

00:00:59: Das ist eine Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft.

00:01:03: Und wir haben die illustrierte Version gelesen, und zwar von François Baranger.

00:01:08: Das Original, also die Kurzgeschichte, wurde 1929 im Magazin Weird Tales veröffentlicht, nur so als Info.

00:01:14: Christina: Und Pia, wie fandest du denn das Leseerlebnis?

00:01:18: Mit dieser illustrierten Ausgabe möchte man dazu sagen.

00:01:22: Pia: Also, ich bin ein bisschen zwiegespalten, was das angeht.

00:01:26: Einerseits ist es schon recht fein, Illustrationen zu haben und es ist eine sehr schöne Ausgabe.

00:01:34: Also, es ist ein bisschen ein Sammlerstück, das merkt man schon.

00:01:37: Also, da gibt es ja mehrere von dieser illustrierten Version von François Baranger.

00:01:41: Ich kann mir vorstellen, dass ich das im Regal hätte und das würde voll schön ausschauen.

00:01:46: Andererseits ist es zum Lesen nicht fein gewesen.

00:01:49: Also, ich weiß nicht, wie es dir gegangen ist, aber für mich war es Format zu groß.

00:01:54: Also, es ist ein sehr großformatiges Buch.

00:01:56: Es hat 26 x 35 cm.

00:01:59: Das heißt, da kann man sich schon vorstellen, okay, man hat da einen großen Tuscher in der Hand. [lacht]

00:02:03: Ist man vielleicht eher von der Kinderbibliothek gewöhnt, dass man da eben so ein Bilderbuch in der Hand hat.

00:02:09: Und das bin ich einfach nicht mehr gewöhnt, muss ich sagen.

00:02:12: Ich weiß nicht, wie es dir da gegangen ist.

00:02:14: Christina: Mir ist es ganz gleich gegangen. Ich habe es aufgeschlagen,

00:02:17: und dadurch, dass es so großformatig ist, ist die Illustration schon sehr atmosphärisch.

00:02:22: Und man taucht schon sehr da drin ein.

00:02:24: Das habe ich als Vorteil empfunden.

00:02:26: Aber genau das Gleiche.

00:02:28: Ich bin mir wirklich vorgekommen, als müsste ich nochmal mal lernen, Bilderbücher anzuschauen.

00:02:32: Weil man das wirklich, habe ich auch verlernt.

00:02:34: Und das ist mir mehr auf die Nerven gegangen, als dass es mir was gegeben hat.

00:02:42: Aus dem Grund, dass ich es auch nie mitnehmen konnte in den Bus.

00:02:46: Ich meine, es ist nicht dafür gedacht, dass man es unterwegs liest.

00:02:49: Das ist, wie du sagst, ein Sammlerstück.

00:02:51: Und vielleicht konnte ich es als das nicht so wertschätzen, was es war.

00:02:56: Und im Endeffekt, das muss ich jetzt hier auch gestehen,

00:03:00: bin ich wieder auf meine altbewährte Methode des Hörbuches übergegangen

00:03:04: und habe mir dann das - nicht besonders empfehlenswerte, meiner Meinung nach -

00:03:08: englische Hörbuch angehört.

00:03:11: Weil es einfach anders nicht gegangen wäre.

00:03:13: Ich habe die ganze Zeit das Gefühl gehabt, ich muss mir jetzt die Hände waschen.

00:03:16: Pia: Du quälst dich jetzt da durch dieses Buch durch. [lacht]

00:03:17: Christina: [lacht] Nein, ich wollte es nicht angreifen, weil es so wertvoll ist.

00:03:21: Pia: [lacht] Ich habe auch Angst gehabt beim Umblättern.

00:03:23:  Ich war so: Nicht dass ich die Zeiten zerreiße.

00:03:25: Christina: Ja, und das braucht halt Übung.

00:03:27: Aber es war, glaube ich, einfach nur ungewohnt.

00:03:31: Das war es.

00:03:32: Pia: Ja, ist uns glaub ich beiden gleich gegangen.

00:03:34: Christina: Witzig.

00:03:36: Es steht ja bei uns auch bei den Comics.

00:03:38: Weil es wirklich bei den Illustrationen so vordergründig sind.

00:03:41: Pia: Ja, bei den Romanen wird es keinen Sinn machen.

00:03:43: Da würde es, glaube ich, nie ausgeliehen werden.

00:03:45: Christina: Ja, es hätte halt im Regal glaub ich keinen Platz.

00:03:48: Aber ich glaube schon, dass es ausgeliehen werden würde.

00:03:51: Ich glaube halt, einfach dass es von ... die Illustrationen spielen für die Geschichte,

00:03:59: die fast eine gleichwertige Rolle wie die Geschichte selber.

00:04:03: Und ich glaube, dass das ein Skill ist, den man erlernen muss.

00:04:09: Wir waren ja beide gespannt, wie wir dann mit der Geschichte umgehen in dem Kaliber.

00:04:14: Und das war dann, ja, also ich glaube wirklich,

00:04:16: dass wir am Anfang von so einer Lernkurve stehen.

00:04:18: Wir sollten auch einmal "Graphic Novels" oder so besprechen.

00:04:20: Pia: Ja, sicher.

00:04:22: Christina: Und dann schauen wir, ob wir da anders rein kommen ...

00:04:24: Pia: [lacht] Weiterkommen.

00:04:26: Christina:Und vielen von euch ist ja der Lovecraft

00:04:29: wahrscheinlich auch schon ein Begriff. Im Englischen gibt es da zum Beispiel den Ausdruck "Lovecraftian Horror".

00:04:36: Zu Deutsch sagt man auch gerne "kosmische Horror".

00:04:40: Der Lovecraft hat damit ein ganzes Subgenre in seinem Werk erschaffen.

00:04:46: Und dieses Werk zeichnet sich durch eine Atmosphäre von existenzieller Angst,

00:04:52: Unwissenheit und der Unermesslichkeit des Universums aus.

00:04:56: Die Kernmerkmale dieses Horrorstils sind eben eine gewisse kosmische Gleichgültigkeit

00:05:03: oder vielleicht auch so ein Nihilismus.

00:05:07: Ein Wahnsinn, der durch "zu viel" Wissen sozusagen entsteht.

00:05:13: Unzuverlässiger Erzähler kommt sehr gerne und oft vor.

00:05:17: Der Verlust von Menschlichkeit.

00:05:20: Es geht oft mehr um Atmosphäre als um Aktion oder Taten.

00:05:27: Und ein weiteres Thema sind das Unerklärliche und das Unbekannte.

00:05:35: So, aber wer war jetzt Lovecraft genau?

00:05:39: Pia: H.P. Lovecraft, Howard Phillips Lovecraft heißt das ganz genau.

00:05:44: Das war ein amerikanischer Schriftsteller und er hat diesen Cthulhu-Mythos erschaffen.

00:05:49: Und da geht es immer um Wesen, die heißen dann die großen Alten, die aus fernen Galaxien kommen.

00:05:56: Christina: Und das ist zum Beispiel so eines von diesen Beispielen,

00:06:01: wie sich Lovecraft mit diesem kosmischen Horror beschäftigt,

00:06:04: nämlich mit Wesen, denen die Menschen egal sind.

00:06:08: Pia: Genau. Und das ist aber dann weitergegangen,

00:06:11: weil nach ihm haben andere Autor*innen diesen Mythos in ihren eigenen Werken fortgeführt.

00:06:16: Beispiele dafür sind Andrzej Sapkowski, Wolfgang Hohlbein.

00:06:20: Christina: Und ich habe dazu zu sagen, ich habe Stephen King auch, aber das stimmt nicht ganz.

00:06:25: Stephen King war nur extrem inspiriert von Lovecraft und man findet zwar nicht den Cthulhu-Mythos in King,

00:06:33: aber er zieht sehr viel Inspiration aus den Werken von Lovecraft.

00:06:39: Pia: [lacht] Wir haben auch einige seiner Werke in der Bib, also von Stephen King und von Lovecraft in dem Fall.

00:06:45: Und zwar auffällig viele illustrierte Versionen.

00:06:48: Also zum Beispiel einige Comic-Adaptionen, wie zum Beispiel "Echo des Wahnsinns".

00:06:53: Da werden verschiedene Geschichten aus Lovecrafts Universum adaptiert,

00:06:58: oder auch "Providence" von Alan Moore, den kennt man vielleicht generell,

00:07:02: weil er so im Comic-Bereich so bekannt ist.

00:07:04: Der hat eine Neuinterpretation von Lovecrafts Werken geschaffen.

00:07:08: Dann haben wir auch Manga-Adaptionen, und zwar mehrere von Gou Tanabe,

00:07:13: von zum Beispiel "Berge des Wahnsinns", "Die Farbe aus dem All", "Der Hund und andere Geschichten",

00:07:19: "Der Außenseiter und andere Geschichten" und viele weitere.

00:07:22: Und ich habe das sehr interessant gefunden, dass gerade Lovecraft gern in Comic- oder Manga-Form dann adaptiert wird

00:07:29: und eben illustriert dargestellt wird.

00:07:32: Kann vielleicht auch daran liegen, dass man gern Horror darstellt.

00:07:36: Vielleicht führt das zu einem zusätzlichen Schockfaktor.

00:07:39: Ja, finde ich einfach interessant.

00:07:41: Christina:Aber Pia, weil findest du, dass die Illustrationen jetzt auf unser,

00:07:48: "Das Grauen von Dunwich", auf unseren Lesetext bezogen einen Mehrwert gebracht haben?

00:07:52: Weil für mich haben die eigentlich viel auch weggenommen.

00:07:57: Weil Lovecrafts Stil zeichnet sich ja eben auch durch dieses Unerklärliche und Unbekannte aus.

00:08:04: Und ich habe bei sowas dann immer den Eindruck, dass durch die Darstellung des Monsters

00:08:10: das Monster selbst an Schrecken verliert.

00:08:13: Pia: Ich finde auch. Das habe ich mir auch aufgeschrieben.

00:08:16: Man muss der Illustration zugutehalten, dass es sehr lange versteckt bleibt, das Monster.

00:08:23: Also man sieht nur so Andeutungen, man sieht nicht immer alles.

00:08:26: Aber im Text wird eigentlich nur angedeutet, ewig lang.

00:08:29: Und auch am Schluss, wo es beschrieben wird, ist es sehr viel noch offen eigentlich.

00:08:36: Und natürlich, in dem Moment, wo du es zeichnest, hat es eine eindeutige Darstellung.

00:08:41: Und ich hätte es mir schon, also wenn man nur die Worte gelesen hat, hätte ich es mir anders vorgestellt.

00:08:46: Einige der Sachen, die vorkommen.

00:08:49: Andererseits kann ich mir schon auch vorstellen, dass es ein einfacher Einstieg ist.

00:08:53: Weil gerade Leute, die sich vielleicht schwerer tun mit Lesen,

00:08:57: vielleicht ist es dann feiner, wenn man wirklich eine Illustration dabei hat.

00:09:01: Weil es vielleicht auch hilft und das vielleicht den Text auch auflockert, kann ich mir auch vorstellen.

00:09:07: Christina: Das kann sein.

00:09:09: Ich meine, wir sind ja inzwischen total geprägt von dieser Umgebung, die ... Wir wachsen mit Filmen auf, oder?

00:09:20: Und mit Bildern.

00:09:23: Und als Lovecraft das geschrieben hat, gab es sicher nicht dieses Ausmaß an Bildern und Filmen und Darstellungsmöglichkeiten.

00:09:34: Aber ich glaube, dass man sich, dass man als vielleicht ungeübte*r Leser*in gar nicht bewusst ist,

00:09:41: wie bereichernd es sein kann, Sachen nicht dargestellt zu sehen.

00:09:45: Und das ist meiner Ansicht nach auch eigentlich, worum es Lovecraft geht.

00:09:52: Deswegen ist es natürlich besonders ironisch.

00:09:55: Ich glaube schon, dass es so ein Drang ist von uns Menschen, dass wir was darstellen wollen.

00:10:02: Und dass wir das dann aufs Papier bringen wollen.

00:10:04: Aber eins der Merkmale von Lovecraft ist ja, dass ... Zu viel Wissen, dass das nicht aushaltbar ist.

00:10:11: Also zu viel Realität sozusagen, dass es eigene Grauen in sich birgt, oder?

00:10:17: Und es nimmt das Grauen dann weg, irgendwo.

00:10:19: Pia: Generell in der Geschichte bleibt er auch sehr viel unbeantwortet.

00:10:22: Und es lässt generell sehr viel Platz für Vorstellung.

00:10:27: Und das kann es auch um einiges schrecklicher machen, die Geschichte oder gruseliger.

00:10:32: Christina: Okay, aber, worum geht es in "Das Grauen von Dunwich" nun eigentlich ganz genau?

00:10:38: Und nur als kleiner Hinweis, da es sich hier um eine Kurzgeschichte handelt, werden wir das Ende diesmal verraten.

00:10:45: Pia: Also im "Grauen von Dunwich" entführt uns Lovecraft in die mysteriöse, düstere Kleinstadt Dunwich,

00:10:52: wie man vielleicht denken könnte, in Neuengland.

00:10:55: Dort lebt die Familie Whateley, Whateley [verschiedene Aussprachen] ich war meine ganz sicher, wenn man es auch ausspricht.

00:11:01: Christina: Im Hörbuch glaube ich haben sie ... Whateley.

00:11:03: Pia: Whateley. Ja.

00:11:05: Und um diese Familie gibt es sehr viele Gerüchte.

00:11:10: Der sonderbare, der Wilbur Whateley, der unter sehr seltsamen Umständen geboren wurde

00:11:17: und sehr schnell zu einem bedrohlichen jungen Mann wird, verbirgt ein grauenhaftes Geheimnis,

00:11:24: das mit uralten kosmischen Mächten in Verbindung steht.

00:11:28: Und dann kommen natürlich noch merkwürdige Ereignisse und beunruhigende Geräusche in der Stadt dazu

00:11:33: und dadurch gerät Dunwich in einen Strudel von Horror und Entsetzen

00:11:37: und ein Kampf gegen das Unfassbare beginnt.

00:11:40: Christina: Und bevor wir jetzt genauer auf die Handlung einsteigen und dann auch sagen, wie wir es so gefunden haben,

00:11:47: könntest du Pia, unseren Zuhörer*innen vielleicht noch einen Überblick verschaffen

00:11:51: über die wichtigsten Personen, die in der Geschichte vorkommen, damit wir wissen, über wen wir reden?

00:11:56: Pia: Sicher natürlich. Es gibt einmal den alten Whateley.

00:12:01: Er wird als Zauberer bezeichnet und ist ein kompletter Einzelgänger in dieser Stadt.

00:12:06: Dann gibt es noch seine Tochter Lavinia, die ist ebenfalls eine Einzelgängerin und wird beschrieben

00:12:13: als unattraktiv und auch ständig als "Albino" und das wird öfter wiederholt.

00:12:18: Christina:Und da möchte wir hier einen kurzen Einwurf machen, dass ... Ich finde,

00:12:24: dass eine Person mit Albinismus da als Stilmittel herangezogen wird,

00:12:29: weil um beim Leser Horror zu evozieren, ist aus mehrere Gründen problematisch.

00:12:35: Es suggeriert zum Beispiel, dass Personen mit Albinismus in irgendeiner Form

00:12:39: in Anführungsstrichen "anders" oder "schlechter" wären.

00:12:42: Das ist natürlich völliger Schmarrn, aber wie bei vielen älteren Texten

00:12:46: muss man die in ihrer Zeit verorten.

00:12:50: Als Erinnerung der Text ist 1929 erschienen. Was aber wiederum nicht heißt,

00:12:54: dass man nicht auf die problematischen Elemente aufmerksam machen kann, ähnlich wie in der letzten

00:13:01: Folge, als wir über "Die Tote in der Bibliothek" von Agatha Christie und das Thema Slutshaming gesprochen

00:13:06: haben. Es sei außerdem dazu gesagt, dass die Lavinia die einzige Frau in diesem ganzen Cast,

00:13:13: ist und im Grunde nur dazu dient, dass Wilbur geboren wird, also den Plot zum Laufen zu

00:13:20: bringen und dann verschwindet sie mitten in der Geschichte auf "unerklärliche Weise". Tja. Pia: Zwanziger Jahre. Genau,

00:13:29: das ist die Lavinia und die hat daneben, wie du schon verraten hast, ein Kind, den Wilbur. Der hat

00:13:36: einen unbekannten Vater und ist auf mehrerlei Hinsicht außergewöhnlich. Er hat ein ziegenähnliches

00:13:43: Aussehen, er wächst sehr, sehr schnell für ein normales Kind und Hunde reagieren eigenartig und

00:13:49: negativ auf ihn und dann gibt es noch einen Haufen anderer Sachen. [beide lachen] Christina: Jedes Horror-Trope, das kann man sich denken.

00:13:54: Pia: Und dann gibt es dann noch den Henry Armitage. Der ist noch mal separat von der Familie, der hat

00:14:00: mit ihnen nichts zu tun, der ist Bibliothekar von einer Universitätsbibliothek und der kämpft

00:14:06: gegen dieses Grauen. Christina: Was für eine Überraschung, ich wusste nicht, dass da noch ein Bibliothekar

00:14:09: vorkommt, der dann am Ende den Tag rettet, muss man ja sagen. Pia: Für mich, ganz persönlich war

00:14:17: das jetzt das erste Mal, dass ich Lovecraft gelesen habe, ich glaube, dir geht es gleich. Und ich muss

00:14:21: aber sagen, ich hätte mir Lovecraft genauso vorgestellt. Für mich hat diese Kursgeschichte

00:14:26: irgendwie so mehrere Boxen abgehackt. Christina: Ja, ich stimme hier voll und ganz zu genau das, was ich

00:14:31: erwartet habe und habe mich auch, muss ich dazu sagen, so in so einer gewissen Intermedialität,

00:14:37: die das ja bezeugt, an ganz viele Horrorgames erinnert. Also die auch immer sehr Lovecraftitsch ... (?)

00:14:44: von dem inspiriert sind, ganz offensichtlich. Und das ist, ah, okay, er ist ja der Begründer

00:14:51: Und deswegen kommt mir das so bekannt vor. Und wenn wir davon reden, dass es uns so bekannt

00:14:56: vorkommt, aber was genau macht denn jetzt so einen typischen Lovecraft überhaupt aus? Pia: Also Sachen,

00:15:02: die uns aufgefallen sind, wären da einerseits die Atmosphäre, die ist sehr beklemmend und unheimlich

00:15:07: und es gibt generell eine düstere Stimmung. Das Setting haben wir auch schon erwähnt,

00:15:11: das ist in Neu-England, Dunwich, das ist ein sehr trostloses Gebiet, es ist verfallen, der Ort ist

00:15:17: isoliert und sehr sonderbare Bewohner*innen. Und das bezieht sich jetzt nicht nur auf diese Familie,

00:15:23: sondern generell werden alle schon als eigenartig bezeichnet [lacht] und dann noch diese Familie noch

00:15:27: mal mehr. Christina: Wer Silent Hill gespielt hat, weiß, wie die Atmosphäre in "Das Grauen von Dunwich" ist.

00:15:34: Pia:Dann generell diese Angst vor dem Unbekannten, das haben wir ja auch schon erwähnt. Es werden

00:15:40: sehr lange nur Andeutungen gemacht, das Grauen wird sehr spät beschrieben. Und auch am

00:15:46: Ende der Geschichte ist nicht ganz klar, woher diese großen Alten kommen, was das für Menschen,

00:15:51: Leute, Wesen sind und was genau das Grauen geschaffen hat. Ja. Christina: Pia, wie genau geht es denn aus?

00:15:59: Also dieser Wilbur ist ein, [seufzt] ich habe ja kurz gedacht, er ist Satan oder so wegen der Ziegengeschichte,

00:16:08: aber der stirbt ja dann auch. Übrigens, bei dem Versuch in die Bibliothek einzubrechen,

00:16:13: ich glaube, der wird von einem Wachhund gerissen, oder? Pia: Genau. Christina: Ich wusste nicht, dass es Bibliotheken

00:16:18: mit Wachhunden gibt, aber okay. Und da finden sie so ein bisschen raus, dass der so

00:16:23: entstellt ist. Aber kannst du uns ganz kurz teilhaben lassen, wie dann das Ende ist, damit wir wissen,

00:16:30: worüber wir jetzt reden? Pia: Also Wilbur stirbt und das Grauen ist im Grunde in seinem Haus gefangen.

00:16:36: Das ist ein komisches Wesen, das sehr viele Arme hat und eigenartig ausschaut. Das entkommt dann

00:16:42: und wütet im Grunde in dieser Gegend. Christina: Also so ein richtiges Monster, das sich über den Verlauf des

00:16:50: Plots quasi so ankündigt und der Spannungsbogen reißt am Ende und es wird klar, der bricht jetzt

00:16:56: aus diesem Haus aus und die Familie, die das versucht hat, geheim zu halten, da sind alle

00:17:01: tot oder verschwunden, die Whateleys, und jetzt ist dieses Grauen frei. Und wer ist derjenige,

00:17:06: der es bezwingen kann? Pia: Der Bibliotheker. [beide lachen] Christina: Ja, das wundert mich nicht. Sehr gute Wendung. Pia: Genau und

00:17:13: der kann es dann eben, der liest sich dann ins Tagebuch von Wilbur ein, merkt dann, wie man

00:17:19: den bezwingen kann. Christina: Aha, das heißt, die Macht des Lesens ... [lacht] Wie witzig ist

00:17:27: das denn bitte? Das Lovecraft, das transportiert, wir haben das wirklich nicht absichtlich ausgesucht.

00:17:31: Aber Leute, das zeigt ja mal wieder, dass Lesen ... Pia: [lacht] Wie wichtig Bibliotheken sind. Es ist halt

00:17:36: dieses, "die Macht des Wissens", die kann das Grauen dann bezwingen. Christina: [wirft ein] Recht hat er. Recht hat er. Pia: Unsere Helden

00:17:42: sind Bibliothekare und Professor von der Uni natürlich. [Christina lacht] Es ist allerdings muss

00:17:48: man eben auch sagen ein eindeutiger Fokus auf männliche Helden, männliche Heldentaten. Frauen,

00:17:54: wie du auch schon angedeutet hast mit der Lavinia, werden nur spärlich erwähnt, sie sind Nebenfiguren,

00:17:59: Opfer, wie Lavinia oder Augenzeuginnen, die das halt einfach sehen. Christina: Auch ironisch, weil der Großteil

00:18:05: heute in Bibliotheken arbeitenden Mitarbeiter ist eigentlich weiblich, oder? Pia: Ja. [lacht] Christina: Tja, wieder mal

00:18:13: unrealistisch, Herr Lovecraft. [lacht] Pia: Genau, und am Ende wird das Grauen besiegt, aber wie gesagt, wir wissen

00:18:18: nicht, woher es gekommen ist. Christina: Okay, und jetzt, wie fandest du das Ende? Ich sage gleich,

00:18:27: schon jetzt, wie ich es gefunden habe, nämlich mir war es zu offensichtlich und so konfrontativ.

00:18:32: Dieses Gut gegen Böse-Ding, das kenne ich zum Beispiel eben da, deswegen bin ich vorhin auch auf

00:18:37: Stephen King gekommen, von Stephen King auch. Und das ist mir, und ich habe mir immer vorgestellt,

00:18:42: dass es bei Lovecraft ein bisschen anders zugeht, weil es bei ihm so viel um das Unbekannte und

00:18:50: das Ungreifbare geht und um dieses Kosmische, der kosmische Horror besteht für mich darin,

00:18:55: dass etwas nicht bezwingbar ist. Aber das wurde dann damals bei der Veröffentlichung übrigens

00:19:00: auch schon kritisiert, weil es recht untypisch für Lovecraft auch sein soll. Wie gesagt,

00:19:05: wir wissen es tatsächlich nicht, weil wir nicht viel Lovecraft gelesen haben,

00:19:08: ist unser erster Lovecraft. Lovecraft selbst soll dazu gesagt haben, dass wann immer das Grauen,

00:19:14: wie in der Geschichte von Dunwich so allumfassend ist, es eine Konfrontation geben muss quasi

00:19:22: als Erklärung, warum sich das Grauen nicht über die ganze Welt ausbreitet. Und deswegen hat er

00:19:27: das auf dieser textuellen Ebene so verwendet. Er selbst war wohl ein großer Fan dieser Geschichte

00:19:33: und fand sie ganz, ganz, ganz fürchterlich und graueninduzierend für seine Leser. Wie ist es denn

00:19:39: dir ergangen? Pia: Ich kann seine Gründe verstehen. Es ist ja auch nur eine Kurzgeschichte, muss

00:19:45: man jetzt auch sagen, es ist jetzt kein Roman, wo man das weiter ausführen könnte. Aber er hat es ja auch

00:19:50: fortgeführt und eben, man muss jetzt auch sagen, das weiß ich natürlich nicht, wie es da weitergeht.

00:19:54: Christina: Was hat er fortgeführt? Pia: Diesen Mythos, der ist ja mehreren von seinen Werken. Christina: Also dieses

00:20:02: Monster, der hat einen Namen und wer von euch uns diesen Namen aussprechen kann, kriegt ein Shoutout. [beide lachen]

00:20:10: Pia: Genau. Christina: Oder der hat sehr viele Namen. Also der "Allwissende", oder der "Alleswisser" ... [lacht]

00:20:17: ok, jetzt trau ich mich nicht weiter ... [Pia lacht] aber der hat und der wird dann fortgesetzt. Das gibt dann,

00:20:22: dieses Wesen zieht sich durch ganz viele der Geschichten. Das ist das durch das

00:20:28: Cthulhu-Mythos, oder? Pia: Genau, die Alten generell kommen ja dann immer wieder vor.

00:20:32: Genau. Aber ich muss auch sagen, für mich war es zu klischee... Andererseits ist es natürlich auch

00:20:40: unterhaltsam. Das ist ein bisschen so wie wir das letzte Mal gesagt haben bei der Agatha Christie.

00:20:44: Wenn ich diesen Krimi-Roman lese, dann denke ich mir, okay, ich weiß ganz genau, was ich

00:20:47: erwarten kann. Und bei so einer Geschichte denke ich mir auch, okay, es ist eine Gruselgeschichte,

00:20:51: da kann ich mir auch genau das erwarten. Also einerseits ist es schon unterhaltsam gewesen,

00:20:55: es war nett zum Lesen. Ein bisschen gruselig. Christina: Das war es "nett" zum Lesen? Pia: Ja, ein bisschen gruselig.

00:21:00: Das ist ja auch manchmal nett. [lacht] Christina: Da fällt mir ein, Pia, dass du ja eigentlich gar keine

00:21:04: Gruselgeschichten magst, gell? Pia: Wobei ich sagen muss, für mich war das jetzt nicht so gruselig. Also es

00:21:10: ist gegangen. Es war jetzt nicht komplett angsteinflößend. Christina: Ich glaube, dass sind wir auch einfach

00:21:15: abgestumpft. Also dass wir, dass diese Legacy von ihm sicher weitergetragen hat, wie gesagt,

00:21:23: Intertextualität, Intermedialität. Pia: Und es waren ja die Zwanziger-Jahre, da hat sich ein bisschen was getan,

00:21:29: seitdem. Wir sind "Game of Thrones" und viel, viel schlimmere Sachen, wo das Blut nur so fließt.

00:21:34: Christina: Die Atmosphäre hat mich total beeindruckt. Ich fand es extrem atmosphärisch und er ist

00:21:40: meisterhaft darin, die aufzubauen. Aber was mir gefehlt hat, war so ein bisschen die psychologische

00:21:52: Tiefe. Pia: Das verstehe ich. Mich hat gestört, dass es so offen geblieben ist. Ich verstehe natürlich,

00:22:00: warum es offen lassen hat. Es ist nur eine Kurzgeschichte. Aber ich hätte gern gewusst,

00:22:04: was diese Alten sind, woher die kommen, warum da jetzt überhaupt dieser Wilbur entstanden ist.

00:22:10: Das sind alles Sachen, die nie beantwortet werden. Und das hat mich so gestört. Das wollte ich einfach

00:22:15: wissen. Und gleichzeitig muss ich auch sagen, ich war fast- Nicht, dass ich mich jetzt gefreut hätte,

00:22:21: dass die jetzt übernehmen, [lacht] die komischen alten Monster. Aber irgendwie war ich gespannt,

00:22:25: was passieren würde, wenn. Und das ist halt auch nie eingetroffen. Christina: Ich verstehe. Also dieses

00:22:31: Un... Ich glaube, er arbeitet damit, dass er Fragen auch unbeantwortet lässt. Aber das habe

00:22:37: ich auch schon am Anfang, wo sich dann so rauskristallisiert hat, wir werden wahrscheinlich

00:22:41: nicht erfahren, was mit Lavinia passiert ist. Und auf der einen Seite finde ich das beeindruckend.

00:22:47: Auf der anderen Seite, dass du es dir selber zusammenreimen musst, weil es respektiert,

00:22:53: den Leser und die Leserin in einem Maße, das ist teilweise ungewöhnlich für heutige Texte. Auf der

00:23:00: anderen Seite ist es natürlich auch frustrierend, wenn man sich gewisse Antworten wenigstens wünscht.

00:23:04: Aber da kann ich mir auch vorstellen, dass wir dann tiefer in den Cthulhu-Mythos eintauchen

00:23:09: müssten. Weil je mehr Informationen wir haben, egal wie vage die dann sein mögen, desto mehr können

00:23:17: wir unsere eigene Fantasie spielen lassen. Und das ist vielleicht ja genau das, worum es geht. Dem Lovecraft geht.

00:23:20: Ja, damit, Leute, endet heute das Herbstlesefest. Wir sind stolz,

00:23:30: dass wir in diesen fünf Folgen alle zwei Wochen einen Text gelesen haben. Und mit "wir"

00:23:35: meinen wir natürlich auch die Shelly und die Jaci, die da rege mitgemacht haben, die uns

00:23:41: Challenges gestellt haben, die für uns Sachen gelesen haben, Challenges, die wir ihnen gestellt haben.

00:23:48: Und da möchten wir uns auch jetzt ganz einfach mal bei euch bedanken, dass ihr das so rege mitgemacht

00:23:53: habt für alle eure Kommentare, für die Meinungen, die ihr uns per E-Mail meistens eigentlich geschrieben

00:24:00: habt. Und es ist schön, dass wir euch dazu zum Lesen einladen konnten und inspirieren konnten. Und

00:24:06: wir sind uns sicher, dass das nicht das letzte Mal bleiben wird, dass wir uns gegenseitig irgendwelche

00:24:11: Lesechallenges stellen und euch wieder einladen werden, mit uns zu lesen. Weil wie wir ja heute

00:24:17: erfahren haben, können Bibliothekar*innen ganz vieles, nämlich auch mythische, kosmische Monster

00:24:24: bezwingen. [beide lachen] Deswegen, genau. Pia: Ja, danke fürs Zuhören. Wenn ihr Lovecraft auch gelesen habt, könnt ihr

00:24:34: uns gerne eure Meinung schicken. Oder vielleicht habt ihr auch den noch nie gelesen und wollt

00:24:39: uns einfach die Meinung zu der Folge schicken. Freuen wir uns auch. Unter post.stadtbibliothek@innsbruck.gv.at

00:24:47: oder auf Instagram oder Facebook. Da freuen wir uns auf alle Fälle, wenn wir irgendetwas von euch

00:24:54: hören. Und wir freuen uns auch, wenn ihr beim nächsten Mal wieder einschaltet und zuhört. Tschüss.

00:24:59: Christina: Tschüss. Schönes Lesen. [Outro-Musik]

00:25:01: [Pia spricht] S'Vorwort ist eine Produktion der Stadtbibliothek

00:25:31: Innsbruck und Teil der Stadtstimmen, dem Audiokanal der Stadt Innsbruck. [Pia spricht]

00:25:34:

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