Sensitivity Reader: Pro und Kontra

Shownotes

Habt ihr schon mal was von sogenannten Sensitivity Readern gehört? In dieser Folge laden Pia und Christina ihren Kollegen Markus ein, um die positiven sowie negativen Aspekte dieses Phänomens zu beleuchten. Dabei klärt Pia nicht nur darüber auf, was man unter einem Sensitivity Reader versteht. In einem spannenden Austausch nimmt sich Markus der Kontra-Argumente an, während Christina die Pro-Seite beleuchtet. Am Ende entscheidet ihr: Findet ihr Sensitivity Reader sinnvoll, oder würdet ihr euch einen anderen Umgang mit Literatur wünschen? Schreibt uns eure Meinung auf post.stadtbibliothek@innsbruck.gv.at, Instagram (stadtbibliothek.innsbruck) oder Facebook!

Herz aus Blut und Asche, Amélie Wen Zhao: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/60429 https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/manDetail/71619 (ebook)

Roald Dahl: https://stbibk.litkatalog.eu/litterare/simple_search?query=roald%20dahl

svorwort #popcast #bibcast #gemeinsambesser #stadtstimmen

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00:00:00: [Stimme moduliert] Vorsicht, der Genuss dieses Podcasts kann zu vermehrten Bibliotheksbesuchen führen.

00:00:07: [Intro Musik] Pia: Hallo und willkommen zum Vorwort, dem Podcast der Stadtbibliothek Innsbruck.

00:00:26: Ich bin die Pia. Christina: Und ich bin die Christina.

00:00:28: Markus: Und mein Name ist Markus.

00:00:29: Pia: Genau, wir haben heute einen speziellen Gast, der uns heute unterstützt.

00:00:33: Es geht um "Sensitivity-Reader" [engl. Gegenlesen bei sensiblen Themen] und wir wiegen hier das Pro und Kontra ab.

00:00:39: Wir probieren heute mal ein neues Format aus.

00:00:41: Das heißt, weil das Thema umstritten ist, nimmt die Christina die Pro-Seite der Debatte ein.

00:00:46: Und dann Markus die Kontra-Seite.

00:00:48: Das heißt natürlich nicht, dass man nicht auch andere Meinung ist.

00:00:52: Aber für das Format haben wir uns das so überlegt.

00:00:55: Wir führen also keine Diskussion im herkömmlichen Sinn, sondern wollen die zwei Ansichtsweisen einfach gegenüberstellen.

00:01:02: Und ihr Zuhörer:innen dürft dann natürlich für euch selbst entscheiden.

00:01:06: Und das könnt ihr euch uns gerne auch kundtun unter dem Hashtag #gemeinsambesser.

00:01:11: Aber das erklären [lacht] wir nochmal am Schluss.

00:01:15: Zuerst einmal die Frage, was sind überhaupt "Sensitivity-Reader"?

00:01:19: Ich habe mal eine neutrale Definition vom Miriam Webster-Wörterbuch ausgesucht.

00:01:24: Ein "Sensitivity-Reader" ist jemand, der Dokumente, Bücher und so weiter liest, um zu überprüfen,

00:01:30: dass sie nichts enthalten, dass die Leser:innen aufregen oder beleidigen könnte.

00:01:35: Insbesondere bevor sie veröffentlicht werden.

00:01:37: Und da kommt dann schon meine erste Frage.

00:01:40: Wann seid ihr zum ersten Mal auf das Thema gestoßen und wie war eure erste Reaktion drauf?

00:01:44: Christina, leg mal los.

00:01:46: Christina: Ich kann mich gar nicht mehr so genau daran erinnern,

00:01:50: wenn ich auf das Thema gestoßen bin.

00:01:52: Ehrlich gesagt, das ist so im Laufe der letzten, ich würde sagen sieben Jahre ungefähr.

00:01:59: Also es ist ja auch den internetbedingten "Cultural Shift" [engl. kulturelle Verschiebung] gab.

00:02:04: So dann auch im Verlagswesen irgendwann angekommen und dann irgendwann fiel das Wort.

00:02:10: Und ich bin auch nicht sehr eng vertraut damit,

00:02:17: weil es einfach was ist, was viel hinter die Kulissen nämlich anstatt findet.

00:02:23: Und was ist was dann außer in den Medien, wo es halt sehr viel besprochen wird,

00:02:30: eigentlich ja mich erst einmal gar nicht so betrifft.

00:02:34: Markus: Ich habe... Ich würde auch sagen sieben, acht Jahre, vielleicht ein bisschen vorher,

00:02:40: habe ich im Zusammenhang mit der Jugendliteratur in Amerika,

00:02:47: ich das erste mal diese Begriffe gehört, "Sensitivity Reading" oder auch "Trigger"-Warnungen [engl. Auslöser].

00:02:53: Und habe mir damals schon gedacht, das ist wahrscheinlich ein neuer Trend, der hier losgeht.

00:03:02: Und ich habe damals schon die, sage ich mal, skeptische Rektion reingenommen,

00:03:10: Weil ich mir gedacht habe Trends, die in Amerika geboren werden, die werden auch bei uns landen.

00:03:18: Das hat damit zu tun, dass wir meistens eine gewisse kollektiv-psychologisch-divote Haltung

00:03:25: Amerika gegenüber haben, was Trends betrifft, damit wir auch zu diesem Trend dazu gehören können,

00:03:31: damit wir uns zugehörig fühlen können, weil wir augenscheinlich selbst kaum eine,

00:03:40: soll ich sagen, kollektiv-psychologische Identität haben, die hier selbstbewusst entscheidet.

00:03:49: Und habe mir damals schon gedacht, es ist, wie du gesagt hast, es hat begonnen im üblichen Social-Media-Diskurs

00:03:59: mit all den abgeschotteten "Bubbles" [engl. Blasen] und Hashtags und so.

00:04:04: Aber ich habe mir gedacht, das klingt danach, als würde das sich entfalten zu etwas,

00:04:10: was ich jetzt persönlich als nicht sehr positiv empfinde.

00:04:15: Pia: Also von der "Timeline" [engl. Zeitlinie] her, habt ihr es absolut recht.

00:04:18: Der Trend hat um 2015 herum begonnen und zwar im "Young Adult" [engl. Jugendliteratur] Bereich.

00:04:24: Wo der Trend zu mehr Diversität auch gerade beim Aufkommen war.

00:04:28: Damit man ein Gefühl dafür kriegt, was für Bücher da abgeändert werden,

00:04:32: wollte ich ein Beispiel bringen.

00:04:34: Das Beispiel, was ich ausgesucht habe, ist "Blood Heir" zu Deutsch, "Herz aus Blut und Asche" von Emily Wen-Zhao.

00:04:42: Die Geschichte spielt in einem fiktiven Reich mit einer versklavten Unterschicht, namens "Affenites".

00:04:48: Die Protagonistin ist eine Prinzessin und lebt im Verborgenen, weil sie eben eine Ähnlichkeit mit diesen "Affenites" hat.

00:04:54: Und von dort aus geht dann die Handlung halt los.

00:04:57: Und hier kam die Kritik von Frühen Leser:innen, die in dem Buch eine anstößige Ähnlichkeit

00:05:03: mit der amerikanischen Sklaverei und der Unterdrückung von Schwarzen gesehen haben.

00:05:08: Zhao ist selber in Peking aufgewachsen und sagte damals,

00:05:13: dass sie sich eigentlich auf Schuld bzw. Vertragsknechtschaft und Menschenhandel in Asien zu beziehen versucht hat.

00:05:22: Und die Autorin hat die Veröffentlichung dann trotzdem gestoppt.

00:05:26: Und dann haben sich eben "Sensitivity-Reader" diesem Buch angenommen und erst dann wurde das Buch veröffentlicht.

00:05:33: Wir haben das Buch übrigens auch in der Bücherei als Buch und als E-Book, für die die daran interessiert sind.

00:05:39: Also in diesem Fall waren sie ja die Leser:innen, die selbst ausschlaggebend für den Einsatz von "Sensitivity Reader" waren.

00:05:45: Und daher meine erste Frage, meine erste große Frage.

00:05:48: Was für Vor- und Nachteile haben "Sensitivity-Reader" aus der Leser:innen-Sicht?

00:05:53: Markus, was vielleicht fängst du dieses mal an.

00:05:55: Markus: Ich glaube, dass es hier ja immer auch um eine grundlegende Prämisse geht,

00:06:04: und diese gerechte Gesellschaft, die bunte, diverse Gesellschaft.

00:06:08: Und dabei soll ja mögliche Verletzungen und möglicher Kummer von marginalisierten Gruppen verhindert werden.

00:06:19: Jetzt kann ich persönlich auch nicht nur als Leser, aber auch als Leser da ein wenig mitreden.

00:06:27: Ich bin ein homosexueller Mann mit 47 Jahren Lebenserfahrung und was mir missfällt an dieser Entwicklung ist,

00:06:37: die Stigmatisierung von Menschen in marginalisierten Gruppen als einzementierte Opfer, als schwach.

00:06:45: Wenn ich als Leser, wie du es gefragt hast, wenn ich als Leser jetzt als schwuler Leser gerne eine Romantgeschichte über eine,

00:06:54: keine Ahnung, Schwule Liebesgeschichte oder eine Coming-Out-Geschichte lesen möchte

00:06:59: und wissen will, wie der Autor oder die Autorin das in seiner oder ihrer kreativen Vision umsetzt,

00:07:06: dann kommt ein "Sensitivity-Reader" als Zwischeninstanz einher,

00:07:11: will das aufgrund seiner Homosexualität, nicht seiner Literaturrecherchen, nicht seiner Literaturkompetenzen,

00:07:21: sondern vor allem seiner Homosexualität abklopfen, ob hier Stereotypisierungen sind,

00:07:27: ob hier mögliche Verletzungen sind und was damit passiert ist, dass er mir abspricht,

00:07:34: meine eigene Intelligenz abspricht, selbst entscheiden zu können, ob ich etwas als Stereotypisierung empfinde oder nicht.

00:07:43: Und das ist für mich schon einmal als Leser eine Verhöhnung meiner Intelligenz und demgemäß auch ein persönlicher Angriff.

00:07:51: Pia: Christina?

00:07:53: Christina: Also aus Leser:innen Sicht finde ich, da gibt es insbesondere, also um das nochmal abzugrenzen,

00:08:03: wir reden ja von "Sensitivity-Readern", in dem Kontext denke ich von denen, die, in dem Fall das Beispiel,

00:08:11: das du jetzt genannt hast, nach der Veröffentlichung noch einmal zugezogen worden sind aus PR Gründen.

00:08:18: Pia: Also es war schon vor der Veröffentlichung, das waren früher Leser, die das Test gelesen haben und dann ist dieser Backlash gekommen.

00:08:25: Christina: Da hat es so Tests gegeben, da sieht man, das ist natürlich immer ein Markt und der Markt neigt sich den Regeln.

00:08:34: Aber für mich, wie ich "Sensitivity Reader" im positiven Sinne verstehe, ist vor dem Schaffen des Werks.

00:08:43: Und zwar, Markus, du hast das Beispiel genannt, dass ein schwuler Autor seine Erfahrungen einwebt in seinen Roman,

00:08:51: was oft wahrscheinlich nicht der Moment ist, wo jemand als Autor oder als Autorin das Gefühl hat,

00:09:00: ein "Sensitivity Reader" oder ein "Reader:in" zu benötigen vielleicht, das ist dann natürlich ein negativ konnotiertes Wort oder haben zu wollen.

00:09:11: Da geht es so, also ein Beispiel, das für mich sehr gut greift, wäre zum Beispiel, als weiße Frau,

00:09:19: kenne ich mich nicht mit schwarzer Haarpflege aus. Allerdings ist es ein sehr... einfach ein Prozess, du brauchst andere Kämme,

00:09:27: du brauchst andere Produkte, wenn ich mir jetzt vorstelle, dass ich als Autor, ich weiß, wir reden aus Leser:innen Sicht ich komme gleich drauf,

00:09:35: über eine schwarze Frau schreiben will, aber ich weiß das einfach nicht, dann sehe ich das so als Teil der Recherche,

00:09:43: wenn ich dann also [schnalzt mit der Zunge], vielleicht um... also, wenn ich das dann als weiße Leserin lese, lerne ich da was dazu, auch wenn egal welche Hautfarbe jetzt die Autorin hat,

00:09:56: wenn die ist in dem Fall kulturell sensibel, mit so einer Kleinigk... in Anführungszeichen "Kleinigkeit" umgegangen,

00:10:03: das weiß ich als weiße Leserin zu schätzen und jetzt aus meiner Erfahrung als Frau heraus.

00:10:07: Ich bin sozialisiert mit Büchern, die von männlichen Autoren geschrieben sind.

00:10:13: In meiner Lesesozialisation ist weibliche Autorenschaft erst viel später dazugekommen

00:10:20: und ich erkenne mich jetzt viel mehr in diesen Themen wieder und es gibt männliche Autoren, die unglaublich sensibel und gut Frauen schreiben.

00:10:32: Mir ist dann als Leserin egal, ob jemand ein "Sensitivity-Reader" verwendet hat oder nicht,

00:10:37: aber ich weiß es immer zu schätzen, wenn mit Respekt umgegangen wird

00:10:42: und ich weiß es zu schätzen, wenn jemand diesen Extraschritt geht, um zu... sicherstellen, wenn man es sich selber nicht zutraut.

00:10:49: Pia: Also dir geht es ein bisschen um die Realität und dadurch, dass es wirklich akkurat dargestellt wird.

00:10:54: Christina: Zum Teil ja.

00:10:55: Pia: Okay, da haben wir schon mal sehr interessante unterschiedliche Meinungen.

00:10:59: Natürlich werden aber nicht nur neuere Bücher von "Sensitivity-Readern" gesichtet, sondern auch ältere.

00:11:05: Die James Bond Reihe von Ian Fleming zum Beispiel wurde 2023 neu herausgegeben.

00:11:11: Hier wurden rassistische Beleidigungen und Herabwürdigungen von Frauen und Homosexualität aus den Texten gestrichen.

00:11:18: Am Anfang jeden Bandes steht dann die Info, dass der Text abgeändert wurde und dass man sich bemüht hat, so nah wie möglich im Original zu bleiben.

00:11:25: Ähnlich wurde das vom Verleger Puffin Books.

00:11:28: Das ist eine Untergruppe von Penguin Books, bei Roald Dahls Kinderbüchern gemacht.

00:11:33: Sie wurden aber sehr heftig deswegen kritisiert, wegen der Abänderung der Texte

00:11:37: und zwar so heftig, dass sie jetzt beide Varianten veröffentlichen, also mehr Geld für den Verlag.

00:11:43: [lacht] Jetzt werden die Original Texte und die abgeänderten Texte veröffentlicht.

00:11:48: Die Original Texte wurden dann unter der Reihe "The Roald Dahl Classic Collection" neu verkauft.

00:11:53: Das Gleiche ist auch bei den neuen Agatha Christie Auflagen passiert.

00:11:59: Da wurden vor allem rassistische Ausdrücke entfernt.

00:12:03: Hier habe ich auch ein konkretes Beispiel aus der "Tod auf dem Nil", "Death on the Nil", wo sich eine Figur über Kinder beschwert.

00:12:11: Da sagt sie, "sie kommen zurück und starren und starren.

00:12:15: Und ihre Augen sind einfach wiederlich und auch ihre Nasen.

00:12:19: Und ich glaube nicht, dass ich Kinder wirklich mag."

00:12:22: In der neuen Ausgabe wurde dies dann reduziert.

00:12:25: Hier sagt sie nur, "sie kommen zurück und starren und starren.

00:12:29: Und ich glaube nicht, dass ich Kinder wirklich mag."

00:12:32: Und hinter solchen Änderungen steckt dann natürlich der Verlag, der "Sensitivity-Reader" beschäftigt und der die Bücher neu veröffentlichen will.

00:12:39: Daher jetzt meine Frage, was für Vor- und Nachteile haben "Sensitivity-Reader" für die Verlage?

00:12:45: Christina.

00:12:47: Christina: Ja, also Verlage sind ja immer beides.

00:12:51: Und es ist ja auch das Paradox am Buch.

00:12:54: Es ist sowohl... Literatur ist sowohl Kunst und Kreativität, aber es ist auch ein Verkaufsobjekt.

00:13:02: Verlage leben von dem, was sie verkaufen.

00:13:07: Kulturell ist es im Moment, also wir sprechen von "Wokeism" [Woke, engl. wach, aufwachen]

00:13:11: wir sprechen davon, dass es da diesen links-liberalen "Shift" [engl. Veränderung],

00:13:18: Markus du hast es ja schon angesprochen, aus Amerika gekommen ist,

00:13:21: dass der mittlerweile wirklich auch so ein gewisses... also ins Extrem tendiert und der eine neue Zensur ist.

00:13:31: Und als verantwortlicher Lektor, als verantwortliche Lektorin muss ich mir dem, meinem sozialen, kulturellen Umfeld bewusst sein.

00:13:41: Und wenn mir die Kunst wichtig ist, dann werde ich mir überlegen, was für, wie ich damit umgehe.

00:13:50: Zum Beispiel könnte ja auch ein "Sensitivity-Reader" eben zum Beispiel kritisieren,

00:13:57: wenn sie Rassismen entdecken, also ein anderes Beispiel ist jetzt von Mark Twain, das ist 19. Jahrhundert gewesen.

00:14:08: Man könnte das ja auch in einem Vor- oder Nachwort oder in einem Glossar bearbeiten

00:14:13: oder sogar eine anotierte Ausgabe, das ist ja durchaus üblich in der Literatur mit Fußnoten herausbringen.

00:14:19: Allerdings, und das ist dann die Kunstseite dieser Sache, die Marketing- und Geldseite der Sache ist natürlich,

00:14:29: wie du schon gesagt hast, Pia in der Einleitung, dass je massentauglicher ein Produkt ist, desto besser.

00:14:37: Und da muss man stark abgrenzen. Also ich verstehe "Sensitivity-Reader" als Werkzeug,

00:14:46: in der Werkzeugbox, wenn ich Steven King zitieren darf, des Autors, der Autorin.

00:14:53: Und ich verstehe aber auch dass große Gruppen, die einfach gesellschaftlich marginalisiert werden und worden sind in der Vergangenheit.

00:15:05: Eine Teilhabe wünschen in dieser... Wir leben einfach im Zeitalter des Turbo-Kapitalismus und Teilhabe in unserer Gesellschaftsform bedeutet,

00:15:18: diese Dinge auch kaufen zu können und sich darin zu sehen.

00:15:22: Und aus dem Aspekt her kann ich das nachvollziehen, aber in dem besonderen Fall stehe ich dem auch als Literaturwissenschaftlerin

00:15:31: einfach sehr vorsichtig gegenüber. Ich finde es gut, beide Varianten zu haben.

00:15:37: Es bringt dem Verlag, der kann dann noch einmal was anderes rausbringen und du kannst ja aussuchen, was du möchtest.

00:15:44: Markus: Ja, da sind wir schon bei einer wichtigen Dimension, warum ich so eine Abwehrhaltung bei diesem Thema eingenommen habe.

00:15:54: Ich sage das auch als Schriftsteller. Ich habe mehrere Bücher veröffentlicht darunter, auch einige Romane.

00:16:05: Das heißt, ich habe einen gewissen Einblick eben auch hinter die Kulissen bei der Geschichte.

00:16:09: Ich glaube so, wie du das vorhin gesagt hast, dass es hinter den Kulissen begonnen hat und sich vor die Kulissen drängt.

00:16:19: Wie du jetzt vorhin gesagt hast, eben auch hier mit den Verlagen und dem Profit oder wie du gesagt hast Christina,

00:16:25: mit dem Turbo-Kapitalismus, das höhere Ideal, das uns alle hier da untreibt bei dieser Debatte,

00:16:34: ob von Seiten der "Sensitivity-Reader" oder von Seiten der Verlage, wird... eh, muss sich einer Frage der Glaubwürdigkeit stellen.

00:16:45: Wenn mir jemand sagt, ein Verlag, mach das, all diese Dinge, weil er eine gerechte Gesellschaft will,

00:16:54: dem sage ich ganz unverholen, das ist eine fulminante Naivität, das zu glauben.

00:17:01: Ich glaube auch, dass man nicht unterschätzen sollte, auch von Seiten von "Sensitivity-Readern",

00:17:08: eine Facette, die meines Erachtens in der Debatte selbst [räuspert sich] verdrängt wird, und zwar narzisstische Zufuhr.

00:17:18: Es ist dieser Einsatz, den wir da alle haben für diese inklusive Gesellschaft, diverse Gesellschaft,

00:17:25: bunte Gesellschaft, ist auch eine narzisstische Zufuhr.

00:17:28: Das sieht man auch in der Bubble-Mentalität der sozialen Medien, wo man dann Bestätigung,

00:17:35: ganz viel Bestätigung bekommt, wie toll du setzt dich für eine gerechte Gesellschaft ein.

00:17:40: Ich glaube, dass dieser Faktor stärker ist, als wir glauben.

00:17:45: Und ich habe vor allem mit diesem Punkt, wie du gesagt hast, Bücher in der Vergangenheit, die eben abgeändert werden sollen,

00:17:54: weil eben auch der Profit passen soll für die Verlage.

00:17:57:

00:18:12: In der Grundhaltung im Welten bedeutet, dass die böse Vergangenheit ein Abbild sein soll,

00:18:10: in unser tollen Gegenwart.

00:18:12: Wir sollen sozusagen eine Art Schablone kreieren, indem wir eben Bücher der Vergangenheit

00:18:20: abändern, nach der Vorstellung, wie wir eben eine perfekte Utopie sehen.

00:18:27: Und ich hab persönlich als halbwegs erwachsener Mündiger, auch politisch bewusster Mensch,

00:18:33: sehe nicht, wo die Gegenwart so perfekt ist.

00:18:37: Und das ist eine grundarrogante Haltung, der ich absolut nichts abgewinnen kann.

00:18:44: Und deswegen scheidet meines Erachtens auch die sogenannte Glaubwürdigkeit hinter diesem Trend.

00:18:53: Christina: Dann möchte ich darauf noch antworten.

00:18:57: Was neu ist, das hat es früher in dem Ausmaß aber nicht gegeben, ist die Tatsache,

00:19:05: dass wir alte Werke reproduzieren können für die Masse, dass die lebendig bleiben,

00:19:11: weil wir Mittel haben, die reproduzieren zu lassen.

00:19:16: Also wir haben Mittel, die aufzubewahren und die wurden verschriftlicht, verfilmt.

00:19:22: Es gibt Archive aus dem Grund.

00:19:25: Und das hat es vor, ich bin da jetzt keine Expertin, aber vor 200, 300 Jahren.

00:19:33: Also wenn du als Mittelalter denkst, dann konnten, konnte ein kleiner Teil der Bevölkerung überhaupt lesen,

00:19:39: so meine ich das.

00:19:41: Und da war das Gatekeeping, das waren die Mönche.

00:19:44: Jetzt stehen uns so viele Informationen wie noch nie zur Verfügung.

00:19:49: Und die strömen wie auf so einer achtspurigen Autobahn auf uns ein.

00:19:53: Und ich glaube, ein Teil dieser "Sensitivity-Rearder"-Debatte ist auch der Versuch zu filtern.

00:20:02: Aber auch, und das glaube ich, aus tiefster Überzeugung, Worte machen die Realität.

00:20:12: Und wenn ich als sehr junges Kind ein Buch von wem auch immer, und wenn es ein Kinderbuch ist, lese,

00:20:18: und ich da dezidiert, diskriminiert und ausgeschlossen werde, dann, sagen vielleicht meine Eltern,

00:20:25: dann liest du das gar nicht, aber dann bin ich ja weiterhin von unserer Kultur, also von der Kultur und der Gesellschaft,

00:20:32: die ja eigentlich auch meine ist, ausgeschlossen.

00:20:34: Also diesen Antrieb, gerade weil es ja immer reproduziert wird.

00:20:38: Und weil wir Sachen, die nicht für heute gedacht waren, in die heutige Zeit mitziehen.

00:20:43: Wie geht man damit um?

00:20:46: Aber ich, wie gesagt, dieser "Sensitivity-Reader" im Nachhinein ist nochmal eine ganz andere Debatte, finde ich.

00:20:53: Markus: Ich denke, dass... ich sehe diese Gefahr, die du da beschreibst, durchaus auch.

00:21:00: Aber ich sehe da eine zusätzliche Dimension, die das Ganze erschwert.

00:21:05: Indem wir uns auf das stürzen, ignorieren wir auch jene Stimmen in der Literatur, die genau aufgrund ihrer literarischen Fähigkeit das auch schon erreicht haben.

00:21:22: Mir fällt es immer auf beim Thema "POC" [People of Color] Literatur.

00:21:27: Menschen mit anderer Hautfarbe, dem Rassismus.

00:21:30: Ich habe in amerikanischer Literatur und Kulturwissenschaft promoviert und habe die ganze amerikanische Literaturgeschichte quasi durchgelesen,

00:21:40: teils aus Pflicht, um eine Prüfung zu schaffen, teils aus großer Freude.

00:21:45: Und wenn wir hernehmen, dass beispielsweise, ich glaube dieses Jahr, war 250 Jahre , Phillis Wheatley, ein Lyrik Band von einer Sklavin.

00:21:58: Das war noch vor der Unabhängigkeitserklärung.

00:22:01: Ist dieser Lyrik Band veröffentlicht worden.

00:22:04: Und ist auch weltweit rezipiert worden.

00:22:06: Das ist jetzt 250 Jahre her.

00:22:09: Im 19. Jahrhundert die ersten Romane von African-American-Literatinnen und Literaten,

00:22:16: David Dubois, Soziologe, der Ende des 19. Jahrhunderts Bücher verfasst hat,

00:22:22: die später eine Grundlage für die Bürgerrechtsbewegung wurden.

00:22:27: Der  von mir wahnsinnig verehrte James Baldwin in den 1950er Jahren.

00:22:32: Ein schwuler, schwarzer Autor hat einen Roman geschrieben, wie zum Beispiel "Giovanni's Zimmer",

00:22:38: und da hat er über einen übrigens weißen Schwulen geschrieben.

00:22:42: Die von ihm inspirierte Toni Morrison, die den Nobelpreis bekommen hat,

00:22:47: eine der wohl verdientenste Nobelpreise in der Geschichte des Nobelpreises,

00:22:51: die von Toni Morrison inspirierte Jasmine Ward, eine jüngere Generation.

00:22:57: Es wird für mich immer ein wenig getan, als gäbe es das alles nicht.

00:23:01: Das selbe in der "LGBT" [Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender]-Literatur.

00:23:03: Christina: Aber Markus, ich muss da jetzt einmal einhaken.

00:23:05: Das hat jetzt mit dem Thema "Sensitivity-Reader", indem Sinn nichts zu tun.

00:23:08: Das ist noch, also ich finde, findest du das nicht auch,

00:23:11: ein anderer Thematik oder das Wiederaufleben lassen von marginalisierten Stimmen,

00:23:17: die zu ihrer Zeit in der Literatur nicht so die Stimme gehabt haben oder nicht [unverständlich] haben.

00:23:22: Markus: Aber wenn man davon ausgeht, dass es solche Stimmen nicht gibt, dann ignoriert man. [Christina im Hintergrund: Aber wer geht davon aus.]

00:23:27: Markus: Aber das ist in dieser Debatte sehr oft der Fall.

00:23:32: Christina: Würde ich sagen, Pia, dass du... Pia: Eben, weil ich glaube da kommen wir in eine Debatte rein [lachend], und das wollen wir ja nicht.

00:23:40: Aber wir sind dann schon bei den Autoren, weil du ja schon auch einige Autoren genannt.

00:23:45: Jetzt fehlen uns nach den Leser:innen und den Verlagen noch die Autor:innen,

00:23:49: dass die sind, was dieses Thema angeht, sehr gespalten.

00:23:53: Manche sind dafür, manche dagegen.

00:23:55: Der Guardian hat da einige Standpunkte nach der Roald-Dahl-Kontroverse versammelt

00:24:00: und da stelle ich jetzt ein paar einfach vor.

00:24:03: Da haben wir zum Beispiel Philipp Pullmann, den kennt man zum Beispiel von der Goldenen Kompass-Reihe.

00:24:08: Der sagt: "Wenn es uns beleidigt, lassen sie ihn aus dem Druck nehmen.

00:24:12: Was wollen sie dagegen tun? All diese Worte sind noch da.

00:24:15: Wollen sie alle Bücher einsammeln und sie mit einem dicken schwarzen Stift durchstreichen?

00:24:20: Lesen sie viel Earl, S.F. Said, Frances Hardinge, Michael Morpurgo,

00:24:26: Mary Blackman, lesen sie Mini Gray, Helen Cooper, Jacqueline Wilson, Beverly Nadu.

00:24:31: Lesen sie all diese wunderbaren Autor:innen, die heute schreiben und nicht so viel Beachtung finden,

00:24:35: weil die massive, kommerzielle Anziehungskraft von  Leuten wie Roald Dahl so groß ist."

00:24:40: Dann haben wir Margaret Atwood, die kennen viele von "Dem Report Magd" zum Beispiel.

00:24:45: Markus: Wunderbares Buch.

00:24:47: Pia: "Viel Glück mit Roald Dahl, sie werden das ganze Buch ersetzen müssen, wenn sie wollen, dass alles nett ist. [lacht]

00:24:52: Aber das hat schon vor langer Zeit begonnen, es war die Disney-fizierung von Märchen.

00:24:56: Was halte ich davon? Ich stehe auf der Seite von Chausser, der sagt, wenn dir diese Geschichte nicht gefällt,

00:25:03: schlag um und lies etwas anderes." Markus: Ah, gescheit.

00:25:05: Pia: Dann haben wir Irvine Welsh, den kennt man vom Kultklassiker "Trainspotting".

00:25:12: Der schreibt 2022 "The Long Knives", wo es unter anderem auch um Transgender-Themen geht.

00:25:18: Und er schrieb auf Twitter über "Sensitivity-Reader": "Ich war Anfangs sehr ablehnend und betrachtete dies als Zensur.

00:25:24: Allerdings war meine Erfahrung mit dem Transreadern äußerst positiv.

00:25:28: Der Reader unterstützte das, was ich versuchte zu tun, sehr ausgewogen, nachdenklich und informativ.

00:25:33: Und das Buch ist dadurch unendlich besser geworden.

00:25:36: Ich fand es eine positive Erfahrung.

00:25:37: Sicherlich gab es keinerlei verrückte Gehässigkeiten, wie man sie von allen Seiten auf der Debatte hier, Twitter in dem Fall , steht."

00:25:45: Und dann zum Schluss noch Salman Rushdie, den kennt man von "Die satanischen Verse".

00:25:49: [unverständlich] und sagt über ihn, er sei ein selbsterkennender Antisemit mit ausgeprägten rassistischen Neigungen.

00:25:57: Allerdings schrieb Rushdie über die Bearbeitung von Dahls' Büchern, also er beschrieb das als absurde Zensur.

00:26:04: Und auf Twitter schrieb er, dass Puffin und der Nachlass des verstorbenen Autors sich schämen sollten.

00:26:10: Also eher dann wieder negative Sicht des Ganzen.

00:26:13: Genau, also dann sind wir schon bei den Autor:innen und was für Vor- und Nachteile haben diese "Sensitivity-Reader" aus Autor:innen-Sicht?

00:26:20: Markus, weil du ja selber Autor bist, vielleicht fängst du an?

00:26:23: Markus: Ich habe mit meinem Verleger konferiert, kurz auch zu dieser Thematik.

00:26:30: Und er ist der Meinung, dass grundsätzlich konstruktive Kritik immer etwas wichtiges ist.

00:26:37: Und das ist auch ein bisschen so in deiner Linie der Argumentation.

00:26:41: Er hat allerdings auch ein gewisses Sekpsis, wenn ein grundlegender moralischer Imperativ die Literatur übernimmt.

00:26:50: Weil Literatur soll berühren und berührt werden wir im Leben oft auch negativ.

00:26:59: Und ich bin da, Margaret Atwood mit ihrem Zitat kann ich unterschreiben, wenn mich etwas negativ berührt, wenn mich etwas verärgert,

00:27:11: dann sage ich, okay das gefällt mir nicht, lege es zur Seite und lese etwas anderes.

00:27:17: Und so kann ich aufgrund meiner Entscheidung, kann ich meinen Literaturkonsum,

00:27:26: um den kapitalistischen Begriff zu verwenden, selbst bestimmen.

00:27:31: Die grundlegende Problematik für mich, und das kommt bei einigen dieser Standpunkte zur Geltung,

00:27:38: ist, es soll die Literatur die Welt so erzählen, wie sie zu sein hat, wie sie sein soll

00:27:46: und nicht wie sie ist.

00:27:48: Und da wird es bei allen heren Idealen irgendwann einmal schwierig, nicht von einer Zensur zu sprechen.

00:27:56: Das ist ein gewisser Reinlichtkeitsfetisch, der hier immer ärger überhand nimmt,

00:28:02: nicht nur mehr hinter den Kulissen, sondern auch vor den Kulissen, der Literatur mehr und mehr zu schablonisieren droht.

00:28:11: Und da würde ich sagen, als Literaturwissenschaftler, als Literaturvermittler und auch als Literat sage ich,

00:28:20: das ist dann nicht mehr Literatur, wie ich sie erlebe oder erleben möchte.

00:28:25: Und vor allem ist es ein Ausdruck von einer Unterminierung der Freiheit der Kunst.

00:28:32: Und das ist eine quintessenzielle Grundsäule der Demokratie.

00:28:37: In dem gemäß ist es für mich auch in letzter Instanz die Gefahr in der Demokratie zersetzenden Entwicklung,

00:28:43: eines Demokratie zersetzenden Trends.

00:28:46: Pia: Christina?

00:28:48: Christina: Mein Eindruck ist, dass das Wort "Sensitivity-Reader" in den Medien inflationär benutzt wird,

00:28:56: wie das Flugzeugphänomen.

00:28:58: Das kennt man, wenn es einen Flugzeugabsturz gab, dann berichten die Medien.

00:29:03: Das ist ein menschliches, psychologisches Phänomen [Markus: Dem stimme ich zu] Christina: über ganz viele weitere Flugzeugabstürze.

00:29:09: Und man bekommt das Gefühl, das ist überall und das nimmt überhand.

00:29:12: Die Debatte zu "Sensitivity-Readern" hat für mich, wie gesagt, zwei Seiten.

00:29:18: Wir haben jetzt besonders die Seite nach, das Buch ist draußen, es ist in der Welt.

00:29:25: Und danach wird es zensiert.

00:29:28: Und das ist eine Zensur und Zensur, und da stimme ich dir vollkommen recht, Markus,

00:29:32: ist nichts, was wir uns in den Medien wünschen oder in der Kunst wünschen, was "Sensitivity-Reader" sind.

00:29:38: Und deswegen finde ich, dass "Sensitivity-Reader" genauso wie Lektor:innen in einem Verlag ihre Berechtigung haben.

00:29:46: Sie nehmen sich auf Anfrage einem Text an.

00:29:52: Und wir dürfen bitte nicht vergessen, dass der Literaturbetrieb weiß ist.

00:29:59: Die Verlage sind über vorwiegend weiß und das sind weiße privilegierte Menschen.

00:30:05: Es früher waren es weiße privilegierte Männer, jetzt sind es mehr Frauen,

00:30:10: aber es ist einfach, diese Stimmen sind immer noch die größten Stimmen.

00:30:15: Wenn "People of Color", das ist auch im Moment ein Phänomen, heute Bücher schreiben,

00:30:21: dann werden sie vor allen Dingen dann verlegt, wenn sie aus ihrer eigenen Erfahrung heraus schreiben.

00:30:28: Weiße Menschen können theoretisch, das gilt halt vor allen Dingen für Männer, schreiben, worüber sie wollen.

00:30:35: Die Debatte, die in den letzten sieben Jahren aufgekommen ist, ist ein Gegenstrom, einer der zum Teil zu weit ausgeartet ist,

00:30:48: aber eine Gegenströmung zu dieser Tatsache, dass es einfach Stimmen gibt, die nicht gehört werden.

00:30:55: Und wenn man als weißer Autor oder als weiße Autorin aufgrund dessen versucht,

00:31:03: seine Bücher mit anderen Stimmen zu bevölkern, aber Unsicherheiten spürt,

00:31:11: weil man nichts von der Kultur weiß, dann ist es eine sehr ehrenwerte und bescheidene Haltung zu sagen, ich kenne das nicht.

00:31:24: Ich mache meine Recherche, du kannst als Autor, du sollst als Autorin über alles schreiben,

00:31:30: sei frech und sei schockierend und schreib gegen den kulturellen Trend,

00:31:38: das ist warum Literatur und die große Weltliteratur hat das immer gemacht, hat immer gegen den Trend geschrieben.

00:31:43: "Madame Bovary" war undenkbar und so weiter.

00:31:47: Aber vielleicht ist es eine gute Sache, wenn du dir bewusst bist, dass du Privilegien hast, dass deine Stimme gehört wird,

00:31:55: und dass du dann versuchst, respektvoll umzugehen mit den Figuren, die du entwirfst, um die möglichst realistisch darzustellen.

00:32:07: Und wenn dann in deinem Buch ein Absatz steht, wie sich deine schwarze Protagonistin die Haare macht,

00:32:17: dann ist es für mich als Leserin ein Zeichen des Respekts und als Autorin ein Zeichen des "I did my due diligence".

00:32:25: Ich habe meine Recherche gemacht, "Sensitivity-Reader" sind ein Werkzeug von vielen,

00:32:31: und dein Lektor schaut noch einmal drüber und dann als letzten Punkt, den ich noch anbringen will, warum, ich verstehe das aus der Autorensicht.

00:32:42: Das ist ja wahrscheinlich dein intimes Baby, du bringst das aufs Papier und dann bringst du es raus in die Welt.

00:32:53: Aber Roland Barth hat... [lacht] Wenn es draußen ist, gehört es nicht mehr dir, dann gehört es uns und den Leser:innen.

00:33:04: Und wir können dann mit dem Text machen was wir wollen. Das soll aber nichts, im besten Falle nichts, daran ändern,

00:33:11: dass du weiterhin die Freiheit hast als Autor, als Autorin, das du schreiben was du willst.

00:33:18: Wenn du dann ein Backlash [engl. Gegenreaktion] kriegst, bist du halt selber. Das trägst du dann.

00:33:24: Markus: Ich habe... mein Verlag hat ebenfalls gesagt, dass es immer nur in Rücksprache mit Autorinnen und Autoren entschieden wird, ob "Sensitivity-Reader" hinzugezogen werden.

00:33:36: Ich habe einen Roman in der Arbeit, der bald fertig wird, und habe ihnen von vorneherein gesagt, ich werde definitiv nicht mit "Sensitivity-Readern" arbeiten.

00:33:45: Und ganz kurz noch zu Roland Barth, den kenne ich auch ein wenig, dann gehört es den anderen.

00:33:52: Und wenn dann der Backlash kommt, ich glaube, dass es von beiden Seiten sowohl, der die du argumentiert hast, oder wie auch ich,

00:33:59: vor allem ein Aspekt, ein wenig vernachlässigt wird, ist der Aspekt der Angst.

00:34:06: Und diese Angst, die der Verlag hat einen Shitstorm [engl. Sturm der Entrüstung] zu bekommen und den Profit zu verliehen.

00:34:11: Diese Angst, dass der Autor etwas schreibt, das jemand anderen verletzt werden könnte.

00:34:16: Angst ist kein guter Ratgeber, ist meine Schlussfolgerung.

00:34:21: Pia: Auf jeden Fall haben wir jetzt zwei auch sehr unterschiedlich Perspektiven gesehen, was "Sensitivity-Reader" angeht.

00:34:27: Aber der derzeitige Stand kann sich ja auch sehr schnell ändern.

00:34:31: Der Literaturbetrieb ist ja prinzipiell sehr schnell was Änderungen angeht.

00:34:35: Wir wissen nicht, wie sich es weiterentwickelt, "Sensitivity-Reader" könnten ganz verschwinden oder dieses Thema könnte mehr ausgebaut werden.

00:34:43: Das wissen wir ja alles nicht, das schauen wir dann nochmal.

00:34:46: [lachend] In ein paar Jahren kann man diese Debatte nochmal führen.

00:34:48: Die Folge war für mich auf jeden Fall ein interessanter Blick in beide Richtungen.

00:34:52: Danke an Markus, dass du dir die Zeit genommen hast.

00:34:55: Markus: Danke für die Einladung.

00:34:56: Und danke an euch Zuhörer:innen für's mithören.

00:34:59: Jetzt sind wir auf eure Reaktionen gespannt.

00:35:02: Was haltet ihr von "Sensitivity-Readern"?

00:35:04: Ist das für euch etwas Positives oder Negatives?

00:35:07: Schreibt uns eure Meinungen per Mail an post.stadtbibliothek@innsbruck.gv.at

00:35:14: oder auf Facebook oder Instagram über stadtbibliothek.innsbruck

00:35:18: und gerne immerr mit dem Hashtag #gemeinsambesser.

00:35:21: Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.

00:35:23: Christina: Markus, es war mir eine Freude mit dir, die Meinungen auszutauschen.

00:35:27: Superinteressant.

00:35:28: Markus: Right back at you [engl. ganz meinerseits].

00:35:29: Danke.

00:35:30: Pia: Tschüss.

00:35:31: [Outro-Musik]

00:35:54: [Männliche Stimme] Das Vorwort ist eine Produktion der Stadtbibliothek Innsbruck und Teil der Stadtstimmen,

00:36:00: dem Audiokanal der Stadt Innsbruck.

00:36:03:

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