Kurz und Schmerzlos mit ... Thomas Sautner
Shownotes
In „Kurz und Schmerzlos mit …“ interviewt Boris Menschen rund um den Literaturbetrieb. In der Weltpremiere dürfen wir den Schriftsteller Thomas Sautner begrüßen. Der spricht laut eigener Aussage zwar nicht gern über sich selbst, dafür unterhält er sich in einem spannenden Gespräch mit Boris über alle möglichen Themen rund ums Schreiben – wie zum Beispiel das Getränk der Wahl beim Arbeiten oder auch die Rolle von Künstlicher Intelligenz in seiner Zukunft als Schriftsteller.
Eine signierte Ausgabe seines neuen Romans „Pavillon 44“ könnt ihr übrigens gewinnen! Schreibt uns dazu einfach eure Gedanken rund ums Buch (zum Beispiel, warum ihr es gerne lesen würdet) bis zum 28.10.24 auf post.stadtbibliothek@innsbruck.gv.at oder Instagram (stadtbibliothek.innsbruck). Das Buch wird unter allen Einsendungen verlost. Teilnahme ab 18 Jahren.
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Transkript anzeigen
00:00:00: [Stimme moduliert] Vorsicht, der Genuss dieses Podcasts kann zu vermehrten Bibliotheksbesuchen führen. [Stimme moduliert]
00:00:06: [Intro-Musik] Boris: Herzlich willkommen Thomas Sautner.
00:00:23: Thomas, es freut mich, dass du nach Innsbruck gekommen bist.
00:00:26: Und wie ich jetzt vorher erfahren habe, dass du allererste Mal in Innsbruck lesen wirst.
00:00:32: Thomas Sautner: Danke Boris, du hast den Bann gebrochen. Ich freue mich da zu sein. Danke für die Einladung.
00:00:36: Boris: Ja, vielleicht wirst du dann in Zukunft Stammgast werden in Innsbruck. Thomas Sautner: Das würde mich freuen.
00:00:40: Boris: Mich auch. Vielleicht als erstes für die Hörerinnen und Hörer von uns, die dich noch nicht kennen.
00:00:47: Magst du kurz was über dich erzählen?
00:00:49: Thomas Sautner: Nein. Boris: Nein?
00:00:50: Thomas Sautner: Also, es gibt ja Autoren, die reden gern über sich. Ich rede nicht einmal gern über Bücher, ehrlich gesagt.
00:00:56: Am liebsten hätte ich die Leserinnen und Leser lesen einfach und man muss überhaupt nichts weiter reden.
00:01:01: Boris: Das heißt, du freust dich auf den Vorleseteileseil des heutigen Abends.
00:01:05: Thomas Sautner: Toll für den Podcast, ge? [beide lachen]
00:01:06: Boris: Dann mache ich das jetzt andersrum und werde dich ganz kurz vorstellen.
00:01:15: Also, Thomas Sautner kommst aus dem Waldviertel, lebst aber auch in Wien.
00:01:19: Hast du jetzt, glaube ich, den neunten Roman geschrieben?
00:01:22: Thomas Saunter: Der zehnte.
00:01:23: Boris: Der zehnte ist es. Also, mit dem bist du heute auch angereist.
00:01:26: Pavillon, 44. Genau.
00:01:29: Und spielt in einer psychiatrischen Einrichtung.
00:01:33: Aber da möchte ich jetzt auch gar nicht mehr weiter darauf eingehen.
00:01:35: Das kann man dann selber lesen, das Buch, würde ich vorschlagen.
00:01:38: Beziehungsweise, falls dieser Podcast dann in der Zukunft ausgestrahlt wird,
00:01:42: wart ihr ja vielleicht schon bei der Veranstaltung, die heute Abend stattfindet.
00:01:47: Jetzt meine allererste Frage, die jetzt ganz, um einfach eine gewisse Plastizität
00:01:53: vielleicht da reinzubringen:
00:01:55: Was trinkst du, wenn du schreibst?
00:01:57: Thomas Sautner: Kaffee.
00:01:59: Ich habe es schon mit allem probiert natürlich.
00:02:02: Allen Mittelchen.
00:02:04: Kaffee ist noch immer am besten.
00:02:06: Notizen mache ich mir auch mit allen anderen Getränken.
00:02:11: Aber wirklich schreiben, konzentriert schreiben,
00:02:14: ist der alte Kaffee immer noch am besten.
00:02:17: Boris: Und das ist der French Press, Filter oder Siebträger?
00:02:21: Thomas Sautner: Das ist furchtbar schwarz und furchtbar viel. [beide lachen]
00:02:24: Boris: Klingt nach einem stabilen Magen.
00:02:29: Thomas Sautner: Ja, noch funktioniert es.
00:02:31: Boris: Sehr gut.
00:02:33: Thomas Sautner: Es ist ja so bei mir, dass ich immer wieder nachts aufwache
00:02:36: und früher habe ich mich darüber geärgert, dass ich dann nicht weiter schlafen kann.
00:02:39: Mittlerweile habe ich es als großen Vorteil erkannt.
00:02:42: Also ich wache so um zwei Uhr in der Nacht auf, richte mich sofort auf,
00:02:47: schallte das Licht an, mein Laptop steht neben mir und dann geht es los.
00:02:51: Und dann ist der Geist wunderbar frisch.
00:02:53: Da brauche ich noch nicht einmal Kaffee.
00:02:55: Und dann geht es wirklich gut, das Schreiben, und nach ein, zwei Stunden,
00:02:58: wird man wieder müde.
00:03:00: Und nach drei, vier Stunden wacht man wieder auf
00:03:02: und dann beginnt der zweite, sozusagen der zweite Morgen,
00:03:05: um sechs, sieben, acht.
00:03:07: Großartig.
00:03:09: Ein doppelter Beginn.
00:03:11: Boris: Das ist natürlich, dann, denk ich, aber auch ein Vorteil des Schriftstellerseins,
00:03:14: dass man sich natürlich die Zeit weitestgehend frei einteilen kann.
00:03:17: Thomas Sautner: Natürlich, der Partner daneben war wieder ein bisschen genervt.
00:03:21: Boris: [lacht] Er erinnert mich an diese Szenen von älteren Filmen,
00:03:27: wo irgendwelche Kommissare im Bett liegen
00:03:29: und dann immer dieses Festnetztelefon neben ihnen im Bett steht,
00:03:32: das da nachts schellt.
00:03:34: Thomas Sautner:Das Kiloschwere damals noch.
00:03:36: Boris:Ich habe jetzt eine Frage, ich sage es ganz ehrlich,
00:03:39: die hat mir meine Kollegin aufgeschrieben,
00:03:41: weil die das so interessieren würde.
00:03:43: Und da es so ein Thema ist, das ja auch gerade
00:03:45: durch eigentlich alle kreativen Berufsbereiche durchmarschiert.
00:03:48: Hast du Sorge, dass die künstliche Intelligenz
00:03:52: dich als Schriftsteller irgendwann obsolet macht?
00:03:56: Thomas Sautner: [lacht leise] Nein, vielleicht ist das ein Grund,
00:04:00: mehr sich Sorgen zu machen, dass ich mir überhaupt keine Sorgen mache. [Boris lacht]
00:04:04: Wenn es wirklich so wäre, dass die KI bessere
00:04:07: Romane schreibt, ja, dann braucht es mich eh nicht.
00:04:09: Dann soll es so sein.
00:04:13: Ich weiß nicht. Vielleicht bin ich da zu naiv, aber ich kann mir nicht vorstellen,
00:04:16: dass KI spannendere Romane schreibt,
00:04:19: als der Mensch. Wir haben das heute diskutiert, ein bisschen anders:
00:04:23: Man müsste die KI so programmieren,
00:04:25: dass sie eben nicht der menschlichen Programmierung folgt,
00:04:29: sondern eingeladen wird, frei zu denken.
00:04:32: Das wäre spannend,
00:04:34: aber ob das möglich wäre.
00:04:37: Und dann ist ja die philosophische Frage,
00:04:40: es gibt ja ernstzunehmende Leute, die selbst sagen,
00:04:45: wir selbst sind KI, also ein Musk oder so.
00:04:50: Und es gibt ja auch die wunderbare Untersuchung,
00:04:55: dass unsere Entscheidungen hundertstel Sekunden fallen,
00:04:58: bevor wir sie treffen.
00:05:00: Aber ich lasse das einfach einmal so stehen
00:05:03: auf deine Frage, ob die KI besser in Romane schreiben wird. Wenn ja, dann werde ich sie
00:05:07: lesen, wenn es wirklich besser sind. Boris: Die Frage, die ich mir jetzt gerade gestellt habe, ist dann,
00:05:11: wie es dann sein wird, wenn ich an einem regnerischen Tag in Innsbruck die KI vom Hotel abhole
00:05:16: um sie zur Abendveranstaltung zu begleiten. Thomas Sautner: Sie wird das einfordern, wenn sie dann so tickt wie wir.
00:05:21: Boris: Jetzt eine Frage, die doch noch ein bisschen in der Thematik deines aktuellen Romans sich bewegt.
00:05:29: Und zwar, hast du das Gefühl, du hast öfters mit Verrückten zu tun? Thomas Sautner:Ja, natürlich, sobald du
00:05:37: in den Spiegel schaust, beginnt es damit. Du wirst das heute noch erleben, ich verrat das jetzt nicht.
00:05:44: Du wirst das heute noch erleben bei der Lesung, eine kleine Aktion. Ja, wir alle sind verrückt,
00:05:49: oder? Und das ist auch gut so, wenn wir herausgerückt sind, damit "ver-rückt" sind,
00:05:55: weil wenn wir immer nur dort bleiben, wo wir sind, werden wir nichts lernen. Und gerade in der
00:06:00: Literatur sind die Außenseiter, also die Hinausgerückten aus der Szene, die die die
00:06:06: Szene beobachten können, nur deshalb, weil sie eben herausgerückt - also "ver-rückt" - sind. Boris: Ja, ja, das stimmt,
00:06:14: das ist eine spannende Aufgabe auch, wobei ich mich ja selber als Veranstalter ja auch vielleicht
00:06:18: ein bisschen verrückt empfinden würde, weil sonst hätte ich ja auch nicht die selektive Wahrnehmung,
00:06:23: die ich dann habe. Thomas Sautner: Also, auch nicht verrückt geht es nicht. Das ist vielleicht auch das, was uns von
00:06:26: KI unterscheidet. Wenn die KI programmiert ist, soweit ich das verstanden habe, dann macht
00:06:32: sie exakt das, wie sie programmiert ist. Wir sind natürlich als Menschen auch programmiert,
00:06:37: durch Genetik, durch Erziehung, aber dann überraschen wir uns doch immer sogar selbst. Das wird
00:06:45: der KI nicht passieren. Sie wird erstens keine Überraschungen liefern und schon gar nicht
00:06:50: wird sie merken, dass sie sich selbst überrascht. Erst dann wird sie bessere Romane schreiben.
00:06:54: Boris: Ja- Thomas Sautner: Entschuldige, weil, gerade beim Schreiben überrasch ich mich. Wenn ich nur das schreiben
00:07:01: würde, was ich vor hätte, wäre es ein furchtbar langweiliges Buch, dann wäre es ein Sachbuch,
00:07:06: im besten Fall. Aber es ist immer eine Überraschung, das Schreiben. Ich kann das auch jedem empfehlen,
00:07:12: muss nicht unbedingt publizieren, das Schreiben an sich ist ein wunderbares Instrument, um sich
00:07:17: selbst zu entdecken, um die Welt neu zu entdecken und erst durch den Prozess des Schreibens entstehen
00:07:22: Gedanken, entstehen Gefühle, die ohne diesen Prozess des Schreibens nicht entstehen würden.
00:07:27: Das ist wie so ein Zaubertrick von dem der Zauberer, nämlich in dem Fall wir Schriftsteller,
00:07:32: selbst nicht wissen, wie es funktioniert, aber es funktioniert. Boris: Es ist ja auch, wenn ich da
00:07:36: jetzt einen Gedanken von mir ergänzen darf, es ist ja auch so, wenn man selber irgendwo nicht weiter
00:07:40: kommt und spricht mit jemandem über das - monologisch - plötzlich kommen Lösungen.
00:07:45: Thomas Sautner: Oder, gerade vorher haben wir Mikro-Probleme, Mikroständer-Probleme, du hast deine
00:07:50: liebe Kollegin gebeten, ob sie uns helfen kann, sie ist hergekommen und während des
00:07:55: Herkommens hat es schon funktioniert. Boris: Jetzt wenn du beim Schreiben selbst überrascht wirst,
00:08:00: von dir, wann hast du das Gefühl oder passiert es immer wieder, dass du was schreibst und dann
00:08:06: liest du es und denkst: Wow, das war jetzt aber ein toller Satz, oder ... ? Thomas Sautner: Natürlich passiert das und
00:08:11: man darf nur nicht den Fehler machen, dann Minuten vergehen zu lassen und das noch einmal zu
00:08:15: lesen. [beide lachen] Jede Schriftstellerin, jeder Schriftsteller ist immer manisch und depressiv, natürlich, manisch, wenn man
00:08:24: kurz einmal glaubt, man hat was großartig Geniales geschrieben und depressiv, wenn man, wenn man
00:08:28: am nächsten Tag liest und drum ist es immer ein Arbeiten und Überarbeiten und wieder und
00:08:34: wieder überarbeiten, aber tatsächlich sind die Passagen, die Sätze, die Sentenzen am besten,
00:08:41: wo man am wenigsten getan hat, wo eben dieser Überraschungseffekt, dieses zweite Ich schreibt,
00:08:47: dann ist es gut und dann bleibt es auch gut nach mehrmaligem Kontrollieren und Lesen.
00:08:51: Boris: Wir sind schon fast am Ende der Zeit unseres "Kurz und Schmerzlos", man kann es auch "Kurz und
00:08:58: Bündig" nennen. Ich habe jetzt als letzte Frage noch die Frage, kannst du unseren Hörerinnen und Hörern
00:09:05: ein Buch empfehlen? Thomas Sautner: Also ich kann eigentlich alles von Richard Powers empfehlen, aber im Besonderen
00:09:11: vielleicht den Roman "Erstaunen". Sehr berührend, philosophisch großartig, habe ich mit Vergnügen
00:09:17: und Gänsehaut und großer Demut und Freude gelesen, sehr gut. Boris: Vielen Dank, Thomas, fürs Gespräch und
00:09:23: ich freue mich schon auf den heutigen Abend. Thomas Sautner: Ich mich auch, und auf viele Leserinnen und Leser
00:09:28: hoffentlich. Boris: Dankeschön. Thomas Sautner: Alles Liebe. [Outro-Musik]
00:09:31: [Boris spricht] S'Vorwort ist eine Produktion der Stadtbibliothek Innsbruck und Teil der Stadtstimmen,
00:09:59: dem Audiokanal der Stadt Innsbruck. [Boris spricht]
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